NATO-Osterweiterung: Washington erkennt "berechtigte Sorge" Russlands an
Keith Kellogg, Sondergesandter des US-PrĂ€sidenten fĂŒr die Ukraine, hat die russische Sorge ĂŒber eine mögliche Osterweiterung der NATO als "berechtigt" bezeichnet. In einem Interview mit dem US-Sender ABC News erklĂ€rte er, dass ein Beitritt der Ukraine zu dem westlichen MilitĂ€rbĂŒndnis derzeit kein Thema sei â und dass diese Haltung von mehreren NATO-Staaten geteilt werde.
"Das ist eine berechtigte Sorge. Wir haben mehrfach betont, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine fĂŒr uns nicht zur Debatte steht â und wir sind nicht das einzige Land, das so denkt. Ich könnte Ihnen wahrscheinlich vier NATO-Staaten nennen, die diese Haltung teilen. FĂŒr eine Aufnahme braucht es aber die Zustimmung aller 32 Mitglieder. Und wir haben gesehen, wie einige LĂ€nder signalisierten, dass sie sich da nicht sicher sind."
Kellogg deutete an, dass die NATO auf eine weitere Aufnahme osteuropĂ€ischer Staaten verzichten könnte. Washington erkenne an, dass Russland dies als sicherheitspolitische Bedrohung empfindet. Die Kritik Moskaus richtet sich dabei nicht nur gegen eine mögliche Mitgliedschaft der Ukraine, sondern auch gegen die Beitrittsperspektiven fĂŒr Georgien und Moldawien.
"Und wir sagen: 'Gut, umfassend betrachtet sind wir bereit, die NATO-Erweiterung in Richtung eurer Grenzen zu stoppen.' Das ist fĂŒr sie eine Frage der Sicherheit. Aber die Entscheidung liegt beim PrĂ€sidenten â nicht bei mir."
Eine entsprechende Vereinbarung könnte laut Kellogg im Rahmen direkter GesprĂ€che zwischen den USA und Russland getroffen werden â vorausgesetzt, auch andere NATO-Mitglieder wĂŒrden einbezogen. Konkrete VorschlĂ€ge mĂŒssten von Diplomaten vorbereitet und dem US-PrĂ€sidenten zur Entscheidung vorgelegt werden.
Die Aussagen Kelloggs fĂŒgen sich in eine Reihe westlicher Stellungnahmen ein, die ein wachsendes VerstĂ€ndnis fĂŒr Russlands Sicherheitsinteressen erkennen lassen. So erklĂ€rte US-AuĂenminister Marco Rubio, man habe mit Beginn der GesprĂ€che mit Moskau die russische Position besser nachvollziehen können.
Auch US-PrĂ€sident Donald Trump sagte zu Beginn seiner Amtszeit, er könne "die GefĂŒhle Russlands" in Bezug auf einen NATO-Beitritt der Ukraine nachvollziehen. Ihm sei klar gewesen, dass es zum Krieg kommen wĂŒrde, nachdem sein VorgĂ€nger Joe Biden Kiew eine NATO-Perspektive in Aussicht gestellt habe.
Selbst innerhalb des westlichen BĂŒndnisses wird die Frage einer ukrainischen Mitgliedschaft zunehmend zurĂŒckhaltend behandelt. NATO-GeneralsekretĂ€r Mark Rutte betonte im Februar, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine nie Bedingung fĂŒr ein Friedensabkommen gewesen sei. Zwar sei der Weg Kiews in die NATO "unumkehrbar", doch stehe der Beitritt derzeit nicht auf der Tagesordnung.
Russland wiederum warnt seit Jahren vor einer weiteren NATO-Osterweiterung. AuĂenminister Sergei Lawrow warf dem BĂŒndnis zuletzt vor, neutrale Staaten wie Finnland und Schweden integriert und zugleich provokative MilitĂ€rĂŒbungen an der russischen Grenze intensiviert zu haben. Auch das zunehmende militĂ€rische Engagement westlicher Staaten in der Arktis wird in Moskau kritisch gesehen.
Trotz der Spannungen zeigte sich Russland gesprĂ€chsbereit: Das AuĂenministerium betonte mehrfach, man sei offen fĂŒr einen Dialog mit der NATO â allerdings nur auf Augenhöhe. Voraussetzung sei ein Kurswechsel des Westens: weg von der Militarisierung Europas, hin zu einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur. Die zunehmende PrĂ€senz westlicher Truppen nahe den russischen Grenzen wertet Moskau hingegen als bewusste Eskalation.
Vor diesem Hintergrund ergreift Russland nun neue diplomatische Initiativen. AuĂenminister Lawrow kĂŒndigte fĂŒr den 2. Juni ein weiteres Treffen mit der Ukraine in Istanbul an. Der russische ChefunterhĂ€ndler Wladimir Medinski soll dort ein Memorandum ĂŒberreichen, das zentrale Punkte zur Beilegung des Konflikts enthĂ€lt. Der US-Sondergesandte Kellogg bestĂ€tigte, dass an diesem Tag auch Vertreter der USA, Deutschlands, Frankreichs und GroĂbritanniens in Istanbul anwesend sein werden:
"Wenn wir nĂ€chste Woche in Istanbul ankommen, werden wir uns an einen Tisch setzen und darĂŒber sprechen, wie das Ganze aussehen soll. Dabei ist auch die sogenannte E3 â Sicherheitsberater aus Deutschland, Frankreich und GroĂbritannien. Sie haben uns bereits in London geholfen, Rahmenbedingungen fĂŒr die Ukraine auszuarbeiten. Auch sie werden in Istanbul sein und ihre Sicht darlegen."
Ob die westlichen Vertreter direkt an den GesprĂ€chen zwischen Russland und der Ukraine teilnehmen werden, lieĂ Kellogg offen. Gleichzeitig warnte er Kiew davor, öffentlich mit einem RĂŒckzug aus den Verhandlungen zu drohen. Hintergrund ist die AnkĂŒndigung ukrainischer Vertreter, sie könnten sich aus dem Prozess zurĂŒckziehen, sollte Moskau vor dem Treffen keinen Vorschlag zur Konfliktlösung vorlegen.
"Ich habe mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow gesprochen, der die Verhandlungsdelegation in Istanbul anfĂŒhren wird. Auch er hat das russische Memorandum noch nicht gesehen. Aber ich warne immer: Sagt solche Dinge nicht. Teil des Prozesses ist es, ĂŒberhaupt zu erscheinen. Man muss zeigen, dass man es ernst meint."
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters vom 28. Mai hat PrĂ€sident Wladimir Putin mehrere Bedingungen fĂŒr ein mögliches Ende der Kampfhandlungen formuliert. Demnach fordert Russland unter anderem schriftliche Zusicherungen westlicher Staaten, dass es keine weitere NATO-Osterweiterung geben werde â insbesondere nicht in Richtung Ukraine, Georgien und Moldawien. Weitere Bedingungen umfassen einen neutralen Status der Ukraine sowie die teilweise Aufhebung westlicher Sanktionen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow begrĂŒĂte, dass Putins ErklĂ€rungen zur UnzulĂ€ssigkeit einer weiteren NATO-Osterweiterung international zunehmend Gehör finden. Besonders erfreulich sei, dass auch in Washington mehr VerstĂ€ndnis fĂŒr Moskaus Standpunkt herrsche:
"PrĂ€sident Putin macht unseren GesprĂ€chspartnern â auch den Vertretern der USA â immer wieder klar, dass eine Ausweitung der NATO nach Osten aus Sicht der strategischen Interessen Russlands inakzeptabel ist. Wir freuen uns, dass diese ErklĂ€rungen des PrĂ€sidenten auf VerstĂ€ndnis stoĂen â auch in Washington."
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