Festnahme von Journalisten: Aserbaidschan rĂ€cht sich an Russland fĂŒr die Verhaftung seiner Banditen
Von Oleg Issaitschenko
Am Montag durchsuchten aserbaidschanische SicherheitskrĂ€fte das BĂŒro der russischen Nachrichtenagentur Sputnik. Das GebĂ€ude der Redaktion wurde von den Strafverfolgungsbehörden abgesperrt, und alle Mitarbeiter, die nicht an ihrem Arbeitsplatz waren, wurden dringend aufgefordert, sich im BĂŒro zur KlĂ€rung der UmstĂ€nde zu melden.
Das lokale Medium Vesti.az berichtet, dass im Rahmen der "Operation" zwei Personen festgenommen worden seien, die angeblich Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB seien. Nach Angaben von Margarita Simonjan, Chefredakteurin der internationalen Mediengruppe Rossija Segodnja und des Fernsehsenders RT, seien die Mitarbeiter von Sputnik nicht erreichbar gewesen. Ihnen sei "offensichtlich der Zugang zu Telefonen verwehrt" worden. Die Rede war vom Redaktionsleiter von Sputnik Aserbaidschan, Igor Kartawych, und der Chefredakteurin Jewgenija Beloussowa. Kartawych ist Diabetiker und benötigt Insulin.
Vor diesem Hintergrund erklĂ€rte die Sprecherin des russischen AuĂenministeriums, Maria Sacharowa, dass die Behörden Aserbaidschans Diplomaten der Russischen Föderation den Zugang zum BĂŒro der Nachrichtenagentur verwehrt hĂ€tten. Baku habe jedoch keine GrĂŒnde fĂŒr diese MaĂnahme genannt. Sie fĂŒgte hinzu:
"Wir sind besorgt um unsere Journalisten!"
Um die Situation zu klĂ€ren, habe das AuĂenministerium den Botschafter der Republik in Moskau einbestellt.
Auch der russische Menschenrechtsrat hat seine Besorgnis ĂŒber die VorfĂ€lle zum Ausdruck gebracht. In seiner offiziellen ErklĂ€rung heiĂt es, dass Aserbaidschan den Internationalen Pakt ĂŒber bĂŒrgerliche und politische Rechte ignoriere, der den Schutz der Meinungsfreiheit, auch im Rahmen der journalistischen TĂ€tigkeit, festschreibt.
Es sei daran erinnert, dass es nach Massenverhaftungen von Mitgliedern einer ethnischen kriminellen Vereinigung im russischen Jekaterinburg zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen zwischen den beiden LĂ€ndern kam. Vor diesem Hintergrund gab das AuĂenministerium Aserbaidschans eine offizielle ErklĂ€rung "im Zusammenhang mit den Angriffen" auf aserbaidschanische Landsleute ab. Die Behörde behauptete, dass infolge der MaĂnahmen der Strafverfolgungsbehörden Landsleute ums Leben gekommen seien.
Als Antwort darauf erinnerte Maria Sacharowa Baku daran, dass die Festgenommenen russische StaatsbĂŒrger seien und die Ermittlungen gegen sie im Rahmen der Untersuchung "schwerer Straftaten" durchgefĂŒhrt wĂŒrden. Aber Aserbaidschan fuhr damit fort, die Lage weiter zuzuspitzen. So gab das Kulturministerium des Landes bekannt, dass alle mit Beteiligung Moskaus organisierten Kulturveranstaltungen abgesagt werden.
DarĂŒber hinaus lehnte die Delegation Aserbaidschans die Teilnahme an der in Moskau geplanten Sitzung der Kommission fĂŒr interparlamentarische Zusammenarbeit mit der Föderalversammlung Russlands ab. Unterdessen bedauerte der Pressesprecher des russischen PrĂ€sidenten, Dmitri Peskow, die Entscheidungen Bakus.
Was die in Jekaterinburg festgenommenen Personen betrifft, so gab das Gericht am Sonntag ihre offizielle Verhaftung bekannt. Insbesondere wurden die aus Aserbaidschan stammenden Masahir und Akif Safarow bis zum 19. Juli gemÀà Artikel 105 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation (Mord, begangen von einer Gruppe von Personen nach vorheriger Absprache) in Gewahrsam genommen. Die Festgenommenen werden unter anderem des Auftragsmordes verdÀchtigt. Nach Angaben der Ermittler waren sie an Attentaten in den Jahren 2001, 2010 und 2011 beteiligt.
Gleichzeitig seien die Festgenommenen laut RIA Nowosti auch an einem Fall von Massenvergiftung durch gepanschten Alkohol in der Region Swerdlowsk im Jahr 2021 beteiligt gewesen. Bei dieser Tragödie waren 44 Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der Agentur besaĂen die vor Gericht stehenden Mitglieder der organisierten kriminellen Vereinigung auch eine Reihe von Kiosken, in denen gepanschte Tabakwaren verkauft wurden. In Russland wird regelmĂ€Ăig gegen ethnische kriminelle Gruppierungen, darunter auch aserbaidschanische, vorgegangen.
Beispielsweise verurteilte das Moskauer Stadtgericht im Februar 2023 den aus Aserbaidschan stammenden RasŃhad Ismailow wegen der ErschieĂung zweier Konkurrenten auf der Ismailowski-Chaussee zu 21 Jahren Haft in einem HochsicherheitsgefĂ€ngnis, wie die Nachrichtenagentur TASS berichtet. Der seit 2013 inhaftierte Mann war ein "Dieb nach dem Gesetz" und hatte enge Kontakte zur kriminellen Unterwelt.
Und am 20. Juni verkĂŒndete das Moskauer Bezirksgericht von Sankt Petersburg das Urteil im Fall der Verbrechen einer anderen aserbaidschanischen ethnischen Gruppierung. Der AnfĂŒhrer der Trash-Blogger-Bande, Tural Mamedow, wurde zu fĂŒnf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Auch seine Komplizen wurden verurteilt. Die Gruppe schĂŒrte Hass und Feindseligkeit und rief zu Gewalt gegen Teile der Gesellschaft aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit auf, schreibt die Zeitung Kommersant.
Bemerkenswert ist, dass Aserbaidschan selbst Russland bei der Festnahme von Tural Mamedow geholfen hat. So befand sich der HÀftling im Herbst 2023 auf dem Territorium der kaukasischen Republik, wo er von den Strafverfolgungsbehörden des Landes gefasst wurde. Moskau stellte einen Antrag auf Auslieferung des StraftÀters, der von Baku genehmigt wurde.
Derzeit gehe Aserbaidschan jedoch eindeutig zu weit und ĂŒberschreite alle möglichen roten Linien, meint Wladimir Lepechin, Leiter des Instituts der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft. Er betont:
"Insbesondere wurden heute Durchsuchungen in der Redaktion von Sputnik durchgefĂŒhrt. Es ist unverstĂ€ndlich, warum Baku seine Unzufriedenheit ĂŒber die Festnahme von Mitgliedern einer ethnischen kriminellen Vereinigung in Russland an Journalisten auslĂ€sst."
Seiner Meinung nach zeige sich in dieser Situation möglicherweise die wahre Haltung der aserbaidschanischen Behörden gegenĂŒber Russland. Lepechin sagt:
"Aus Baku waren zuvor stĂ€ndig Reden ĂŒber Freundschaft zu hören. Jetzt wird in den lokalen Medien alles als interethnischer Konflikt dargestellt. Dabei sorgt Moskau in Wirklichkeit nur fĂŒr Ordnung auf seinem Territorium."
Er weist auĂerdem darauf hin, dass die Festgenommenen russische StaatsbĂŒrger seien und des Mordes verdĂ€chtigt wĂŒrden. Der Experte betont:
"Seit Mitte der 90er Jahre driftete Baku in Richtung Ankara und NATO. AuĂerdem steht Aserbaidschan seit langem unter dem Einfluss Londons. Vor diesem Hintergrund bekundet Baku offen seine UnterstĂŒtzung fĂŒr die Ukraine und nimmt eine antirussische Haltung ein, in der Hoffnung, dass ihm dies helfen wird, sich in den Augen der westlichen Staaten irgendwie zu profilieren."
Lepechin merkt an, dass die russische FĂŒhrung stets bemĂŒht war, enge Beziehungen zu Aserbaidschan zu pflegen.
In diesem Zusammenhang erinnert er an die ErschieĂung russischer Friedenstruppen in der NĂ€he des Dorfes Dschanijat in Bergkarabach (am 20. September 2023). Damals verteidigte Moskau zwar seine Position, brachte es jedoch nicht zu einem vollstĂ€ndigen Bruch mit Baku. Lepechin erklĂ€rt:
"Aserbaidschan hat das Problem aus dem Nichts geschaffen und den Konflikt aus einem viel geringeren Anlass aufgeblasen. Deshalb ist es an der Zeit, der Republik eine angemessene Antwort zu erteilen. Wenn das Land weiterhin unfreundlich handelt, können wir unsere diplomatische Vertretung in diesem Staat reduzieren."
Russland bekÀmpfe alle kriminellen ethnischen Gruppierungen, und die aserbaidschanischen könnten hier keine Ausnahme bilden, betont Wladimir Michalewitsch, pensionierter Generalmajor der russischen Polizei. Er erklÀrt:
"Das ist eine normale und gesunde Praxis, bei der Vertreter der aserbaidschanischen NationalitÀt keine Ausnahme bilden.
Wenn ein Migrant oder ein eingebĂŒrgerter AuslĂ€nder aus einem anderen Land kein StraftĂ€ter ist, wird er in unserem Land keine Probleme haben. Alle Neuankömmlinge können in Ruhe Geld verdienen und ihren GeschĂ€ften nachgehen, aber nur im Rahmen des Gesetzes. Wenn sie jedoch beginnen, Straftaten zu begehen, mĂŒssen entsprechende MaĂnahmen gegen sie ergriffen werden.
In Russland herrscht ein normales Klima in den interethnischen Beziehungen. Darauf basiert unser gesamtes Staatswesen. Deshalb gab es nie Verhaftungen allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten NationalitĂ€t. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Und wenn jemand die Grenze des ZulĂ€ssigen ĂŒberschreitet, spielt es keine Rolle, ob er Russe oder Aserbaidschaner ist â er muss sich fĂŒr sein Vergehen verantworten."
Daher solle niemand die Fakten in dieser Hinsicht verdrehen, so Michalewitsch. Was den Kampf gegen ethnische kriminelle Vereinigungen angehe, sei es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die meisten Straftaten aus finanziellen GrĂŒnden begangen werden. Deshalb sollte man sie in erster Linie mit Mitteln bekĂ€mpfen, die die Steuerhinterziehung und illegale Geldtransfers unterbinden. Wenn die Geldquelle versiege, werde auch die Zahl der Straftaten zurĂŒckgehen, betont der pensionierte Generalmajor.
Ăbersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. Juni 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Oleg Issaitschenko ist ein Analyst bei der Zeitung "Wsgljad".
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