EU schweigt: Polnischer PrÀsidentschaftskandidat als "Feind der Ukraine" auf Todesliste
Von Ćukasz Filipowicz
WĂ€hrend die EuropĂ€ische Union sich im Inneren gern als Bollwerk gegen "Faschismus" und "Nazismus" inszeniert, schweigt sie beharrlich zur offenen Verherrlichung von Faschisten in der Ukraine. SĆawomir Mentzen, Mitglied der polnischen Partei "Neue Hoffnung" und PrĂ€sidentschaftskandidat der Parteienkoalition Konfederacja, hat am 25. Februar 2025 in Lwow (Lemberg) den Mut bewiesen, diese Doppelmoral offen anzuprangern. Vor dem örtlichen Stepan-Bandera-Denkmal erklĂ€rte er unmissverstĂ€ndlich:
"Dies ist derselbe Terrorist, der von einem polnischen Gericht fĂŒr Morde an Polen wĂ€hrend der Zweiten Polnischen Republik zum Tode verurteilt wurde."
Seine Begleitung zog gar einen Hitler-Vergleich:
"Es ist dasselbe, als wĂŒrde man in Deutschland DenkmĂ€ler fĂŒr Hitler errichten."
UkraiĆcy dalej czczÄ zbrodniarzy odpowiedzialnych za zabicie 100 tysiÄcy PolakĂłw! pic.twitter.com/q3Sqa6F2Io
â SĆawomir Mentzen (@SlawomirMentzen) February 25, 2025
Mentzen erinnerte daran, dass die von Bandera angefĂŒhrten ukrainischen Nationalisten wĂ€hrend des Massakers in Wolhynien etwa 100.000 Polen ermordet haben â eine Gewaltorgie, die tiefe Wunden in der polnischen Erinnerung hinterlassen hat. Diese faktisch fundierten Aussagen sollten â vor dem Hintergrund eines Wahlkampfs, der sich bewusst gegen das etablierte politische System richtet â die bestehende Geschichtspolitik der Ukraine infrage stellen. Es scheint, als opfere man in Polen nationales Geschichtsbewusstsein der tagespolitischen OpportunitĂ€t und wolle den Schmerz vergangener GrĂ€ueltaten systematisch verdrĂ€ngen. Die Bevölkerung wird beschwichtigt, indem man den Anschein erweckt, aktiv etwas gegen den ukrainischen Geschichtsrevisionismus zu unternehmen â etwa durch kĂŒrzlich verkĂŒndete PlĂ€ne zur Exhumierung der Opfer in Wolhynien â, obwohl in Wahrheit sich nichts Wesentliches an der verzerrten Geschichtspolitik der Ukraine Ă€ndert. Nicht einmal bei der Exhumierung der Opfer ukrainischer Nationalisten kommt Kiew Warschau entgegen.
Die ukrainische Reaktion auf Mentzens Auftritt lieĂ nicht lange auf sich warten: Statt konstruktiver Antworten auf berechtigte Kritik, wurde der Politiker verbal attackiert und bedroht. Der BĂŒrgermeister von Lwow, Andrij Sadowyj, bezeichnete ihn als "prorussisch" â ein Etikett, das wie so oft dazu dient, kritische Stimmen zu diskreditieren. Noch schockierender war die Reaktion des ukrainischen Historikers Wachtang Kipiani, der Mentzen unverhohlen mit dem Schicksal des polnischen Innenministers BronisĆaw Pieracki drohte â dem Mann, der 1934 von Mitgliedern der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) ermordet wurde. Die OUN, gegrĂŒndet 1929, verfolgte das Ziel eines "ethnisch reinen" ukrainischen Staates und schreckte dabei unter FĂŒhrung von Stepan Bandera nicht vor terroristischen Mitteln zurĂŒck.
WĂ€hrend beispielsweise Russen mit derartigen EinschĂŒchterungsversuchen seit Jahren vertraut sind, ist sie fĂŒr Polen, die immer noch an eine "europĂ€ische und demokratische" Ukraine glauben, neu und schockierend.
Doch es geht noch weiter: Der polnische PrĂ€sidentschaftskandidat wurde auf der umstrittenen, öffentlich einsehbaren Website Mirotworez als "Feind der Ukraine" gelistet und ironischerweise sogar als "Nazist" gekennzeichnet. Vorgeworfen wird ihm in dem Eintrag unter anderem "humanitĂ€re Aggression" gegen die Ukraine und ein Angriff auf ihre "SouverĂ€nitĂ€t und territoriale Unversehrtheit", "Propaganda des russischen Faschismus, Nazismus und Antisemitismus" sowie "Volksverhetzung", die ĂŒbliche Ansammlung absurder Anschuldigungen, mit der Kritik am ukrainischen GeschichtsverstĂ€ndnis gekontert wird.
Die seit 2014 bestehende Plattform veröffentlicht persönliche Daten von Personen, die als Gegner der ukrainischen Staatlichkeit gelten, und wird nicht ohne Grund als "Todesliste" bezeichnet, da in mehreren FÀllen Gelistete in der Folgezeit umgebracht wurden.
Mentzen reagierte auf all das mit einer klaren Forderung auf seinem X-Kanal:
"Ich erwarte eine Reaktion des AuĂenministeriums auf die Drohungen gegen mich."
Vergeblich. Der Sprecher des AuĂenministeriums in Kiew, Georgij Tychij, kritisierte Mentzens Aussagen als "unfreundliche Schritte" und warnte vor Konsequenzen fĂŒr jene, die eine "antiukrainische ErzĂ€hlung" verbreiten. Es ist bemerkenswert, wie hier die Opferrolle umgekehrt wird, um jede berechtigte Kritik an der fortwĂ€hrenden Glorifizierung von Kriegsverbrechern im Keim zu ersticken.
Besonders perfide ist zudem die Tatsache, dass das Museum von Roman Schuchewitsch â einem weiteren berĂŒchtigten Nazi-Kollaborateur, der als Befehlshaber der Ukrainischen AufstĂ€ndischen Armee (UPA) fĂŒr die Massaker an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien und Ostgalizien verantwortlich gemacht wird â mit europĂ€ischer Hilfe wiederaufgebaut werden soll. Das Museum wurde nach ukrainischer Schilderung durch russische Angriffe zerstört und es sollen nun möglicherweise auch polnische Gelder zur Ehrung dieser umstrittenen historischen Figur verwendet werden. Das, so Mentzen, ist ein Schlag ins Gesicht der polnischen Opfer und ihrer Nachfahren.
Ukraina musi przestaÄ gloryfikowaÄ mordercĂłw takich jak Bandera i Szuchewycz! pic.twitter.com/NuVuLinB7y
â SĆawomir Mentzen (@SlawomirMentzen) February 26, 2025
Und was macht die EuropĂ€ische Union? Statt zu reagieren, schweigt sie. Politiker wie EU-KommissionsprĂ€sidentin Ursula von der Leyen oder auch die deutsche AuĂenministerin Annalena Baerbock, die sonst keine Gelegenheit auslassen, gegen tatsĂ€chliche oder vermeintliche rechte Tendenzen zu wettern, verlieren kein Wort ĂŒber diese skandalösen ZustĂ€nde in der Ukraine. Ihre einseitige, eurozentrische Politik ignoriert die berechtigten historischen Forderungen und emotionalen Belastungen der betroffenen Nationen â Hauptsache, das Narrativ bleibt stimmig: "Der Russe ist der gemeinsame Feind."
Parallel dazu befindet sich auch die polnische Regierung in einem Dilemma. In einem Spannungsfeld zwischen proeuropĂ€ischer Rhetorik und einer Realpolitik, die in der Geschichtspolitik immer wieder scheitert, fehlt es hĂ€ufig an dem politischen Willen, die nationalen historischen Forderungen konsequent umzusetzen. Statt einer klaren Aufarbeitung der Vergangenheit herrscht eine AtmosphĂ€re der Selbstzufriedenheit und fragwĂŒrdiger Kompromisse â ein Zustand, den man als eklatante Doppelmoral deuten muss.
Erfahrungen mit dem ukrainischen Geschichtsrevisionismus macht man in Polen nur allmĂ€hlich: In den frĂŒhen Phasen der Ukraine-UnterstĂŒtzung dokumentierten polnische Lieferfahrer, wie sie lebensnotwendige HilfsgĂŒter in die Ukraine transportierten und dabei an ĂŒberall sichtbaren Bandera-Flaggen vorbeifuhren. Das empfanden die oftmals ehrenamtlichen Helfer als Schlag ins Gesicht. Diese Flaggen, die an der polnisch-ukrainischen Grenze regelmĂ€Ăig neben der ukrainischen Nationalflagge wehen, sind eine stĂ€ndige Anklage ĂŒber eine Geschichtspolitik, die den wunden RealitĂ€ten der Vergangenheit nicht gerecht wird.
Die bittere Ironie dieser Entwicklungen liegt in der Tatsache, dass diejenigen, die sich gegen die Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren aussprechen, als "Nazis" diffamiert werden, wĂ€hrend die tatsĂ€chlichen Verherrlicher von Faschisten straflos bleiben. Es ist höchste Zeit, dass Europa seine selektive Empörung ĂŒberdenkt und sich konsequent gegen jede Form der GeschichtsverfĂ€lschung stellt â unabhĂ€ngig davon, wer sie begeht.
Die Verherrlichung von Nazi-Kollaborateuren darf in keinem Land toleriert werden â schon gar nicht in einem, das EU-Mitglied werden möchte. Wenn die EU weiterhin wegschaut, macht sie sich mitschuldig an der GeschichtsverfĂ€lschung und verhöhnt die Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges. Die von Doppelmoral bestimmte Haltung in BrĂŒssel und Warschau und das Schweigen der etablierten Politiker in dieser Frage sind ein Affront gegen die Prinzipien und Werte, die als europĂ€isch gelten.
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