US-Abneigung gegen Jermak: Ende des ukrainischen "grauen Kardinals" scheint nahe


Von Sergei Mirkin

In der US-Zeitschrift Politico ist ein Artikel erschienen, in dem der Leiter des Büros von Wladimir Selenskij, der "graue Kardinal" der Ukraine Andrei Jermak, als ein in Washington sowohl bei Vertretern der Republikanischen als auch der Demokratischen Partei unbeliebter ukrainischer Beamter bezeichnet wurde.

Jermaks Besuch in Washington im Juni endete mit einem Fiasko. US-Außenminister Marco Rubio lehnte es ab, ihn zu empfangen. Jermak gelang es lediglich, im Flur des US-Außenministeriums ein paar Worte mit ihm zu wechseln.

Einer der wichtigsten Faktoren für Jermaks Einfluss in der Ukraine in den Jahren 2023–2024 war, dass er alle Kommunikationskanäle zur Administration von US-Präsident Biden unter seiner Kontrolle vereinen konnte. Alle, die Washington alternative Informationen liefern konnten, wurden von Jermak aus dem Weg geräumt. So wurde im Herbst 2024 der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba entlassen. Wie ukrainische Telegram-Kanäle berichteten, hatte er einen von Jermak unabhängigen Kommunikationskanal zum Weißen Haus für Selenskij aufgebaut.

Dabei war Jermak in Washington schon lange nicht mehr beliebt. Bereits Anfang 2023 plante das Weiße Haus, Jermak zu entlassen. Als erster wurde dabei Jermaks erster Stellvertreter im Selenskij-Büro, Kirill Timoschenko, aus dem Amt entfernt.

Jermak sollte durch einen "Soros-Handlanger" oder den damaligen Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Waleri Saluschny, ersetzt werden. Warum ist das nicht gelungen? Die Briten setzten sich für Jermak ein – in der Ukraine ist es kein Geheimnis, dass er Verbindungen zu den britischen Geheimdiensten hat. Damals erklärte Selenskij, dass er Jermak als Leiter seines Büros brauche. Dabei drohte Jermak den Amerikanern, dass im Falle seines Rücktritts die von ihm geschaffene Machtstruktur zusammenbrechen würde, was zu einer Destabilisierung der Lage in der Ukraine und zum Scheitern der "Gegenoffensive" im Sommer führen würde. Vor den US-Präsidentschaftswahlen 2024 rechnete das Team von Präsident Biden mit einem militärischen Erfolg der ukrainischen Streitkräfte im Sommer 2023. Außerdem war man im Weißen Haus offenbar nicht sicher, ob Saluschny oder einer der "Soros-Handlangern" die Rolle des "Schattenregenten" der Ukraine übernehmen könnte. Schon allein deshalb, weil die ukrainische Regierung, bestehend aus "Soros-Handlangern" unter der Führung von Alexei Gontscharuk, nach weniger als einem Jahr an der Macht ihre völlige Inkompetenz unter Beweis gestellt hatte. Deshalb stimmte Joe Bidens Team zunächst zu, dass Jermak sein Amt und seine Macht beibehalten dürfte, und dann auch, dass er in den Beziehungen zum Weißen Haus als Chefunterhändler der Ukraine auftreten würde.

Aber jetzt sieht die Lage anders aus.

Donald Trump behandelt Selenskij offensichtlich mit Geringschätzung. Nach Angaben der Financial Times verließ Trump den G7-Gipfel in Kanada unter anderem deshalb vorzeitig, weil er sich nicht mit Selenskij treffen wollte. In Großbritannien wird im Herbst der Chef des politischen Geheimdienstes MI6, Richard Moore, zurücktreten. Im Jahr 2023 gab es Gerüchte, dass er sich persönlich sehr dafür eingesetzt habe, die Amerikaner davon abzuhalten, Jermak zu entlassen. Daher könnten die USA Jermak ernsthaft ins Visier nehmen und ihn zum Rücktritt bewegen. Aber wer könnte ihn ersetzen?

Der wahrscheinlichste Kandidat für diesen Posten ist David Arachamija, der Fraktionsvorsitzende der Partei "Diener des Volkes" im ukrainischen Parlament. Zwischen ihm und Andrei Jermak herrscht eine starke Abneigung. Er wurde von Jermak nach den ersten Friedensgesprächen in Istanbul 2022 von der strategischen Entscheidungsfindung innerhalb des Selenskij-Teams ausgeschlossen. Aber Arachamija war der einzige ukrainische Politiker, der zu Trumps Amtseinführung eingeladen wurde, was auf seine Kontakte zu Trumpisten hindeutet. Laut ukrainischen Telegram-Kanälen baute Selenskij nach dem Fiasko von Jermak in Washington über Arachamija alternative Kommunikationskanäle zu hochrangigen Personen in die USA auf.

Dass der innenpolitische Einfluss von Jermak nachlässt, zeigt die Tatsache, dass es ihm nicht gelungen ist, den derzeitigen ukrainischen Premierminister Denis Schmygal durch seine Vertraute, die zurzeit amtierende Vize-Premierministerin Julia Swiridenko, zu ersetzen. Am 16. Juni erklärte der Abgeordnete der Werchowna Rada Jaroslaw Schelesnjak, dass das Selenskij-Büro (sprich: Jermak) den Rücktritt des Premierministers und der gesamten ukrainischen Regierung wolle. Anschließend bestätigten mehrere ukrainische Medien diese Information. Jermak wünschte sich einen Premierminister, der zu 100 Prozent seiner Kontrolle untersteht.

Neben der Umsetzung der Anweisungen von Jermak vergaß Schmygal auch nicht die Interessen des Oligarchen Rinat Achmetow, in dessen Unternehmen er als Top-Manager tätig war. Darüber hinaus unterhält Schmygal gute Beziehungen zu Arachamija, da dieser über den Premierminister Entscheidungen zugunsten von Parlamentsabgeordneten lobbyierte und so seine Autorität in deren Kreisen stärkte. Arachamija und Achmetow sprachen sich kategorisch gegen die Entlassung Schmygals aus. Am 21. Juni dementierte Selenskij den Rücktritt Schmygals. Damit stellte sich der Chef des Maidan-Regimes auf die Seite der Opponenten von Jermak.

Am 23. Juni wurde der ukrainische Vize-Premierminister Alexei Tschernyschow von Ermittlern (Operativen) des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (NABU) wegen Bestechlichkeit angeklagt. Tschernyschow ist ein Vertrauter von Selenskij und eine Kreatur eines der mächtigsten Männer in Selenskijs Team – Timur Minditsch. Minditsch kontrolliert diverse mit dem ukrainischen Haushalt in Verbindung stehende Geldströme. Das NABU hat zwei Herrscher. Der eine ist Jermak, dem es 2023 gelang, seinen Vertrauten Semjon Kriwonos zum NABU-Leiter zu machen. Es ist also möglich, dass der "graue Kardinal", der seinen politischen Einfluss schwinden sieht, versucht, andere "Hofcliquen" in Selenskijs Team zu schwächen, um an der Macht zu bleiben. Als zweiter NABU-Herrscher agieren die Amerikaner, die diese Struktur eigentlich zur Kontrolle der ukrainischen Behörden geschaffen haben, weshalb sich ein Teil der Ermittler dieser Organisation an der US-Botschaft in Kiew orientiert. Es ist nicht auszuschließen, dass die Ermittlungen der NABU gegen Tschernyschows Gefolgschaft von den Amerikanern initiiert wurden. Vermutlich ist es so, dass nicht nur gegen Jermak, sondern auch gegen Minditsch vorgegangen werden soll. Die Amerikaner beabsichtigen, das Umfeld von Selenskij zu säubern und durch ihre eigenen Vertrauten zu ersetzen. Selenskij wird dann die Rolle eines "Sprachrohrs" übernehmen.

Wenn die Trumpisten wirklich und nicht nur deklarativ Frieden zwischen Russland und der Ukraine erreichen wollen, dann erscheint die Entlassung von Jermak als logischer Schritt. Selenskij existiert in einer von der Realität losgelösten Welt. Jermak versorgt ihn nur mit solchen Informationen, die er hören will, und erzählt ihm Märchen von einem baldigen Sieg über Russland.

Natürlich gibt es keine Garantie, dass der neue Schattenherrscher der Ukraine besser sein wird. Doch zumindest besteht die Hoffnung, dass dieser mehr Vernunft mitbringt als Jermak.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. Juni 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

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de.rt.com/meinung/249459-ende-…

Putin ist schuld! An allem! - Auch für die SPD


Von Dmitri Petrowski

"Hat die Katz' den Wurf verlassen?

Putins Schuld, ihn sollt ihr hassen!"


Das Gedicht, aus dem obiger (hier auf Deutsch nachgedichteter) Reim stammt, ist über zehn Jahre alt und dürfte heute zumindest in Russland niemandem mehr auch nur ein müdes Lächeln abringen. Jeder hier hat diese beiden Zeilen schon hundertmal gehört.

Doch das ist eben in Russland – wohingegen unter den Deutschen dieser Algorithmus, einer jüngsten SPD-Parteiveranstaltung nach zu urteilen, immer noch im Einsatz ist: Olaf Scholz hielt den Jahresparteitag ab – den ersten seit seiner vernichtenden Wahlniederlage. Und dort sagte er, die Alternative für Deutschland nutze geschickt die Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Gesellschaft aus, schaffe ein Gefühl der Zukunftsunsicherheit bei den deutschen Bürgern. Daher bestehe, so Scholz, zwischen Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Wladimirowitsch Putin und der AfD "emotionale Nähe".

Kurz zur Einordnung: Bei der letzten Wahl ergatterte die von Scholz geführte und bis dahin regierende Sozialdemokratische Partei 16,41 Prozent der Stimmen der beteiligten Wähler. Dies war das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Doch damit nicht genug: Die Sozialdemokraten holten sich nicht einfach nur die sprichwörtliche Watschenpackung ab – sondern sie verloren ihren zweiten Platz an die Alternative. Denn die AfD lag weniger als zwei Prozent hinter den Wahlsiegern von der CDU – die SPD hingegen sogar grob sechs Prozent. Und wenn ich Demokratie richtig verstehe, dann ist so etwas ja für einen Politiker normalerweise ein Weckruf, dass jetzt höchste Eisenbahn zum Nachdenken ist – über Fragen wie:

"Was tue ich hier eigentlich?"


Dann noch:

"Verstehe ich wirklich die Hoffnungen und Vorstellungen der Menschen, die ich vertreten soll?"


Und schließlich:

"Dieses vielberedte Gefühl der Unsicherheit über die Zukunft – erzeuge ich das nicht eigenhändig?"


Aber nein. Das Protokoll belegt: Olaf Scholz hat, wie man es im staubtrockenen und mottenkugelmiefenden Funktionärsjargon der alten Tage ausdrücken würde, "auf Selbstkritik verzichtet". Die Nord-Stream-Katastrophe, die steigenden Energiepreise und die beispiellose Inflation, die Probleme mit illegaler Immigration, der Stellenabbau bei systemrelevanten Unternehmen, die Schließung von Fabriken und schließlich der Zusammenbruch seiner Regierungskoalition sowie das daraus resultierende vernichtende Wahlergebnis – alles kein Grund, an der Richtigkeit des eigenen Handelns zu zweifeln. Sondern es gilt weiterhin wie schon eh und je:

"Hat die Katz' den Wurf verlassen?

Putins Schuld, ihn sollt ihr hassen!"


Schauen wir uns nun die Alternative für Deutschland an. Sie wird oft als "prorussische Partei" bezeichnet – bei Unbedarften in Russland wird hiervor ein Pluszeichen gesetzt und in Deutschland ein Minuszeichen.

In Wirklichkeit ist diese Partei aber doch deutlich eher prodeutsch. Sie befürwortet die Aufhebung der antirussischen Sanktionen eben darum, weil das für Deutschland von Vorteil wäre. Sie ist für ein Ende der Unterstützung für die Ukraine – weil auch dies wiederum von Vorteil für Deutschland wäre. Sie tritt für mehr Unabhängigkeit Deutschlands und hierbei vor allem für weniger Abhängigkeit von Brüssel ein. Und um die Richtigkeit ihres Kurses zu beweisen, braucht sie dementsprechend auch keine rhetorischen Tricks und Marketingmaßnahmen – ganz nebenher zugegeben, ist sie in beidem auch gar nicht besonders stark. Sie war nicht für brillante Wahlkämpfe oder laute Statements bekannt ‒ und auch ihre Vorsitzende, die offen lesbische Alice Weidel, ist schon eine sehr ungewöhnliche Wahl für eine konservative Partei. Doch es genügt, den Durchschnittsdeutschen einfach einmal ans Fenster zu führen, um ihm zu zeigen, was draußen passiert, und dann die Stromrechnung zu zeigen – und schon sind gar keine weiteren Argumente nötig.

Olaf Scholz hingegen ist da offensichtlich anderer Meinung. Er glaubt wohl, das Volk sei einfach nicht brauchbar – und was besagtes Volk mit eigenen Augen sieht, gaukle dem Volk eben der Putin vor.

Doch selbst das wäre nicht so schlimm, wenn wir es mit einer echten Demokratie zu tun hätten. Dann würde die Beliebtheit der SPD unter einer solchen Führung eben weiter fallen, und nach Neuwahlen würde die AfD entweder im Ganzen gewinnen oder mindestens einer Regierungskoalition beitreten. Doch die Zeit der Demokratie in Europa scheint vorbei – und die jetzige Koalition in Berlin beharrt auf ihrem Wahnsinn. Und auf diesem Wahnsinn wird sie offensichtlich auch weiterhin beharren.

Übersetzt aus dem Russischen.

Dmitri Petrowski, Jahrgang 1983, ist ein russischer Roman- und Drehbuchautor sowie Publizist. Er studierte deutsche Philologie in Sankt Petersburg und Berlin, wo er ab dem Jahr 2002 lebte. Im Jahr 2018 kehrte er nach Russland zurück. Er arbeitete bei den Zeitungen Russkaja Germanija und Russki Berlin sowie als Programmdirektor bei einem russischsprachigen Berliner Radiosender und ist heute Kolumnist unter anderem bei RT und Life.ru.

Diesen Kommentar verfasste er exklusiv für RT.

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