Pfizergate: Von der Leyen kann Vergangenheit nicht abfedern â Wird sie zur Lame Duck der EU?
Ein SMS-Skandal um Pfizer-Verhandlungen, undurchsichtige MilliardenvertrÀge und zunehmender politischer Widerstand: Ursula von der Leyen gerÀt in die schwerste Krise ihrer Amtszeit.
Die rechtspopulistische Fraktion im EuropĂ€ischen Parlament treibt ein Misstrauensvotum gegen die EU-KommissionsprĂ€sidentin voran â und findet ĂŒberraschend RĂŒckhalt ĂŒber Parteigrenzen hinweg, wie die Financial Times berichtet. Die AffĂ€re droht, von der Leyens zweite Amtszeit ernsthaft zu gefĂ€hrden.
Im Zentrum der Kritik steht der Impfstoff-Deal aus dem Jahr 2020: Damals hatte von der Leyen rund 1,8 Milliarden Impfdosen des Herstellers Pfizer ausgehandelt â mutmaĂlich ĂŒber einen intransparenten SMS-Kontakt mit CEO Albert Bourla. Der Vertrag soll ein Volumen von mehr als 35 Milliarden Euro umfassen. Der Verdacht: Die demokratischen Kontrollmechanismen wurden umgangen.
Ein Urteil des EU-Gerichts von Mitte Mai rĂŒgte die KommissionsprĂ€sidentin scharf. Die von ihr verschickten Textnachrichten mĂŒssten offengelegt werden, urteilte das Gericht â und wies die Behauptung, diese seien "nicht auffindbar", als unhaltbar zurĂŒck.
Laut der Financial Times hat der rumĂ€nische Abgeordnete Gheorghe Piperea bereits mehr als die nötigen 72 Unterschriften fĂŒr einen Antrag auf ein Misstrauensvotum gesammelt. Die Abstimmung könnte bereits im kommenden Monat stattfinden.
Zwar gilt ein tatsĂ€chlicher Sturz der Kommission als unwahrscheinlich â eine Zweidrittelmehrheit im Parlament wĂ€re nötig â, doch der politische Schaden ist betrĂ€chtlich. Selbst Mitglieder aus von der Leyens eigener EVP-Fraktion sollen laut Piperea Bereitschaft zum Bruch signalisieren. Ihre Wiederwahl im vergangenen Jahr erfolgte mit 401 Stimmen â eine knappe Mehrheit, die angesichts wachsender Kritik bröckeln könnte.
Parallel wĂ€chst auch jenseits des "Pfizergate" der Unmut ĂŒber von der Leyens Regierungsstil. Mitglieder des Rechtsausschusses werfen ihr vor, das Parlament beim jĂŒngsten EU-RĂŒstungsfonds umgangen zu haben. Ein Verfahren vor dem EuropĂ€ischen Gerichtshof könnte folgen.
Der "Pfizergate"-Skandal erinnert an den RĂŒcktritt der Santer-Kommission 1999. Damals waren Santer und sein Kollegium wegen des Vorwurfs der Misswirtschaft und Intransparenz geschlossen zurĂŒckgetreten, noch bevor ein Misstrauensvotum stattfand. Von der Leyen wird Ă€hnlich vorgeworfen, demokratische AblĂ€ufe zu umgehen. Das bevorstehende Misstrauensvotum könnte zu einem politischen Wendepunkt fĂŒr die EU-Kommission werden.
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