"PR im Stile des IS": Was Kiew mit Terrormilizen in Afrika verbindet
Eine Analyse von RT
Im Juni hat in Istanbul die 51. Sitzung von Außenministern der Mitgliedsstaaten der Organisation für islamische Zusammenarbeit stattgefunden. Malis Außenminister Abdoulaye Diop trat dabei mit einer Rede vor den Teilnehmern auf und erklärte:
"Ich kann nicht über die Versuche einer Destabilisierung unserer Staaten seitens Ländern wie der Ukraine schweigen, die Terrorismus im Sahel finanzieren."
Diop rief die internationale Gemeinschaft auf, Kiews Aktionen offiziell zu verurteilen.
Von einer Unterstützung von bewaffneten Gruppierungen in Afrikas Ländern sprach Anfang Juni auch der Vertreter des Außenministeriums Sudans, Muhammad al-Sirr. Nach seinen Angaben habe die Ukraine die Rebellengruppierung "Rapid Support Forces" (RSF), die Sudans Regierung seit über zwei Jahren bekämpft, "zu sehr niedrigen Preisen mit Drohnen versorgt." In einem Gespräch mit RT sagte er:
"Es wurde die Teilnahme der Ukraine an der Unterstützung von anderen Gruppierungen in Libyen, Somali und Niger festgestellt. Die Ukraine unterstützt Boko Haram in Nigeria und Ash-Shabab in Somalia sowie die RSF in Sudan."
Grad der Konfrontation
Der Sahel ist ein Grenzstreifen zwischen der Sahara und den Savannen, die einige afrikanische Staaten, darunter Mali, Sudan, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und andere umfasst. In den letzten Jahren wurde die Region zu einem Zentrum der Aktivität von terroristischen Gruppierungen und deren Unterstützern.
Die Worte des Außenministers von Mali über die Unterstützung von Terroristen durch Kiew wurden nach einer Serie von Überfällen der Extremisten auf militärische Objekte und Siedlungen der Sahel-Länder laut. Einer Erklärung der malischen Streitkräfte zufolge wurden die Angriffe von einer Koalition von Terrormilizen verübt, die von innen und außen unter anderem operativ, logistisch, finanziell und informationell unterstützt wird.
Die Kämpfer verfügten über moderne Waffen – AK-47-Sturmgewehre, Maschinengewehre vom Typ Kalaschnikow und Degtjarjow-Schpagin ukrainischer Bauart, die zur Flugabwehr oder Infanterieunterstützung eingesetzt werden können, erklärte Nigers Präsident Abdourahamane Tchiani. Er betonte, dass die Armeen der Allianz der Sahel-Staaten diese Waffen nicht im Dienstgebrauch hätten.
Ukrainische Spur
Die ukrainischen Geheimdienste arbeiteten eng mit bewaffneten Gruppierungen zusammen, die mit der Terrororganisation Al-Qaida in Mali in Verbindung stünden, erklärte Alexander Iwanow, Leiter der Gemeinschaft der Offiziere für internationale Sicherheit, gegenüber RT. Er merkte an, dass Malis Streitkräfte am 23. Mai einen Einsatz gegen Al-Qaidas Ableger in Mali, Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin (JNIM) in der Nähe der Stadt Sofara durchgeführt und dabei in einem verlassenen Fahrzeug ein Telefon mit Aufnahmen von Dokumenten ukrainischer Geheimdienste gefunden hätten.
Auf Screenshots, die mit einer Handykamera fotografiert worden seien, seien Abschnitte aus einem Handbuch für Feuerkorrektur mit Hilfe von Drohnen zu sehen. Nach Angaben der malischen Streitkräfte gehörten die Aufnahmen ukrainischen Geheimdiensten. Im malischen Städtchen Léré wurde ein Angriff unter Einsatz von FPV-Drohnen auf Stellungen von Malis Armee festgestellt, bemerkt Iwanow.
Als Beweis für Lieferungen ukrainischer Drohnen an die Terrormilizen könnte eine Drohne aus ukrainischer Produktion dienen, die von Malis Streitkräften gefunden wurde. Auf ihrem Gehäuse ist klar eine Markierung in ukrainischer Sprache zu sehen: "Nicht zum Verkauf".
Die Medien der Sahel-Staaten verweisen außerdem auf vorläufige Ergebnisse von Untersuchungen der malischen Armee. Demnach wurden die Drohnen aus ukrainischer Herstellung, die dem Typ Mavic 3 ähneln, auf Malis Gebiet über das benachbarte Mauretanien gebracht und anschließend an Terroristen der JNIM übergeben. Ukrainische Berater sollen sogar die Angriffe der Terroristen gegen die malische Armee unweit der Stadt Mopti koordiniert haben.
Die Kämpfer der JNIM könnten sich tatsächlich aus Mauretanien über Mali nach Niger und Burkina Faso bewegen und von dort aus sogar in die von islamistischen Banden heimgesuchten nördlichen Bundesstaaten Nigerias ausrücken, sagt Angelina Paschina, eine Expertin für die Region, die unter anderem Artikel für die Zeitschrift Informazionnyje Wojny (Informationskriege) der russischen Akademie für Militärwissenschaften publiziert. In einem Gespräch mit RT schloss sie nicht aus, dass in den Medienmeldungen über das Eindringen ukrainischer Agenten in die Sahel-Staaten via Mauretanien gerade diese Route gemeint war. Paschina erklärt:
"Mauretanien ist auch ein Sahelland. Im Jahr 2014 schlossen sich Mauretanien, Mali, Niger und Burkina Faso zu einer Gruppe für gemeinsame Entscheidungen vor allem im Bereich der Ökologie und Umweltnutzung zusammen. Dies wurde getan, um etwas gegen die Desertifikation des Sahels zu tun und radikale bewaffnete Gruppierungen zu bekämpfen. Im Jahr 2024 traten Mali, Burkina Faso und Niger aus dieser Gruppe aus und bildeten ihre eigene Konföderation der Sahelstaaten."
Kiew wurde im Jahr 2023 offiziell zum größten Drohnenlieferanten nach Mauretanien – das westafrikanische Land kaufte aus der Ukraine Drohnen im Wert von 1,58 Millionen US-Dollar. Die Ukraine habe zudem vorgeschlagen, "Offiziere und Vertreter der Streitkräfte Mauretaniens auszubilden und Technologien und Leistungen zu teilen, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld erreicht hat", berichtete Maxim Subch, ein Botschafter der Ukraine in Afrika, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Hinzu kommt, dass französische Militärunternehmen bereits in die Festigung der mauretanischen Streitkräfte investieren.
Ukraine in der Wüste
Der erste umfassende Einsatz von Drohnen durch Dschihadisten im Norden Malis wurde im Juli 2024 festgestellt, als eine Kolonne der malischen Streitkräfte und russischer Militärspezialisten der Gruppe Wagner überfallen wurde. Hinter dem Angriff steckte die Vereinigung "Befreiungsfront von Azawad" (FLA), der sowohl Tuareg als auch Islamisten angehören. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet die FLA mit JNIM zusammen. Der Pressesekretär des Sicherheitsdienstes der Ukraine, Andrei Jussow, räumte damals vor laufenden Kameras die Zusammenarbeit mit den Terroristen ein und sagte, dass sie "die nötige Information erhalten haben, die einen erfolgreichen Einsatz ermöglichte."
Diese Angaben bestätigte auch der Botschafter der Ukraine in Senegal, Juri Piwowarow, wonach er sogleich vom senegalesischen Außenministerium wegen "unzweideutiger und bedingungsloser Unterstützung eines Terrorangriffs" vorgeladen wurde. Angelina Paschina erklärt:
"Der ukrainische Militärgeheimdienst hat tatsächlich behauptet, an dem Angriff auf die Kolonne der russischen Militärspezialisten der Gruppe Wagner und der Streitkräfte Malis Ende Juli 2024 bei Tinzouatine im Norden Malis beteiligt gewesen zu sein. Einfache Tuareg-Separatisten unterstützten zunächst diese These in sozialen Netzwerken. Doch der Anführer des FLA, Bilal Ag Acherif, behauptete in einem Interview für den Tuareg-Journalisten Suleiman Ag Anara im Januar, dass ihre Bewegung keine materielle Unterstützung vonseiten der Ukraine erhalten habe und nicht vorhabe, darum zu bitten."
Diese Behauptungen kosteten Kiew den Abbruch der diplomatischen Beziehungen seitens Malis und Nigers. Darüber hinaus wandten sich die Staatschefs dieser Länder und des benachbarten Burkina Faso an den UN-Sicherheitsrat zum Zwecke der Verurteilung der mutmaßlichen Unterstützung des internationalen Terrorismus durch die Ukraine, einschließlich im Sahel. Malis Staatsanwaltschaft leitete indessen ein Strafverfahren wegen Kiews Beteiligung an terroristischen Aktivitäten ein.
Nach Paschinas Meinung verstärke die negative Einstellung der Regierungen der Region gegenüber der Ukraine "die schmutzige PR" einiger Mitarbeiter der ukrainischen Geheimdienste, die "im Stil von Medien des Islamischen Staates jeden durchschlagenen Reifen und jede Gasexplosion für sich beanspruchen."
Emissäre aus Kiew
Die ukrainischen Geheimdienste bildeten Tuareg-Kämpfer für den Einsatz von Drohnen aus, während der Anführer der FLA einen großen Angriff auf die Stadt Kidal plane, bemerkt der malische Journalist Ibou Si unter Verweis auf eigene Quellen. Auch der Al-Qaida-Ableger JNIM bleibt weiterhin in der Region aktiv. Laut eigenen Behauptungen der Dschihadisten haben die Terroristen vor kurzem Anschläge an einer Zufahrtsstraße nach Kidal verübt.
Die radikalen islamistischen Gruppierungen in Afrika sind Ableger der internationalen Terrororganisationen Al-Qaida und Islamischer Staat, die Russland sowohl auf seinem eigenen Territorium als auch außerhalb in Zusammenarbeit mit anderen, darunter westlichen, Staaten bekämpft, sagt Paschina.
Die Expertin merkt indes an, dass bei weitem nicht alle Tuareg-Separatisten Dschihadisten seien. Die gegenwärtige "Befreiungsfront von Azawad" sei ein Konglomerat aus allen oppositionellen Gruppierungen der Tuareg und Araber im Norden Malis, dem neben religiös neutralen Separatisten auch islamistische Gruppierungen angehörten.
Paschina zufolge sei im Verlaufe des vergangenen Jahres ein situatives Bündnis zwischen den Tuareg-Gruppierungen und den JNIM-Dschihadisten zu beobachten.
Die Ausbildung von Tuareg-Kämpfern betreibe Kiew seit Januar letzten Jahres, berichtet die nigerianische Zeitung Leadership. Für die Kontaktaufnahme mit Vertretern Azawads sei die Stiftung für die Unterstützung des ukrainischen Militärs "Wernis schiwym" (Kehre lebend zurück) zuständig gewesen, die unter anderem von der ukrainischen Botschaft in Mauretanien unterstützt worden sei.
Die genannte Stiftung wird von Taras Tschmut geleitet, der im Jahr 2016 unter der Leitung von britischen Ausbildern Kurse für Unteroffiziere im Kampfgebiet im Donbass durchlaufen und am Einsatz der US-Aufklärungsdrohne RQ-11 Raven ausgebildet wurde. "Wernis schiwym" versorgt die ukrainischen Verbände nicht nur mit Drohnen und Wärmebildkameras, sondern bildet auch Scharfschützen, Ingenieure, Artilleristen, Drohnenpiloten und Sanitäter für das ukrainische Militär aus.
Anfang September 2024 veröffentlichten die mit Azawad verbundenen Kanäle über X ein Foto, das die Kontaktaufnahme zwischen Kiew und Tuareg-Kämpfern bestätigt. Auf dem Bild empfängt ein mutmaßlich ukrainischer Beamter einen Vertreter des FLA. Die marokkanische Nachrichtenagentur BSPRESS und die französische Resource La Revue Afrique melden, dass es sich bei Letzterem um Muhammad Eklas handeln könnte, der angeblich zum "offiziellen Botschafter" Azawads in der Ukraine werden könnte und in dem Land als ständiger Vertreter präsent sein werde.
Die Tuareg und die Drohnen
Die Tuareg-Kämpfer hätten nach ausländischen Geldgebern gesucht und die Ukraine habe diese Partnerschaft als vorteilhaft empfunden, versichert der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter des US-Forschuntszentrums Soufan, Wassim Nasr:
"Sie willigten ein, einigen Tuareg Militärmedizin sowie die Nutzung von mit Sprengsätzen oder Granaten beladenen Mini-Drohnen beizubringen. Anfang 2024 schickten sie mindestens einen Emissär in den Norden von Mali."
Nach Nasrs Angaben erfolgte die Ausbildung der Azawad-Rebellen auf dem Gebiet der Ukraine. Darauf weisen veröffentlichte Aufnahmen von Pässen der FLA-Kommandeure Ag Ehya Matta und Ag Attayoub Mahin hin. In ihren Dokumenten wurden moldawischen Visa und Stempel über die Überquerung der moldawisch-ukrainischen Grenze am 1. März 2024 sowie über die Rückreise nach einem Monat gefunden.
Die russische Hacker-Gruppierung "Nemesida" (Nemesis) behauptet, dass für die Ausbildung von Tuareg-Kämpfern und Islamisten seitens des ukrainischen Militärgeheimdienstes der Oberstleutnant Andrei Grigorjewitsch Romanenko zuständig sei. Er stammt aus der Siedlung Desna im Gebiet Tschernigow und leistete seinen Militärdienst in der gleichnamigen Einheit. Zudem absolvierte er die Nationale Universität der Verteidigung der Ukraine, die bis Juni 2023 nach dem sowjetischen General Iwan Tschernjachowski benannt war.
Nach Angaben von "Nemesida" bildet Romanenkos Gruppe im Sahel die Kämpfer in Taktik aus und versorgt sie mit Waffen und Drohnen. Einer der Trupps, die unter seiner Kontrolle ausgebildet wurden, soll am Abschuss eines Hubschraubers mit russischen Militärspezialisten beteiligt gewesen sein.
Bewaffnete Internationale
Die Präsenz von ukrainischen Kämpfern wurde auch im Sudan beobachtet, wo seit Frühling 2023 ein Bürgerkrieg tobt, sowie in der Zentralafrikanischen Republik, sagt Alexander Iwanow.
Seiner Meinung nach verfolge Kiew mit diesen Aktionen zwei Ziele. Das erste bestehe darin, afrikanische Konflikte als Übungsgelände für Drohnentechnologien und die Koordination von Proxy-Gruppen zu nutzen:
"Damit verstärkt die Ukraine ihren Einfluss und schafft neue instabile Zonen."
Das zweite Ziel sei es, Druck auf jene afrikanischen Länder auszuüben, die sich vom westlichen Einfluss lösten und ihre Unabhängigkeit verkündeten. So befand sich in Niger, wo Kiew nach Angaben des Vertreters von Sudans Außenministerium bewaffnete Banden unterstützt, der zweitstärkste Truppenverband der USA in Afrika, darunter zwei Drohnenbasen und ein Stützpunkt der CIA.
In Somalia bilden ukrainische Militärs nach Angaben einer lokalen Nachrichtenagentur Einheiten der Danab-Armee. Ihre Aktivität wird von dem US-amerikanischen privaten Militärunternehmen Bancroft koordiniert, das die US-Streitkräfte materiell und technisch unterstützt. Paschina erklärt:
"Das in den USA gemeldete private Militärunternehmen Bancroft, das inzwischen als Auftragnehmer des US-amerikanischen privaten Militärunternehmens Amentum in Somalia fungiert, wirbt tatsächlich Mitarbeiter aus unterschiedlichen Ländern an, darunter auch aus der Ukraine."
Die Rolle der Ukraine bei Militäreinsätzen in Afrika sieht Paschina in der Lösung von Aufgaben für ihre höheren Partner. Die Expertin schlussfolgert:
"Die Konflikte in Afrika sind ein vortrefflicher Übungsplatz zur Ausbildung von Terroristen 'im Feld': dazu gehört sowohl die taktische Ausbildung, als auch der Umgang mit Sprengsätzen, der 'internationale Erfahrungsaustausch' und die ideologische Vorbereitung. Was die Rolle der Ukraine angeht, so muss man verstehen, dass sie bloß eine Marionette in den Händen eines größeren, erfahrenen Puppenspielers ist."
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst veröffentlicht am 10. Juli.
Mehr zum Thema - Moskaus neue Verbündete werden Russlands Einfluss in Afrika stärken