Wirtschaftspolitik als PR-Event: Merz verspricht etwas, das er nicht halten kann


Von Gert Ewen Ungar

Die Kernkompetenzen von Friedrich Merz sind Blenden und Täuschen. Durch sie kam er ins Amt. Im Amt setzt Merz auch als Kanzler seine besondere Begabung zur Augenwischerei und Irreführung weiterhin effektiv ein. Aktuelles Beispiel dafür ist der Investitionsgipfel, der am Montag stattfand.

Investitionen in Höhe von über 600 Milliarden Euro verspricht der Kanzler. Doch wie sich die Summe konkret zusammensetzt, bleibt vollkommen unklar.

Deutschland ist zurück. Über 600 Milliarden Euro Investitionen von über 60 Unternehmen der Initiative "Made for Germany" sind dafür ein kraftvolles Signal. Ihr Vertrauen gilt dem Wirtschaftsstandort Deutschland und seinen leistungsfähigen Arbeitnehmern.
— Bundeskanzler Friedrich Merz (@bundeskanzler) July 21, 2025

Ja, die großen Unternehmen sind auf den Zug aufgesprungen und haben bei der Merz’schen PR-Show mitgespielt. 61 große Unternehmen wollen in Deutschland investieren, bekennen sich publikumswirksam zu Standortpatriotismus und zaubern die Initiative "Made for Germany" aus dem Hut.

Wie viel und worin genau die Unternehmen investieren wollen, bleibt jedoch schwammig. Wenn es konkreter wird, stellt sich schnell heraus, die vollmundig angekündigten Investitionen sind seit langem geplant. Das gilt beispielsweise für das Unternehmen Flix. Das Unternehmen betreibt unter dem Namen Flixbus ein Fernbus-Netzwerk und expandiert seit 2017 zudem als Flixtrain in Richtung Schiene.

Das Netz soll ausgebaut werden, dafür plant Flixtrain den Kauf von Fernzügen – nicht erst seit gestern. Der Plan ist seit geraumer Zeit bekannt, gestern wurde dem Kanzler lediglich die Möglichkeit gegeben, ihn im Rahmen seiner PR-Show auszuschlachten. Mehr Geld kommt allein durch die Lautstärke der Ankündigung von Bekanntem jedoch nicht zusammen. Blenden und täuschen.

Ihre schwammigen Zusagen knüpften die Unternehmen an Forderungen. PR ist für sie kein Fremdwort und wenn der Kanzler die große PR-Bühne bereitet, dann weiß man das in den Vorstandsetagen natürlich für sich zu nutzen.

Jetzt muss die Politik liefern, ist die Forderung. Es brauche Bürokratieabbau, Politik müsse für ein freundliches Investitionsklima sorgen, Reformstaus müssten aufgelöst, der Standort Deutschland wieder attraktiver gemacht werden. Das übliche Blabla.

An dieser Stelle sei eingeschoben, dass die Bundesregierung zum 1. Juli mit dem "Innovationsbooster" ein Förderprogramm ins Leben gerufen hat, in dem sich einige der Forderungen der Unternehmen bereits wiederfinden. Das Programm setzt auf verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und auf Steuersenkungen.

Dass Merz nur wenige Wochen nach dem Start des Programms noch einen Innovationsgipfel abhält, spricht nicht gerade dafür, dass er an die Wirksamkeit seiner eigenen Maßnahmen glaubt. Im Grunde ist es auch ganz einfach: Ist ein Standort attraktiv, braucht es keinen Gipfel, der ihn zusätzlich bewirbt und euphorisch verklärt.

Worüber aber weder Unternehmen noch Politik sprechen, ist ein ganz einfacher Zusammenhang: Unternehmen investieren dann, wenn sie mit Nachfrage rechnen können. Jemand muss willens sein, das, was produziert wird, zu kaufen. Das ist in Deutschland nicht gegeben und wird sich auch durch die Umsetzung der angemahnten Maßnahmen nicht einstellen. Dass der Staat im großen Stil als Nachfrager einspringt, ist zudem unwahrscheinlich. Merz will sparen. Investieren sollen vor allem die Unternehmen, sagt Merz. Das Projekt ist damit zum Scheitern verurteilt.

Unter Merz sollen zwar in bisher nie dagewesenem Ausmaß Schulden aufgenommen werden. Allerdings fließt das aufgenommene Geld ins Ausland: in den Ankauf von Waffen in den USA und zur Unterstützung der Ukraine. Patriots in den USA kaufen und der Ukraine schenken, ist dafür ein illustrierendes Beispiel. Schuldenaufnahme zum Zweck zur Unterstützung der Wirtschaft und des Konsums anderer Länder, ist mit das Dümmste, was ein Staat tun kann.

Wer zudem glaubt, durch den viel beschworenen Abbau von Bürokratie ließen sich in einem Umfang Investitionen generieren, die eine Volkswirtschaft aus der Rezession führen könnten, hat ganz offenkundig das zugrundeliegende Problem noch gar nicht verstanden. Deutschland hat in erster Linie ein Nachfrageproblem. Wird nicht nachgefragt, wird auch nicht produziert und investiert schon gleich zweimal nicht. So einfach ist das.

Das deutsche Problem hat sich noch einmal dadurch verschärft, dass die USA als wichtigster deutscher Handelspartner außerhalb der EU nicht mehr willens sind, deutsche Waren zulasten der eigenen Handelsbilanz zu importieren. Sie sind nicht mehr bereit, für das Wohl der deutschen Industrie Produktionsstätten im eigenen Land zu schließen. Jedes aus Deutschland importierte Auto ist ein Auto, das nicht in den USA produziert wurde, dort nichts für den Arbeitsmarkt getan und dort nichts zum Wachstum beigetragen hat – Trump hat mit seiner Kritik durchaus recht. Sie ist zudem nicht neu. Das Verhältnis nun aber einfach umzukehren und in den USA auf Einkaufstour zu gehen, mag zwar Trump glücklich machen und ihn besänftigen, löst aber keins der deutschen Probleme.

Dass die EU gleichzeitig noch den Konflikt mit China sucht, schwebt zusätzlich wie ein Damoklesschwert über dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Zu aller schon offen zutage getretenen Widersprüchlichkeit kommt hinzu, dass Merz klar erkennbar zum Modell "Exportweltmeister" zurückkehren will. Inlandsnachfrage drücken, Löhne runter, Export rauf.

Das muss unter den aktuellen Bedingungen scheitern. Dafür fehlen inzwischen alle Voraussetzungen, allen voran günstige Energie. Es fehlt obendrein der Wille der deutschen Handelspartner, die deutsche Beggar-thy-neighbour-Politik noch einmal mitzutragen.

Was Merz bisher geschafft hat, ist, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft aufhellt. Von düster wandelte sich das Stimmungsbild in Richtung trüb. Man sollte die euphorischen Meldungen in den Wirtschaftsgazetten nicht überbewerten. Dass Merz und seiner Regierung mehr gelingt als eine kurzzeitige Aufhellung der Stimmung, ist unwahrscheinlich, denn Merz will vom eingeschlagenen wirtschaftspolitischen Pfad der letzten Jahre nicht abweichen.

Dieser aber dämpft die Inlandsnachfrage. Ohne Aussicht auf steigende Nachfrage lohnt es sich jedoch für Unternehmen nicht, zu investieren. Da hilft auch alle PR und alle Augenwischerei nichts.

Mehr zum ThemaLohnsenkungen bei Thyssenkrupp: Gewerkschaften und ihr grandioser Irrtum


de.rt.com/meinung/251337-wirts…

EU begeht fatalen Fehler in China-Beziehungen


Von Rafael Fachrutdinow

Lin Jian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, hat das 18. antirussische Sanktionspaket der EU verurteilt, das zum ersten Mal auch chinesische Banken betrifft. Die Beschränkungen betrafen Suifenhe Rural Commercial und Heihe Rural Commercial sowie drei Unternehmen, die laut Brüssel Russland mit Produkten für den Bedarf des militärisch-industriellen Komplexes belieferten.

In diesem Zusammenhang wies Jian darauf hin, dass "China immer gegen einseitige Sanktionen war, die keine Grundlage im internationalen Recht haben und vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigt sind". Er betonte auch, dass sich Peking in der Ukraine-Krise nach wie vor für die Vermittlung und die Erleichterung von Verhandlungen einsetzt und niemals Waffen an die Konfliktparteien geliefert hat und die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck streng kontrolliert.

Abschließend forderte der Diplomat die EU auf, damit aufzuhören, "die legitimen Interessen chinesischer Unternehmen ohne sachliche Grundlage zu untergraben", und versicherte, China werde "die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen seiner Unternehmen entschlossen zu schützen", heißt es auf der Webseite des Außenministeriums der Volksrepublik China.

Bezeichnenderweise hat sich die Rhetorik der beiden Seiten vor dem Hintergrund eines bevorstehenden Gipfeltreffens in Peking anlässlich des 50-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen Europa und China verschärft. Die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, werden sich am Donnerstag mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping treffen.

Unter anderem wollen die beiden Seiten "Wege zur Gewährleistung ausgewogenerer, wechselseitiger und für beide Seiten vorteilhafter Handelsbeziehungen" erörtern. Nach Angaben der New York Times hat die Volksrepublik China Vergeltung gegen Handelsbeschränkungen geübt, Europa des Protektionismus beschuldigt und die Ausfuhr wichtiger Mineralien verlangsamt, wodurch sie sich Russland weiter angenähert hat.

Den Analysten der Zeitung zufolge sind diese Schritte "Teil der harten Haltung Pekings in handels- und geopolitischen Auseinandersetzungen mit Brüssel". Die Zeitung erinnerte auch daran, dass von der Leyen China zuvor beschuldigt hatte, "die Weltmärkte mit billigen Waren zu überschwemmen, um Konkurrenten zu zerstören", und europäische Unternehmen, die in China Geschäfte machen, zu diskriminieren. Sie warnte auch, dass Chinas Unterstützung für Moskau zu Instabilität in Europa führe.

Unterdessen hat der chinesische Außenminister Wang Yi die Chefin der EU-Diplomatie, Kaja Kallas, bereits vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen Pekings gewarnt, sollten chinesische Banken von den Sanktionen betroffen sein. Nach Angaben der South China Morning Post hat der chinesische Diplomat "drei- oder viermal" gegenüber der europäischen Seite die Unumkehrbarkeit der Folgen einer solchen Entscheidung betont.

Es sei daran erinnert, dass sich die Botschafter der Europäischen Union am Freitag auf das 18. Paket antirussischer Sanktionen geeinigt haben. Der Sprecher des Kremls, Dmitri Peskow, reagierte auf die Entwicklungen mit den Worten:

"Russland hat sich an das Leben unter Sanktionsdruck angepasst, Immunität gegen westliche Sanktionen erworben und gelernt, mit Einschränkungen zu leben."


Der stellvertretende russische Außenminister Alexander Gruschko räumte seinerseits ein, dass der Handelsumsatz mit der EU auf Null zurückgegangen sei.

Nach Ansicht von Experten sind die Beziehungen zwischen China und der EU in eine Sackgasse geraten: Brüssel hat durch die Verhängung von Sanktionen und politische Forderungen eine harte Reaktion Pekings provoziert, und China ist gezwungen, ein Gleichgewicht zwischen Vergeltungsmaßnahmen und Schadensbegrenzung zu finden, um nicht Schwäche zu zeigen.

Gleichzeitig könnte die Europäische Union, wenn sie den Handelskrieg der USA voll unterstützt, die Weltwirtschaft endgültig in zwei sich bekriegende Blöcke spalten. Für Europa, dessen Abhängigkeit von China stärker ist als die von der EU, droht ein solches Szenario mit schweren wirtschaftlichen Turbulenzen.

Stanislaw Tkatschenko, Professor der Fakultät für Internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Sankt Petersburg und Experte des Waldai-Klubs, erklärte:

"Lange Zeit war die wirtschaftliche Partnerschaft zwischen der Volksrepublik China und Brüssel so strukturiert, dass europäische Unternehmen in die chinesische Produktion investierten und die Gewinne in einem eher begrenzten Umfang exportierten. Dieses Arrangement kam China sehr entgegen."

"Jetzt will die EU durch Sanktionen und verschiedene Forderungen die wirtschaftliche Zusammenarbeit politisieren. China wiederum ist sich darüber im Klaren, dass jede Einschränkung, auch gegen kleine Unternehmen, die chinesische Wirtschaft treffen wird. Wenn Peking jedoch irgendwelche Zugeständnisse macht, wird dies vom Westen als Schwäche ausgelegt werden. China ist sich dessen bewusst."

"Vor diesem Hintergrund ist die Volksrepublik China gezwungen, präventive Erklärungen abzugeben. Sie sind noch nicht konkret, da die chinesische Diplomatie versucht, den richtigen Ton der Reaktion zu finden."

Die Rhetorik Pekings wird jedoch auf dem bevorstehenden China-EU-Gipfel sehr hart sein. Tkatschenko fügt hinzu:

"Die Volksrepublik China wird nach der Faustregel handeln: niemanden im Stich lassen und gegen jeden Vergeltung üben, gleichzeitig aber versuchen, die eigenen Verluste zu minimieren."

China ist ein pragmatischer Akteur, was die Wirtschaftsbeziehungen angeht, und eine "Freundschaft gegen jemanden" ist ihm fremd, meint der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Rahr. Er erklärte:

"Brüssel wird es daher kaum gelingen, Peking zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Washington oder Moskau zu bewegen, und schon gar nicht gegen chinesische Wirtschaftsinteressen."

"Die Europäische Union hat einen irreparablen Fehler begangen, als sie vor dem gemeinsamen Gipfel Sanktionen gegen China verhängte. Peking hat eine solche Entscheidung Brüssels als Erpressung empfunden."

Die Volksrepublik China könne nun damit rechnen, dass sich die EU dem Zollkrieg anschließe, den die Vereinigten Staaten gegen China und Länder, die weiterhin mit Russland zusammenarbeiten, führen wollen. Rahr fügte hinzu:

"Eine solche Entwicklung würde das Ende der wirtschaftlichen Globalisierung in ihrer jetzigen Form bedeuten. Die Welt würde sich in zwei gegensätzliche Blöcke spalten. Das mag genau das sein, was die USA wollen, aber für Europa, das mehr von China als Peking von der EU abhängig ist, ist das ein Weg in die Katastrophe."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 21. Juli 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Rafael Fachrutdinow ist ein russischer Journalist.

Mehr zum Thema - China scheitert bei Versuch die Beziehungen zur EU zu verbessern


de.rt.com/international/251335…

Diese Webseite verwendet Cookies zur Erkennung von wiederkehrenden Besuchern und eingeloggten Nutzern. Durch die weitere Benutzung der Webseite akzeptierst du die Verwendung der Cookies.