Krieg zwischen USA und Iran bedroht auch Russland
Von Geworg Mirsajan
Die USA planen, Iran in nächster Zeit zu überfallen. Dies berichten Medien im Westen und im Nahen Osten und davon zeugen die Aktionen der USA. Auf den US-Militärstützpunkt Diego-Garcia im Indischen Ozean, der außerhalb der Reichweite der iranischen Waffen liegt, werden zusätzliche Flugzeuge verlegt – darunter sieben von 19 strategischen Bombern B2A Spirit. Und in den Persischen Golf begibt sich eine zweite Trägerkampfgruppe – zu dem bereits dort liegenden Flugzeugträger Harry Truman kommt Carl Vinson hinzu.
Sogar ein ungefähres Datum für einen Kriegsbeginn wird angegeben, der 1. Mai. Gerade an diesem Tag läuft das von Washington gestellte Ultimatum aus. Die USA fordern offiziell von Iran, ein Nuklearabkommen abzuschließen, also auf sein Atomprogramm zu verzichten oder zumindest Gespräche darüber aufzunehmen. Weil sich der Iran weigere, müsse er bestraft werden. Auch ein Datum für das Ende der Kampfhandlungen wird bereits genannt – der 1. September.
Doch die Wirklichkeit ist komplexer.
Tatsächlich stellte Trump noch vor einem Monat, am 7. März, über Vermittler aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Iran ein Ultimatum. Allerdings war dort keine Rede vom Atomprogramm oder ballistischen Raketen. Der Orientalist Kirill Semjonow erklärt gegenüber der Zeitung Wsgljad:
"Die USA forderten von Teheran, eine ganze Reihe geopolitischer Projekte einzurollen, etwa von Iran kontrollierte Milizen in den Ländern des Nahen Ostens aufzulösen."
Die Vereinigten Staaten glauben, dass Iran jetzt, nach einer Niederlage in Syrien und einer Schwächung der Hisbollah und der Hamas durch Israel, extrem geschwächt sei. Es sei an der Zeit, Teheran den Rest zu geben.
Für Iran waren indessen die Bedingungen des Ultimatums inakzeptabel und erniedrigend. Das Netzwerk von Milizen und von Teheran unterstützten Gruppierungen, die sogenannte Achse des Widerstands, ist nicht bloß eine Stütze des iranischen Einflusses in der Region, sondern die vorderste Verteidigungslinie und ein wichtiges Prestigeprojekt der Islamischen Republik. Deswegen antwortete Iran mit einer entschiedenen Weigerung und überreichte sie demonstrativ nicht über die VAE, sondern über Oman und zeigte dabei den Emiraten, dass allein die Übergabe dieses Textes eine Beleidigung Teherans dargestellt habe.
Was Verhandlungen betrifft, geht es nicht darum, dass Iran sie nicht will, sondern darum, dass sich die Seiten nicht über ihr Format einig werden. Donald Trump meint:
"Ich denke, es wäre besser, wenn wir direkte Gespräche führen. Es geht schneller, und Sie verstehen die andere Seite viel besser als über Vermittler."
Iran lehnt diese Idee wiederum ab und fordert von den USA zunächst, ihre vergangenen "unrechtmäßigen Aktionen" zu berichtigen. Semjonow erklärt dazu:
"Unter den Aktionen wird vor allem das von Trump sabotierte Nuklearabkommen verstanden, das Iran mit Obama geschlossen hatte, und die bestehenden Sanktionen, die die USA im Rahmen dieses Abkommens hätten aufheben sollen. Deswegen will Teheran, dass die USA vor dem Beginn der direkten Verhandlungen einen Teil der Sanktionen aufheben."
Vor einer solchen Buße ist Teheran nur bereit, mit Washington über Vermittler, also über Oman zu verhandeln – oder zu kämpfen, sollte Washington Iran keine Wahl lassen.
Sicher wird es Iran nicht gelingen, lange gegen die USA zu kämpfen. Bei aller Stärke der Streitkräfte der Islamischen Republik werden sie einem US-amerikanischen Angriff nicht standhalten können. Andrei Klinzewitsch, der Leiter des Zentrums für das Studium militärischer und politischer Konflikte, erklärt gegenüber der Zeitung Wsgljad:
"Die iranische Luftabwehr ist ein Flickenteppich aus alten US-amerikanischen und sowjetischen Technologien sowie einer kleinen Menge von Systemen, die Russland übergeben hat: Tor, Buk, Panzir, S-300. Jedes Luftabwehrsystem hat bestimmte Kapazitäten. Diese können überlastet werden, woraufhin sowohl die Luftabwehr als auch alles Übrige zerstört wird. Bedenkt man, dass die USA einen gleichzeitigen Angriff mit Marschflugkörpern von U-Booten und Zerstörern und einen Luftangriff unter Einsatz spezieller Bomben planen, können sie gemeinsam mit Israel das gesamte sich an der Oberfläche befindende Luftabwehrsystem Irans binnen eines Tages vernichten."
Welche Ziele könnten die USA angreifen? Es sind bei weitem nicht nur militärische Objekte. Klinzewitsch sagt:
"Irans Schwachstelle ist seine Hafeninfrastruktur, von der die gesamte Wirtschaft abhängt. Fast 80 Prozent des gesamten Warenumsatzes mit der Außenwelt erfolgt über den Hafen Bender-Abbas, und eine Zerstörung dieses Hafens wird das Land verbluten lassen. Dafür wäre es nicht einmal notwendig, in die Luftabwehrzone einzudringen."
Gleichzeitig ist ein Hafen ein schwieriges und großes Ziel. Darüber hinaus hat Iran noch viel stärker geschützte Stellungen.
Unter Felsen versteckt Iran nicht nur seine Nuklearobjekte, sondern auch Bunker, Fabriken, einzelne Luftabwehrsysteme und sogar einen Teil der Luftstreitkräfte. Nach dem ersten Angriff werden diese Objekte weiterhin funktionieren, denn die USA haben keine nicht nuklearen Mittel, um derart tief im Boden liegende Ziele zu zerstören. Klinzewitsch erklärt:
"Diese Objekte können nur mithilfe taktischer Nuklearwaffen erreicht werden, und theoretisch könnten die USA sie einsetzen. Bekanntermaßen baute Iran in seiner Wüste eine vollständige Kopie des israelischen Kernforschungszentrums in Dimona und zeigte, wie er ihn unter anderem mit Hyperschallraketen angreifen wird. Im Fall solcher Angriffe, die die gesamte Region mit einer Nuklearkatastrophe bedrohen, könnten die USA und Israel, das ebenfalls über Atomwaffen verfügt, zu radikalen Maßnahmen greifen."
Daher darf der Iran keine Grenze überschreiten, die den USA das moralische Recht zum Einsatz von Atomwaffen oder sogar rechtliche Gründe für eine Invasion liefert, etwa wenn die iranische Armee einen Präventivschlag gegen US-Verbände ausführen würde. Teheran darf nicht zuerst angreifen.
Allerdings ist Iran durchaus zu einem Gegenschlag in der Lage und kann damit den USA einen für sie inakzeptablen Schaden durch punktuelle oder asymmetrische Aktionen zufügen.
Eine dieser Optionen wäre ein Angriff gegen die US-Stützpunkte in der Region. Amir Ali Hadschisade, Oberhaupt der iranischen Luftstreitkräfte, sagte:
"Die Amerikaner haben mindestens zehn Militärbasen in der Region um Iran und haben dort 50.000 Soldaten. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen."
Es ist nicht auszuschließen, dass der Iran versuchen wird, US-Flugzeugträger zu treffen. Ob das gelingt, ist fraglich, doch falls es gelingt, wäre das ein kolossaler Sieg der iranischen Waffen, der die gesamte US-Militärmacht unterminieren würde.
Auch hat Teheran die Möglichkeiten, den Ölmarkt zu sprengen. Klinzewitsch erklärt:
"Iran könnte die gesamte Ölinfrastruktur des Persischen Golfs angreifen, was zu einem sprunghaften Preisanstieg führen und den Binnenmarkt der USA beeinträchtigen könnte."
Dazu wäre es nicht nötig, die Ölvorkommen in Saudi-Arabien oder Kuweit anzugreifen, eine Blockade der Straße von Hormus für Öltanker würde reichen.
Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass Iran nicht nur über militärische, sondern auch außenpolitische Einschränkungen verfügt. Es geht nicht nur um eine Reaktion der arabischen Staaten, die bei einem solchen Szenario einen ungerechten Schaden erleiden, sondern auch um die Position des größten Verbündeten von Iran, China. Peking hängt von Öllieferungen aus Saudi-Arabien ab und fordert von Teheran Zurückhaltung.
Russland mahnt indessen alle Seiten zur Zurückhaltung. Nicht nur, weil Moskau für eine friedliche Lösung aller Probleme eintritt, sondern auch, weil ein Krieg der USA gegen Iran Russlands nationale Sicherheit bedrohen würde.
Sicher wird Moskau an diesem Krieg nicht teilnehmen, und Russlands Vertrag mit dem Iran sieht ein solches Szenario nicht vor. Selbst der Anstieg des Ölpreises im Fall einer Eskalation ist für Russland eher vorteilhaft. Doch die negativen Folgen des Krieges überwiegen sämtliche momentanen Vorteile. Und diese Folgen liegen vor allem auf der Ebene der Verbreitung von Kernwaffen.
Iran verkündete bereits, im Falle eines Überfalls, der den Iran nicht vernichten, sondern nur schwächen wird, seine Weigerung zum Bau einer Atombombe zu revidieren. Ali Laridschani, Berater des iranischen Obersten Führers Ali Chamenei, sagte dazu:
"Wir streben nicht nach Atomwaffen. Doch wenn ihr einen falschen Weg in Bezug auf Irans Nuklearprogramm einschlägt, werdet ihr uns dazu zwingen. Iran muss sich verteidigen."
Darüber hinaus werden sich auch andere Länder verteidigen müssen. Ein Überfall der USA auf Iran wird ihnen zeigen, dass der einzige Schutz vor dem weltweiten Aggressor, den USA, nur eine Atombombe ist. Und dass Teherans Fehler nicht darin bestand, sich den USA zu widersetzen, sondern darin, mit dem Bau dieser Bombe zu sehr gezögert zu haben. Damit könnte direkt an Russlands Grenzen eine Atommacht entstehen. Und das ist ganz sicher nicht in Moskaus Interessen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei der Zeitung Wsgljad am 7. April.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er erwarb seinen Abschluss an der Staatlichen Universität Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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