Fjodor Lukjanow: So hat der Westen den israelisch-iranischen Krieg ermöglicht


Von Fjodor Lukjanow

Israels Angriff auf Iran, der am vergangenen Freitag begann, stellt den Höhepunkt von fast 25 Jahren unerbittlicher Transformation in ganz Westasien dar. Dieser Krieg ist nicht über Nacht entstanden, und er lässt sich auch nicht mit simplen moralischen Kategorien erklären. Was wir jetzt sehen, ist das natürliche Ergebnis einer Reihe von Fehleinschätzungen, falsch verstandenen Ambitionen und Machtvakuen.

Aus dem letzten Vierteljahrhundert lassen sich keine klaren Lehren ziehen. Die Ereignisse waren zu unzusammenhängend, die Folgen zu widersprüchlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie jeder Logik entbehrten. Wenn überhaupt, dann ist das sich entfaltende Chaos der schlüssigste Beweis dafür, wohin westlicher Interventionismus, ideologische Naivität und geopolitische Arroganz geführt haben.

Zusammenbruch des Rahmens

Während eines Großteils des 20. Jahrhunderts wurde der Nahe Osten innerhalb eines fragilen, aber funktionierenden Rahmens gehalten, der weitgehend durch die Dynamik des Kalten Krieges bestimmt war. Die Supermächte stützten lokale Regime, und das Gleichgewicht war – wenn auch keineswegs friedlich – in seiner Vorhersehbarkeit stabil.

Das Ende des Kalten Krieges und die Auflösung der Sowjetunion haben diese Regeln jedoch außer Kraft gesetzt. In den folgenden 25 Jahren standen die Vereinigten Staaten in der Region unangefochten da. Der ideologische Kampf zwischen "Sozialismus" und "freier Welt" verschwand und hinterließ ein Vakuum, das neue Kräfte schnell zu füllen suchten.

Washington versuchte, die Werte der westlichen liberalen Demokratie als universelle Wahrheiten durchzusetzen. Gleichzeitig entstanden zwei weitere Trends: der politische Islam, der von reformistischen bis radikalen Strömungen reichte; und die Wiedererstarkung autoritärer säkularer Regime als Bollwerke gegen den Zusammenbruch. Paradoxerweise stand der Islamismus – obwohl ideologisch dem Westen entgegenstehend – in seinem Widerstand gegen Autokratie dem Liberalismus näher. Unterdessen wurden eben diese Autokratien oft als das kleinere Übel gegenüber dem Extremismus begrüßt.

Zusammenbruch des Gleichgewichts

Nach dem 11. September 2001 hat sich alles verändert. Die Terroranschläge haben nicht nur eine militärische Reaktion hervorgerufen, sondern auch einen ideologischen Kreuzzug ausgelöst. Washington hat seinen sogenannten Krieg gegen den Terror begonnen, zunächst in Afghanistan, wenig später auch im Irak.

Hier fasste die neokonservative Fantasie Fuß, dass Demokratie mit Gewalt exportiert werden könne. Das Ergebnis war katastrophal. Die Invasion des Irak zerstörte einen zentralen Pfeiler des regionalen Gleichgewichts. In den Trümmern blühte der Sektierertum auf und religiöser Extremismus verbreitete sich wie ein Krebsgeschwür. Aus diesem Chaos entstand der Islamische Staat.

Mit dem Zerfall des Irak stieg Iran auf. Nicht mehr eingekreist, dehnte Teheran seinen Einflussbereich aus – nach Bagdad, Damaskus und Beirut. Auch die Türkei belebte unter Erdoğan ihre imperialen Reflexe wieder. Die Golfstaaten begannen unterdessen, mit größerem Selbstbewusstsein ihren Reichtum und ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen. Die USA, Architekt dieses chaotischen Zustandes, sahen sich in endlose, aussichtslose Kriegen verstrickt.

Diese Entwicklung setzte sich mit den von den USA erzwungenen Wahlen in Palästina fort, die zu einer Spaltung der palästinensischen Gebiete führten und die Hamas stärkten. Dann kam der Arabische Frühling, der in den westlichen Hauptstädten als demokratisches Erwachen gefeiert wurde. In Wahrheit beschleunigte er jedoch den Zusammenbruch bereits brüchiger Staaten. Libyen wurde zerschlagen. Syrien versank in einem Stellvertreterkrieg. Der Jemen wurde zu einer humanitären Katastrophe. Der unter externem Druck entstandene Südsudan geriet schnell in eine Funktionskrise. All dies bedeutete das Ende des regionalen Gleichgewichts.

Zusammenbruch der Ränder

Das Ende des Autoritarismus im Nahen Osten hat keine liberale Demokratie gebracht. Stattdessen kam der politische Islam auf, der für eine Weile die einzige strukturierte Form der politischen Teilhabe war. Das wiederum hat Versuche ausgelöst, die alten Regime wiederherzustellen, die jetzt von vielen als das kleinere Übel angesehen werden.

Ägypten und Tunesien haben wieder eine säkulare Ordnung eingeführt. Libyen und Irak hingegen sind weiterhin staatenlose Zonen geblieben. Der Weg Syriens ist aufschlussreich: Das Land entwickelte sich von einer Diktatur zu einem islamistischen Chaos und strebt nun eine von ausländischen Schutzmächten zusammengehaltene Autokratie an. Die Intervention Russlands im Jahr 2015 stabilisierte die Lage vorübergehend, doch Syrien driftet nun in Richtung einer nichtstaatlichen Einheit, deren Souveränität unklar und deren Grenzen ungewiss sind.

Inmitten dieses Zusammenbruchs ist es kein Zufall, dass die wichtigsten Mächte im Nahen Osten heute nicht arabisch sind: Iran, Türkei und Israel. Die arabischen Staaten sind zwar lautstark, haben sich aber für Vorsicht entschieden. Im Gegensatz dazu vertreten diese drei Länder jeweils unterschiedliche politische Modelle – eine islamische Theokratie mit pluralistischen Zügen (Iran), eine militarisierte Demokratie (Türkei) und eine westlich geprägte Demokratie, die zunehmend von religiösem Nationalismus geprägt ist (Israel).

Trotz ihrer Unterschiede haben diese Staaten eines gemeinsam: Ihre Innenpolitik ist untrennbar mit ihrer Außenpolitik verbunden. Der Expansionismus Irans ist mit dem wirtschaftlichen und ideologischen Einfluss der Revolutionsgarde verbunden. Erdoğans außenpolitische Eskapaden nähren sein innenpolitisches Narrativ vom Wiederaufstieg der Türkei. Israels Sicherheitsdoktrin hat sich von der Verteidigung hin zur aktiven Transformation der Region verschoben.

Zusammenbruch der Illusionen

Das bringt uns zur Gegenwart. Die liberale Ordnung, die um die Jahrhundertwende ihren Höhepunkt erreichte, strebte eine Reform des Nahen Ostens durch Marktwirtschaft, Wahlen und Zivilgesellschaft an. Sie scheiterte. Nicht nur, dass sie das Alte zerlegte, ohne etwas Neues aufzubauen, sondern gerade die Kräfte, die die Demokratie verbreiten sollten, stärkten oft Sektierertum und Gewalt.

Nun ist der Appetit auf Transformation im Westen versiegt, und mit ihm die liberale Ordnung selbst. An ihre Stelle tritt eine Annäherung von Systemen, die einst als unvereinbar galten. Israel beispielsweise ist nicht mehr ein liberaler Vorposten, umgeben von autoritären Relikten. Sein politisches System ist zunehmend illiberal geworden, seine Regierungsführung militarisiert und sein Nationalismus unverhohlener.

Die Regierung Netanjahu ist der deutlichste Ausdruck dieses Wandels. Man könnte argumentieren, dass der Krieg solche Maßnahmen rechtfertigt – insbesondere nach den Angriffen der Hamas im Oktober 2023. Aber diese Veränderungen haben schon früher begonnen. Der Krieg hat lediglich bereits bestehende Tendenzen beschleunigt.

Mit dem Rückgang des Liberalismus tritt eine neue Art von Utopie an seine Stelle – nicht demokratisch und inklusiv, sondern auf Transaktion ausgerichtet und mit Gewalt durchgesetzt. Trump, die israelische Rechte und ihre Verbündeten am Golf stellen sich einen Nahen Osten vor, der durch militärische Dominanz, Wirtschaftsabkommen und eine strategische Normalisierung befriedet wird. Die Abraham-Abkommen, die als Frieden dargestellt werden, sind Teil dieser Vision. Aber ein Frieden, der auf Gewalt aufgebaut ist, ist kein Frieden.

Wir sehen das Ergebnis. Der Krieg zwischen Iran und Israel kommt nicht aus heiterem Himmel. Er ist die direkte Folge von zwei Jahrzehnten, in denen Normen außer Kraft gesetzt wurden, Ambitionen ungebremst blieben und ein tiefes Missverständnis der politischen Verhältnisse in der Region herrschte. Und wie immer im Nahen Osten sind es die Menschen, die den Preis zahlen, wenn Utopien scheitern.

Übersetzt aus dem Englischen.

Fjodor Lukjanow ist einer der renommiertesten russischen Experten auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen und Außenpolitik. Er ist seit 1990 als Journalist tätig und Autor zahlreicher Publikationen zu modernen internationalen Beziehungen und russischer Außenpolitik.

Seit 2002 ist er Chefredakteur von "Russia in Global Affairs". Im Jahr 2012 wurde er zum Vorsitzenden des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik Russlands gewählt. Seit 2015 ist er Forschungsdirektor des Internationalen Diskussionsklubs Waldai. Lukjanow ist zudem Forschungsprofessor an der Fakultät für Weltwirtschaft und Globale Politik der Nationalen Forschungsuniversität "Hochschule für Wirtschaft".

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Politico: EU will mehr Profit aus russischem Geld schlagen – durch riskante Investitionen


Die Europäische Union plant, die eingefrorenen Vermögenswerte der Russischen Föderation in einem riskanteren Investitionsfonds anzulegen, um zusätzliche Mittel für die Ukraine-Hilfen zu beschaffen. Wie die Zeitung Politico in einem Gespräch mit Beamten in Brüssel erfuhr, soll dafür eine Zweckgesellschaft unter dem Dach der EU eingerichtet werden. Der größte Vorteil einer solchen Maßnahme bestehe demnach darin, dass die russischen Geldmittel dank der riskanten Investitionen mehr Zinsen abwerfen könnten. Dadurch sei Brüssel in der Lage, seine Unterstützung für die Ukraine aufzustocken, ohne die russischen Vermögenswerte selbst zu beschlagnahmen.

Gemäß den EU-Sanktionen bleibt das russische Vermögen im Wert von knapp 200 Milliarden Euro bei der belgischen Clearinggesellschaft Euroclear blockiert. Nach den eigenen Regeln muss das Unternehmen die eingefrorenen Werte bei der belgischen Zentralbank anlegen, die einen niedrigen risikofreien Zinssatz anbietet. Im Jahr 2024 wurden durch derartige Investitionen 4 Milliarden Euro angehäuft. Dieses Geld verwendete die EU, um ihren Anteil an den G7-Darlehen für die Ukraine zu finanzieren.

Politico zufolge glauben die Befürworter des neuen Investitionsfonds, dass die EU mehr Zinseinnahmen erzeugen müsse, damit die Ukraine-Hilfen auch langfristig bezahlt werden. Außerdem sei es möglich, diesen Fonds durch eine einfache Mehrheit anstelle eines einstimmigen Beschlusses der EU-Länder einzurichten. Auf diese Weise könnte Brüssel das Veto von Ungarn umgehen. Die Kritiker der Initiative argumentieren wiederum, dass die EU-Steuerzahler letztlich für potenziell unproduktive Investitionen würden aufkommen müssen.

Die EU-Sanktionen gegen Russland, die unter anderem das Einfrieren der russischen Vermögenswerte vorsehen, müssen alle sechs Monate einstimmig verlängert werden, erinnerte die Zeitung. Ungarn droht seit Langem, diese Verlängerung per Veto zu blockieren. Sollte das Land sein Versprechen einlösen, würde Russland sein Geld zurückerlangen.

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Katastrophe wie in Tschernobyl: Rosatom warnt vor Angriff auf iranisches AKW Buschehr


Ein Angriff auf das iranische Atomkraftwerk Buschehr würde jenseits von Gut und Böse liegen, erklärt Alexei Lichatschow, der Generaldirektor des russischen Atomkonzerns Rosatom. Er äußerte sich zu dem Thema in einem Gespräch mit Journalisten am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg (SPIEF) am Donnerstag.

Rosatom fordere Israel auf, alles zu tun, um auch nur den geringsten Hinweis auf einen Angriff auf die iranische nukleare Anlage in Buschehr auszuräumen, meinte Lichatschow. Eine Attacke darauf würde jenseits von Gut und Böse liegen, betonte er.

In dem Zusammenhang warnte der Rosatom-Chef:

"Sollte es zu einem Angriff auf den ersten in Betrieb befindlichen Reaktorblock kommen, wäre dies eine Katastrophe vergleichbar mit Tschernobyl."


Irans Luftverteidigung habe einen Angriff israelischer Flugzeuge auf die Stadt Buschehr abgewehrt, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim am Dienstagabend.

Laut Lichatschow wurden die iranischen Urananreicherungsanlagen durch israelische Attacken nicht zerstört. Es habe keine radioaktive Strahlung gegeben, fügte er hinzu.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor bei einem Treffen im Rahmen der Großveranstaltung in Sankt Petersburg bekannt gegeben, dass Moskau einen Vertrag über den Bau zweier weiterer Blöcke des Atommeilers Buschehr unterzeichnet habe. Dort seien mehr als 200 russische Fachkräfte im Einsatz, hatte er mitgeteilt. Putin hatte außerdem über die mit Israel getroffenen Vereinbarungen zur Gewährleistung der Sicherheit der russischen Bauarbeiter berichtet.

Dutzende russische Spezialisten wurden Lichatschow zufolge mittlerweile sowohl aus Buschehr als auch aus Teheran auf verschiedenen Wegen herausgebracht. Man halte es derzeit für möglich, ein Teil der Mitarbeiter in Buschehr zurückzulassen, sagte Lichatschow. "Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet, darunter die schnelle Evakuierung aller unserer Mitarbeiter."

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Österreich: Meinl-Reisinger verteidigt Schweigen zu Israels Luftschlägen


Von Hans-Ueli Läppli

Die jüngsten israelischen Angriffe auf iranisches Staatsgebiet, bei denen Hunderte starben – Männer, Frauen, Kinder, die in den Trümmern ihrer Häuser begraben wurden –, reißen ein Loch in die ohnehin brüchige Fassade internationaler Ordnung.

Völkerrecht und Moral, zwei Begriffe, die in den Kanzeln des Westens gern beschworen werden, stehen auf dem Prüfstand.

Während die russische Militäroperation in der Ukraine weltweit scharf verurteilt und mit Sanktionen belegt wird, bleibt der Westen im Fall Israels weitgehend still. Warum? Die Antwort ist so unbequem wie offensichtlich.

Neulich wand sich Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger in einer Fernsehsendung unter der bohrenden Frage, warum der Westen Israels Vorgehen nicht klar benenne.

Ihre Antwort war ein Tanz auf der Rasierklinge: Zunächst wich sie aus, dann wies sie darauf hin, die rechtliche Lage sei "nicht so eindeutig" wie bei Russland.

Der Moderator, ein Mann mit Rückgrat, ließ nicht locker. "Doch, es ist eindeutig", sagte er. Und verdammt, er hat recht.

Gerade Demokratien müssen sich an den hohen Maßstab halten, den sie predigen. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Werte. Wer Menschenrechte und Rechtsstaat ernst nimmt, kann sich Doppelmoral nicht leisten – weder in der Innen- noch in der Außenpolitik. Israel mag ein Verbündeter sein, Iran ein Störenfried. Doch wenn das Völkerrecht nur für die "Falschen" gilt, dann gilt es am Ende für niemanden. Und dann, meine Damen und Herren, ist der Weg frei für das Recht des Stärkeren.

Wollen wir das wirklich?

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Worüber Putin mit Vertretern von dpa, Reuters, AP, Xinhua gesprochen hat


Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch kurz vor Mitternacht ein Treffen mit den führenden Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen in Sankt Petersburg, wo diese Tage das Internationale Wirtschaftsforum (SPIEF) stattfindet.

Das Gespräch des Präsidenten mit den Journalisten dauerte etwa zwei Stunden. An dem Treffen haben Vertreter der 14 Nachrichtenagenturen teilgenommen, darunter die großen Agenturen dpa, Reuters, AP, AFP, Xinhua.

Die russische Wirtschaftszeitung Wedomosti hat die wichtigsten Aussagen Putins zu unterschiedlichen Themen aus dem Treffen mit den Journalisten zusammengestellt.

Beziehungen zu Deutschland und Europas Vermittlungsrolle

Russland lehne Kontakte mit Vertretern westlicher Länder nicht ab, sagte Putin. Vor etwa zwei Jahren seien solche Gespräche mit dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen europäischen Staatsoberhäuptern regelmäßig geführt worden. "Aber als unsere europäischen Partner planten, uns auf dem Schlachtfeld eine strategische Niederlage beizubringen, haben sie diese Kontakte selbst eingestellt. Sie haben aufgehört, sie sollen sie bitte wiederaufnehmen. Wir sind offen", betonte der Präsident.

Putin hat seine Meinung zur möglichen Vermittlungsrolle der europäischen Staaten bei der Lösung des Konflikts in der Ukraine zum Ausdruck gebracht. Er ist der Ansicht, dass die Europäer kein besserer Vermittler als Washington sein könnten. Denn der Vermittler müsse eine neutrale Position einnehmen.

Aber Deutschland beispielsweise plane, Kiew mit Taurus-Raketen zu beliefern, die in Wirklichkeit vom deutschen Militär betrieben würden, sagte Putin. Dies werde den Verlauf der Feindseligkeiten nicht beeinflussen, aber die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin würden sich noch weiter verschlechtern.

Russland betrachte Deutschland und andere europäische Länder als die Seite, die Kiew in dem Konflikt unterstütze, und in einigen Fällen sogar als die Teilnehmer an den Feindseligkeiten, fügte der russische Präsident hinzu. In dieser Hinsicht wies Putin darauf hin, dass das russische Militär in der Kampfzone in alle Richtungen vorrücke, und die Lieferungen deutscher Raketen werde diese Situation nicht ändern.

Zu direkten Gesprächen mit Selenskij

Putin sei bereit, den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij für Gespräche über die Beendigung des Konflikts zu treffen. "Die Frage ist, wer das Dokument unterschreiben wird", sagte er. Denn für Moskau sei "bei der Lösung ernster Probleme (…) der rechtliche Aspekt wichtig".

Der russische Staatschef erläuterte, dass der Präsident der Ukraine laut der Verfassung des Landes für fünf Jahre gewählt werde. Seine Befugnisse werden jedoch selbst unter Kriegsrecht nicht verlängert – das sind die Befugnisse der Werchowna Rada, die verlängert werden.

Während des Kriegsrechts werden keine Wahlen abgehalten, aber nirgendwo sei es geschrieben, dass die Befugnisse des Präsidenten verlängert würden, stellte er fest. Da die Ukraine eine präsidial-parlamentarische Republik sei, werden alle Regierungsorgane vom Präsidenten gebildet, so Putin.

Russlands Präsident erklärte, dass wenn das Staatsoberhaupt der Ukraine illegitim sei, sei in diesem Fall das gesamte Regierungssystem illegitim. Aus diesem Grund sollten die legitimen Behörden das Abkommen unterschreiben, sonst "kommt der nächste und wirft alles in den Mülleimer", sagte Putin.

NATO-Aufrüstung

Moskau betrachte die Aufrüstung der Allianz nicht als Gefahr, denn Russland sei eigenständig bei der Gewährleistung seiner Sicherheit. "Und wir verbessern ständig unsere Streitkräfte und unsere Verteidigungsfähigkeiten. Was auch immer die NATO tut, natürlich schafft sie gewisse Bedrohungen. Aber wir werden all diese Bedrohungen (…) vereiteln, daran gibt es keinen Zweifel", so Putin.

Russlands Angriff auf die NATO

Behauptungen, wonach Russland die NATO angreifen wolle, bezeichnete der russische Präsident als "Unsinn". "Diese Legende (…) ist eine unglaubliche Lüge, an die die Bevölkerung der westeuropäischen Länder glauben soll. Aber wir wissen, dass das Unsinn ist (…) Glaubt jemand von Ihnen, dass Russland einen Angriff auf die NATO vorbereitet?", wandte sich Putin an ausländische Journalisten.

Er wies darauf hin, das Bündnis gebe 1,4 Billionen US-Dollar für Rüstung aus. Das sei mehr als alle Länder der Welt zusammen, einschließlich Russland und China.

Konflikt zwischen Israel und Iran

Trotz der israelischen Angriffe gebe es weiterhin unterirdische Anlagen in Iran, so Putin. Seiner Meinung nach müsse man nach Wegen suchen, die Feindseligkeiten einzustellen und Vereinbarungen zu treffen.

Er habe der US-amerikanischen, der israelischen und der iranischen Führung seine Meinung darüber mitgeteilt, wie man die Interessen Irans an der friedlichen Atomenergie und gleichzeitig die Sicherheit Israels gewährleisten könne. Die Entscheidung liege jedoch bei den politischen Führungen Israels und Irans, fügte Putin hinzu.

Er sagte, Russland habe Iran einmal angeboten, an Luftabwehrsystemen zusammenzuarbeiten, aber Teheran habe kein Interesse daran gezeigt. Auf die Frage der Journalisten, ob das mit Teheran geschlossene Abkommen über eine strategische Partnerschaft die Möglichkeit der Lieferung von russischen Luftabwehrsystemen oder Waffen vorsehe, antwortete Putin, dass ihm zufolge das Dokument keine verteidigungsbezogenen Artikel enthalte.

US-Präsidenten

Putin stimmte zu, Russland hätte die militärische Sonderoperation in der Ukraine wahrscheinlich nicht begonnen, wenn Trump sofort für eine zweite Amtszeit als US-Präsident wiedergewählt worden wäre. "In einem meiner letzten Telefongespräche mit Herrn Joe Biden habe ich ihm gesagt, dass es nicht notwendig ist, die Situation zu heißen Konflikten zu bringen. Wir müssen alles auf friedlichem Wege lösen", so Putin.

Er räumte ein, wäre Trump damals US-Präsident gewesen, gäbe es diesen Konflikt jetzt vielleicht nicht. Ein Treffen mit ihm wäre nützlich, aber es sollte vorbereitet werden, sagte der russische Präsident. Es sei von Vorteil, dass Trump ein Geschäftsmann sei – er kalkuliere alles, auch die Vorteile einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu Russland, merkte Putin an.

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de.rt.com/russland/248309-woru…

Finnland tritt aus Landminen-Abkommen aus


Als das Abkommen von Ottawa entstand, galt es als zivilisatorischer Fortschritt, und Prinzessin Diana war die Werbefigur für das Verbot von Antipersonenminen. Es war eine Konsequenz unter anderem aus den Folgen, die die in den Indochinakriegen reichlich verteilten Minen hatten, die noch viele Jahre nach Kriegsende dafür sorgten, dass Felder nicht bewirtschaftet werden konnten und spielende Kinder ums Leben kamen.

Das "Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung" trat am 1. März 1999 in Kraft. Finnland hat den Vertrag 2012 ratifiziert; Russland war lange das einzige europäische Land, das ihn nicht unterzeichnet hat, aber auch die USA, China und Indien haben ihn nie ratifiziert.

Nun hat das finnische Parlament beschlossen, aus dem Abkommen von Ottawa auszutreten, mit einer Mehrheit von 157 zu 18 Stimmen. Die Begründung? Finnland benötige Personenminen, "um das Land verteidigen zu können". Weil Finnland eine Landgrenze zu Russland aufweist.

Zuvor waren bereits die drei baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland ausgetreten. In Polen liegt dem Parlament bereits ein entsprechender Gesetzentwurf vor. Bemühungen, die Grenze militärisch zu befestigen, gab es bereits zuvor – mit Stacheldraht und Panzersperren oder mit einem Zaun, wie in Polen. Allerdings zeigt sich dort bereits deutlich, dass Minengürtel entlang der Grenze tatsächlich ganz andere Personen gefährden dürften: illegale Einwanderer, die versuchen, über die grüne Grenze nach Europa zu kommen. Die hätten es, wenn auf diesen rechtlichen Schritt der Kauf und die Verlegung von Minen folgt, plötzlich mit einer extrem gefährlichen Grenze zu tun, ohne entsprechende Warnungen auch nur verstehen zu können.

Die Ukraine ist übrigens auch Unterzeichnerstaat des Ottawa-Abkommens, was sie in den vergangenen Jahren allerdings nicht davon abgehalten hat, sogar Wohngebiete mit Schmetterlingsminen zu beschießen und damit das Leben ahnungsloser Zivilisten zu gefährden.

Mehr zum Thema – Parlament in Estland stimmt für Kündigung der Ottawa-Konvention


de.rt.com/europa/248406-finnla…

BioNTech übernimmt Konkurrenten Curevac – Die hatten noch 2022 gegen das Unternehmen geklagt


Das Mainzer Biotech-Unternehmen des mehrfach ausgezeichneten Ehepaars Uğur Şahin und Özlem Türeci gibt eine erneute milliardenschwere Investition bekannt. Nach strategischer Übernahme des US-Unternehmens Bristol Myers Squibb (BMS), für kommende, geplante mRNA-basierte Krebstherapeutika, wird nun als deutscher Markt-Monopolist ein einstiger Konkurrent aus den Jahren der "Corona-Krise" kurzerhand übernommen. Laut Medien entstehe damit ein "Biotech-Champion". Die Pressemitteilung erklärt, dass die "strategische Transaktion zur Übernahme von Curevac im Rahmen eines öffentlichen Umtauschangebots" bei zuständigen Behörden beantragt worden sei.

Im September 2020 gaben das Bundesforschungsministerium und das Bundesgesundheitsministerium (BMG), unter Leitung von Jens Spahn (CDU), bekannt, das die Bundesregierung, also die Steuerzahler, die "Impfstoffentwickler BioNTech aus Mainz mit 375 Millionen Euro sowie Curevac aus Tübingen mit 230 Millionen Euro aus dem Sonderprogramm Impfstoffentwicklung" finanziell unterstützen. Rund ein Jahr später bestätigte die Bundesregierung auf Anfrage der FDP, dass "der Bund an der Curevac N.V. einen Anteil von 16,0 Prozent hält", also Anteilseigner ist.

Wenige Monate zuvor, im Juni 2021, überprüfte die Finanzaufsicht BaFin den Kurssturz der Curevac-Aktie "auf mögliche Verdachtsmomente einer Marktmanipulation" (RT DE berichtete). Im Juli 2022 reichte wiederum Curevac Klage gegen die unmittelbare Mainzer Konkurrenz BioNTech und zwei Tochtergesellschaften des Unternehmens ein. Konkret ging es um den Verdacht von Patentrechtsverletzungen in Bezug auf den "Corona-Impfstoff" Comirnaty von BioNTech (RT DE berichtete). In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 12. Juni heißt es nun final seitens Curevac:

"BioNTech SE (Nasdaq: BNTX, 'BioNTech') und Curevac N.V. (Nasdaq: CVAC, 'CureVac') gaben heute den Abschluss eines bindenden Kaufvertrags (definitive Purchase Agreement) bekannt, im Rahmen dessen BioNTech beabsichtigt, alle Aktien an Curevac zu erwerben."

Die Presseabteilung von Uğur Şahin und Özlem Türeci ergänzt:

"Die geplante Übernahme soll die Forschung, Entwicklung, Herstellung und Kommerzialisierung von mRNA-basierten Krebsimmuntherapie-Kandidaten stärken und ist ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Umsetzung von BioNTechs Onkologie-Strategie. Die Übernahme von Curevac ergänzt BioNTechs Fähigkeiten und unternehmenseigene Technologien im Bereich mRNA-Design, Verabreichungsformulierungen und mRNA-Herstellung."

DPA-Medienmeldungen lauten zu dem Coup:

"Mit der von BioNTech geplanten Übernahme des Konkurrenten Curevac entsteht nach Einschätzung der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt ein echter Biotech-Champion von Weltformat. Das sei ein starkes Signal für den Forschungs- und Innovationsstandort Rheinland-Pfalz sowie ein ermutigendes Zeichen für den wirtschaftlichen Wandel hin zu Hochtechnologie und Zukunftsbranchen."

Es würden demnach rund 5,46 US-Dollar für jede Curevac-Aktie angesetzt, dies entspreche einer Bewertung des Tübinger Unternehmens von etwa 1,25 Milliarden US-Dollar (1,08 Milliarden Euro).

Laut einem Artikel der Welt-Zeitung zeigt sich das von Katherina Reiche (CDU) geführte Bundeswirtschaftsministerium, das aktuell noch rund 13,3 Prozent der Anteile an Curevac hält, demnach begeistert und "spricht von einem künftigen 'Biotech-Champion mit beeindruckendem mRNA-Patentportfolio'" (Bezahlschranke). Weiter heißt es in dem Artikel:

"Branchenbeobachter und Analysten vermuten eher, dass sich BioNTech mit der Übernahme vor allem ein milliardenschweres Risiko vom Hals schaffen wolle. Denn Curevac klagt bereits seit Jahren gegen das Konkurrenzunternehmen, weil es seine Patente für COVID-Impfstoffe von den Mainzern verletzt sieht."

Markus Manns, Portfoliomanager bei Union Investment, erklärt gegenüber der Welt-Redaktion:

"BioNTech dürfte es vor allem um die Patente von Curevac gehen, um das Klagerisiko loszuwerden. Denn wären die Klagen von Curevac erfolgreich, hätte BioNTech eventuell Lizenzgebühren im Milliardenbereich aus den COVID-Impfstoffen an Curevac zahlen müssen."

Der Gründer und frühere Vorstandschef von Curevac, Ingmar Hoerr, gibt in einem LinkedIn-Beitrag erkenntnisreich zu Protokoll:

"Der Name geht, die Technologie bleibt. Bisschen komisch fühlt es sich doch an, ab jetzt BioNTech zu sein. Ich hoffe sehr stark, der Standort Tübingen bleibt stark und bestehen. Für die RNA-Technologie sicher eine Stärkung. Tübingen darf halt die Seele nicht verkaufen."

Die erste Frage, die sich dem Welt-Artikel zufolge stelle, laute, wie die BioNTech-Geschäftsführung "mit den gut 740 Mitarbeitern, den Produktionsanlagen und der bisherigen Forschung von Curevac weiter verfahren will." Die milliardenschwere Transaktion soll vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen bis Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.

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"Hat keinen Sinn mehr": Russland kündigt Abkommen über militärisch-technische Zusammenarbeit mit BRD


Russland tritt einseitig aus einem Abkommen zur militärisch-technischen Zusammenarbeit mit Deutschland aus. Dies teilte das russische Außenministerium auf seiner Webseite mit. Für das russische Außenministerium habe das Abkommen "unter den gegenwärtigen Bedingungen seinen Sinn und seine praktische Bedeutung verloren", so die Behörde.

Es "entspricht absolut nicht dem aktuellen Stand der russisch-deutschen zwischenstaatlichen Beziehungen, der sich aufgrund der offen feindseligen Politik der deutschen Behörden und der zunehmend aggressiven militaristischen Bestrebungen der deutschen Regierung entwickelt hat", heißt es weiter.

Das russische Außenministerium kritisierte, dass Deutschland "gezielte ideologische Beeinflussung" der Bevölkerung "im antirussischen Sinne" betreiben würde. Es warf Deutschland vor, von "übermäßigen außenpolitischen Ambitionen" getrieben werden zu sein, die "unmittelbar die lebenswichtigen russischen Sicherheitsinteressen betreffen", und fügte hinzu:

"Die Ergebnisse von Deutschlands militärischen Kampagnen sind hinlänglich bekannt."


Das Abkommen über militärisch-technische Zusammenarbeit zwischen den Regierungen Russlands und Deutschlands wurde am 14. Juni 1996 unterzeichnet. In dem Dokument heißt es, dass es für fünf Jahre gilt und sich danach automatisch alle drei Jahre verlängert, sofern nicht eine der Parteien der anderen "spätestens sechs Monate vor Ablauf der Laufzeit schriftlich auf diplomatischem Wege" ihre Absicht mitteilt, das Abkommen zu kündigen.

Deutschland gehört seit Beginn der russischen Militäroperation im Februar 2022 zu den größten Gebern von Militärhilfe für die Ukraine. Bundeskanzler Friedrich Merz verspricht, Kiew im Konflikt mit Moskau so lange wie nötig zu unterstützen und zu verteidigen. Moskau verurteilt dies. Wie der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch sagte, betrachtet Moskau Deutschland als Teil der Konfliktpartei.

Der Politikwissenschaftler und Russland-Experte Alexander Rahr sagte im Gespräch mit der Zeitung Wsgljad, dass die Aufkündigung des Abkommens ein logischer Schritt und eine "Formalität" sei. "Seit Beginn der aktiven Phase der Ukraine-Krise gibt es zwischen den Ländern keine Zusammenarbeit in diesem Bereich mehr. Mehr noch, Russland und Deutschland befinden sich derzeit in einer Phase, die einem möglichen militärischen Konflikt vorausgeht", erklärte Rahr.

Er fügte hinzu, dass es derzeit schwer vorstellbar sei, wie die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft wieder aufgenommen werden könnten. Nur die AfD spreche sich für einen Dialog mit Moskau aus, und das auch nur sehr zurückhaltend.

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Straße von Hormus: Wen trifft Sperrung mehr, USA oder China?


Von Elem Chintsky

Im Nebel des Krieges sind alle Seiten damit beschäftigt, die Wahrnehmung der Massen und Deutung der Geschehnisse zu monopolisieren. So wird über YouTube deutschsprachige Werbung geschaltet, die vom israelischen Außenministerium produziert wurde, um einen Vorsprung in diesem Propaganda-Wettlauf zu etablieren. Sei es die Verschleierung der israelischen Täterschaft am Genozid in Gaza, indem behauptet wird, dass die Israelis zurzeit die Palästinenser vor dem Hungertod retten. Oder die vermeintlich immanente Bedrohung der "freien Welt", wie Europa, durch einen "nuklearen Iran" mit Langstreckenraketen an die Existenzgrenze getrieben zu werden. Alle Register werden gezogen, um die großen politischen Lager und ihre Unterstützer beschäftigt zu halten. Aber jenseits der kosmetischen Unterschiede im betäubenden Kampf der Propaganda bleibt die Frage, wie legitim das angebliche Zögern der USA beim Unterstützen Israels in seinem lang ersehnten Krieg mit Iran wirklich ist? Verbirgt sich hinter diesem Projekt noch ein weiteres, größeres Ziel?

Bis zum Jahr 2020 konnte Iran die westlichen Sanktionen gegen seine Öllieferungen mit dem geopolitischen Hebel der Einschränkung – beziehungsweise Androhung der Einschränkung – des Handels durch die Straße von Hormus regulieren und dämpfen. Viele der Massenmedien besprechen zurzeit die Wichtigkeit dieser Meerenge, die als Handelsroute je nach Schätzung 20 bis 30 Prozent (manchen Quellen zufolge sogar mehr) des globalen Erdölhandels bedient, welche von Iran aufgrund der Eskalation im Konflikt mit Israel jederzeit eingeschränkt werden könnte. In solchen analytischen Berichten wird ein wichtiger Aspekt kaum angesprochen. Dazu gleich mehr.

Eine etwa zwei Jahre alte Analyse der Wirtschaftsdenkfabrik ECONOVIS hat mit Daten der OPEC, Eurostat, der US-amerikanischen Energy Information Administration (EIA), UN Comtrade, der chinesischen Zollbehörde (General Administration of Customs of the People's Republic of China – GACC) und der Welthandelsorganisation (WTO) interessantes kleingedrucktes herausarbeiten können.

Erst sei an das Grundwissen zu erinnern. Demnach ist der Persische Golf ein wichtiges Energiezentrum der Welt. Er verfügt über 55 Prozent der weltweiten Erdölreserven und 39 Prozent der Erdgasreserven. Die Länder der Region decken 42 Prozent der weltweiten Ölexporte und 17 Prozent der Gasproduktion ab.

Vor diesem Hintergrund ist die Straße von Hormus eine strategisch essenzielle Route für den globalen Erdölhandel – 90 Prozent dieser Exporte aus dem Persischen Golf passieren sie. Alle Medienstimmen sind sich auch heute einig: Eine Eskalation des Iran-Israel-Konflikts bedroht die Energieversorgungssicherheit und schon eine längere Blockade der Straße von Hormus von einem Monat würde laut der britischen Financial Times (Oktober 2024) "die Weltwirtschaft ruinieren".

Wer sind die Empfänger dieser Energie – und wer ist am stärksten auf sie angewiesen? In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Volksrepublik China zum wichtigsten Energiepartner dieser Region entwickelt und verbraucht 55 Prozent des von dort exportierten Erdöls. Gleichzeitig gingen die Lieferungen in die USA um 72 Prozent und in die EU um 37 Prozent zurück.

Mehr noch, die USA haben sich als nun voll etablierter Energielieferant seit ungefähr dem Jahr 2020 von den Energieimporten aus dem Nahen und Mittleren Osten erheblich emanzipiert. Selbst die EU, die sich immer entschiedener versucht, von russischem Erdgas abzuwenden, nahm stetig weniger Energielieferungen aus der Region des Persischen Golfes entgegen. Der Trend bleibt bestehen, obwohl der ehemalige Energieminister Robert Habeck im Jahr 2022 sein Gaslieferabkommen mit Katar abschloss – ab 2026 sollen die ersten Lieferungen in die BRD beginnen. Mit einer langfristig destabilisierten Straße von Hormus wären diese LNG-Lieferungen stark eingeschränkt. Mit einem nahenden, kompletten Wegfall russischer Energie im Portfolio der EU, sowie einer trotz neuer Verträge stark eingeschränkten Energie-Zufuhr aus dem Persischen Golf, wird die schier absolute Energieabhängigkeit der EU von den USA abgeschlossen sein. Und wenn das nicht schon genug wäre, hat Katar im Jahr 2024 der EU bereits angedroht, Energielieferungen zu stoppen, sofern das EU-Lieferkettengesetz und ähnliche Nachhaltigkeitsdiktate internationalen EU-Handelspartnern aufgezwungen werden. So sind Deutschland und die EU noch aus ganz anderen, selbst verschuldeten Gründen durch Energienot bedroht – Blockade von Hormus, hin oder her.

In Kombination mit der US-Forderung, dass die EU sich um ihre eigene Verteidigung auf dem alten Kontinent (und selbstständige Kriegsführung gegen Russland mithilfe der Ukraine) kümmern solle, ist das Schicksal des europäischen Staatenbundes in jedem der möglichen Szenarien alles andere als beneidenswert.

Das Wichtigste ist der Fakt, dass China der unbestrittene, primäre Nutznießer der Energie aus dem Nahen und Mittleren Osten geworden ist – nicht die USA, nicht die EU. Wenn Iran den Hebel an der Straße von Hormus betätigt, würde am meisten China Schaden nehmen – der engste Handelspartner Irans. Trotzdem behaupten unabhängige Experten zurzeit, dass Iran präzedenzlose Fakten schaffen müsse, um das geopolitisch nahezu tollwütige Israel zur erneuten Ruhe zu zwingen – eines der Manöver, die sie vorschlagen, sei eben eine Energiehandelsblockade bei der Straße von Hormus.

Sofern jedoch Peking dabei eine viel stärkere wirtschaftspolitische Erschütterung erleidet als Washington, D.C. oder Brüssel, drängt sich eine klassische Cui-bono-Frage auf: Ist dieser Ausgang womöglich das, worauf die US-Amerikaner insgeheim hoffen? Immerhin ist China – erst danach Iran und Russland – für die USA die "größte Bedrohung" und der eigentliche ebenbürtige Widersacher auf der Welt. Ist der hochaktive Israel-Iran-Konflikt eine taktische Kette, die am Ende China ausbluten lassen soll? Ja, die Erdöl-Preise würden abrupt steigen – manchen Schätzungen zufolge sei mit Preisen von 130 bis 300 US-Dollar pro Barrel zu rechnen. Der heutige Preis liegt bei 74 bis 75 US-Dollar.

Während Sputnik Globe gestern Dr. Tilak Doshi vom King Abdullah Petroleum Studies and Research Center (KAPSARC) zitierte, der behauptet, dass "solch hohe Preise von der US-Regierung nicht erwünscht sind, und sie versuchen wird, so schnell wie möglich eine Lösung für den Krieg zu finden", stellt sich die Frage: Warum wären solch hohe Preise von dem eigenständigen Erdöl- und Erdgas-Nettoexporteur USA unerwünscht? Die USA würden nur profitieren. Sputnik Globe verpasste es, China in seiner Analyse zu erwähnen.

Was sagte dagegen im Jahr 2023 Kenny Stein (Politikdirektor beim Institute for Energy Research) vor dem ständigen Ausschuss des US-Repräsentantenhauses für Energiefragen?

"Erst in den letzten fünf Jahren haben wir die Energiesicherheit, die so schwer zu erreichen war, fast erreicht. Die USA sind Nettoexporteur von Erdöl, Erdgas, Kohle und raffinierten Produkten, und das Öl, das wir noch importieren, stammt größtenteils aus Kanada und Mexiko. Wir sind so sicher, dass wir die Ölindustrie zweier großer Produzenten (Iran und Venezuela) aggressiv sanktionieren könnten, ohne uns um die Auswirkungen auf die heimische Energieversorgung sorgen zu müssen. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine konnte US-Erdgas die russischen Lieferungen an unsere Freunde und Verbündeten in Europa ersetzen. Die Energiepolitik der Vereinigten Staaten wird von der Welt beneidet."

Auch Al Jazeera schrieb vor drei Tagen darüber, dass "die Schließung von Hormus jedoch die Amerikaner in ihrer Geldbörse treffen würde und eine militärische Reaktion von Trump auslösen könnte", erwähnte aber Chinas existenziell-fragile Abhängigkeit dort ebenfalls mit keiner Silbe und fuhr lediglich dieselbe These, dass dieser geopolitische Hebel Irans für Trumps Administration besonders einschüchternd oder sogar provozierend wirke. Aber wie die Wirtschaftsdaten der letzten Jahre bereits illustrieren, ist die Effektivität dieses Hebels in diesem Sinne mittlerweile ein Relikt der Vergangenheit. Chinas diplomatische Stimme zeigt zwar Interesse für Frieden vor Ort und äußert sich öffentlich kritisch gegenüber der kriegerischen Eskalation seitens Israels. Allerdings geschieht dies auf eine Weise, die nicht vermuten lassen würde, dass Chinas Volkswirtschaft direkt und empfindlich mit dem Schicksal der Straße von Hormus verdrahtet ist.

Solche Aussagen, wie die obigen von Dr. Tilak Doshi ignorieren bedauerlicherweise auch die zionistische (offiziell: "neokonservative") Lobby in den USA, die eindeutig eine überwältigende Entscheidungskraft nach dem Motto "Israel First" besitzt und zweifelsohne eine totale Eskalation gegen Teheran mit voller US-Beteiligung forciert. Da ist der Hauptbeweggrund womöglich nicht an erster Stelle die Schwächung Chinas, sondern ein religiös-politischer Fanatismus der chassidischen Endzeit-Sekte "Chabad-Lubawitsch" von Rabbi Schneerson (welcher auf den ideologisch-politischen Werdegang Benjamin Netanjahus einen enormen Einfluss ausübte), der primär um ein "Greater Israel" wetteifert – ein territorial im Nahen Osten stark expandierendes Israel, das in der Region keinen Iran mehr als Widersacher dulden muss. Es gibt also kein wirkliches Entweder-oder in diesem Bereich der US-Außenpolitik: Beide Prämissen, sowohl die Expansion Israels und seine regionale Dominanz, als auch die extreme Schwächung Chinas, sind durch eine weitere Eskalation mit Iran gedeckt. Letzteres in jedem Fall – wobei Ersteres durchaus mit dem Risiko behaftet ist, dass Israel nach einem solchen Krieg aufhören könnte zu existieren.

Für alle Aufmerksamen hat sich in dem Dreieck zwischen Iran, Israel und den USA eine "Good Cop, Bad Cop"-Routine entblößt. Eine Routine, in der der Verhörte Teheran ist, während Netanjahu als "böser Bulle" und Trump als "guter Bulle" ein Theaterstück geben, in dem sich der US-Präsident als zögernder, an Frieden interessierter Staatsmann inszeniert – und Netanjahu als ungeduldiger, von Hysterie Getriebener auftritt, der "sein Recht auf Verteidigung" einlöst. Das zionistische Duo ist an der Hüfte und Stirn verwachsen, was seit Jahren ein öffentlich zugänglicher Fakt sein müsste. Dennoch waren die Iraner noch bis vor kurzem willig, sich auf eine Verhandlung und Verhandlungsvermittlung seitens Trumps einzulassen. Kurz darauf wurde der iranische Chefverhandler Ali Shamkhani von Israel ermordet. Auch der durch westliche Semantik als humanistischer und vom "jüdisch-christlichen Erbe inspirierter" Präventivschlag getarnte, aber faktisch völkerrechtswidrige kriegerische Erstschlag Israels gegen Iran und seine nuklearen Anlagen, trug dazu bei, dass eine nahezu unüberbrückbare und unumkehrbare Kriegskaskade im Nahen Osten entfacht wurde.

Die Frage verbleibt, ob Iran selbst im Eifer des Gefechts mit Israel es tatsächlich zum eigenen Vorteil erachtet, die Straße von Hormus zu schließen? Selbst wenn solche Erwägungen hinter den Kulissen auch nur ansatzweise getätigt werden, würden diese nicht ohne einen engen chinesischen Dialog stattfinden. In Anbetracht der Faktenlage erscheint es wenig wahrscheinlich, dass Iran eine solche Blockade als sinnvoll erachtet. Anhand derselben Faktenlage erscheint sogar eher eine israelisch-US-amerikanische Operation unter falscher Flagge wahrscheinlich, die zu einer Blockade der Meerenge führt, welche man dann öffentlichkeitswirksam als eine Tat Teherans verbuchen lassen könnte.

Das Narrativ, dass Trump an einem Frieden interessiert sei, wenn doch Iran nur von seinen Nuklearambitionen ablassen würde, und nur sehr widerwillig einen Kriegseintritt der USA hinnehmen würde, ist künstlich konstruiert und soll von dem Fakt ablenken, dass die US-Amerikaner mit den Israelis den Krieg mit Iran von sehr langer Hand her und in geduldiger Vorsätzlichkeit geplant haben.

Zum einen war Iran ein Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags – ein Schritt, den Israel als illegale Atommacht nie machte und wofür es vom Westen nie zur Rechenschaft gezogen wurde. Ganz zu schweigen von Israels aggressiver Nuklearwaffen-Doktrin namens "Samson Option", welche spätestens seit Seymour Hershs gleichnamigen Sachbuch von 1991 bekannt ist. Diese besagt: Multiple atomare Schläge gegen jegliche Akteure zu fliegen, die aus Israels Sicht bereits seine Existenz stark beeinträchtigt haben – sogar die Vernichtung großer Teile der zivilisierten Welt – wird in Kauf genommen. Mehr dazu in meinem RT-DE-Artikel "Der nukleare Elefant im nahöstlichen Raum: Israels 'Samson-Option'".

Zum anderen soll nun das iranische Parlament ein Gesetz vorbereiten, das den Weg zum Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag bereiten könnte. Dennoch ist die Stabilität in der Region für die USA – trotz all des öffentlichen Pathos um das Sorgenkind Israel herum – mittlerweile weniger wichtig. Für China hingegen ist der ungehinderte Handel – besonders die Energielieferungen – von höchster strategischer Bedeutung. Das macht den israelisch-iranischen Konflikt im Nahen Osten zu einem in keinster Weise zufällig angewandten US-Druckmittel gegen China. Die Deutschen haben stumm grinsend zugeschaut, wie die USA die russisch-deutsche Energie-Arterie Nord Stream I und II in der Ostsee weggebombt haben und blockieren heute sogar jede Wiederaufnahme der durchaus möglichen Energielieferungen. Wird China dagegen aus seiner bisher stoischen, gleichmütigen und diplomatischen Routine der Lippenbekenntnisse und verbalen Verurteilungen herausbrechen und Taten folgen lassen, seine sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen verteidigen? Oder wird Peking zuschauen, wie ihr der hegemoniale Konkurrent einen der größten Energie-Hähne zudreht?

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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Wirtschaftsminister: Russlands Wirtschaft steht am Rande einer Rezession


Die russische Wirtschaft steht am Rande einer Rezession, ihr Schicksal hängt von der Entscheidung der Regierung ab, so der Minister für wirtschaftliche Entwicklung Maxim Reschetnikow. "Laut Zahlen haben wir eine Abkühlung der Wirtschaft, aber alle unsere Zahlen sind ja wie ein Rückspiegel. Nach dem aktuellen Empfinden der Wirtschaft, nach den manchen Indikatoren, so scheint es mir, sind wir bereits am Rande des Übergangs in die Rezession", bemerkte er in einem Gespräch mit Journalisten im Rahmen des Wirtschaftsforums in Sankt Petersburg (SPIEF). Darüber schreibt die Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Gegenüber Journalisten erklärte Reschetnikow zudem seine Aussagen über eine mögliche Rezession in Russland:

"Wir sprechen hier nicht über Rezession mathematisch gesehen, ich denke, wenn alles richtig gemacht wird, werden wir nicht wirklich damit konfrontiert. Aber nach dem Empfinden der Wirtschaft, nach der Reaktion der Banken und der Verschlechterung der finanziellen Lage der Unternehmen deutet vieles darauf hin – wir in unserer Kommission beobachten die Situation und sehen, dass die Zahl der Unternehmen in der Risikozone zunimmt."


Der Minister betonte auch, dass nun viel von den Entscheidungen abhängen werde, die in naher Zukunft getroffen werden, vor allem im Bereich der Geldpolitik.

Der Chef der VTB, einer der größten russischen Banken, hofft ebenfalls, dass eine Rezession in der Wirtschaft vermieden werden kann. In einem Interview mit dem Fernsehsender Rossija 1 im Rahmen des SPIEF sagte VTB-Chef Andrei Kostin, dass die russische Wirtschaft jetzt unter dem Druck einer restriktiven Geldpolitik bestehen muss, was weder Banken noch Unternehmen gefällt. Kostin betonte:

"Das ist eher eine Notsituation. Wir hoffen, dass wir nicht sehr lange in dieser Situation leben werden und es uns gelingen wird, eine Rezession zu verhindern. Aber eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums wird sich wohl nicht vermeiden lassen."


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