Bayern verschleppt Rückgabe geraubter Kunstwerke an jüdische Holocaustopfer


Ende Februar berichteten mehrere deutsche Medien, darunter der Bayrische Rundfunk, über den fragwürdigen Umgang des Freistaats Bayern mit den Rückgabeansprüchen jüdischer Erben von Holocaustopfern. Demnach halte das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Informationen über Kunstwerke, die wahrscheinlich im Dritten Reich jüdischen Sammlern geraubt worden waren und sich nun in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befinden, zurück, hieß es unter Berufung auf Rechtsanwälte der Erben.

Markus Stötzel, der die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878–1937) vertritt, sprach von einem "Skandal mit Ansage" und beschuldigte Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) persönlich. Verantwortlich für die Rückgabe von NS-Raubkunst sei der Minister selbst, sagte der Jurist.

RT DE liegt nun eine Stellungnahme von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zu dem Vorgang vor. In dem Schreiben wird betont, dass eine interne Prüfung der Bayrischen Staatsgemäldesammlungen längst ergeben habe, dass die betroffenen Kunstwerke gemäß den Washingtoner Prinzipien von 1998 zurückzugeben sind:

"Wie sich herausstellte, sind seit 2014 rund zweihundert Objekte auf der Liste (meist Museumsobjekte ersten Ranges) als 'mit ziemlicher Sicherheit' zu im Rahmen der Judenverfolgung entzogenem Eigentum gehörend aufgeführt. Weitere 800 werden als 'möglicherweise beschlagnahmt' eingestuft."


Diese sensiblen Daten seien auch an das Kunstministerium des Freistaats herangetragen worden, ohne dass die erforderlichen Konsequenzen gezogen wurden. Die aufgedeckten Tatsachen wurden nicht über das für solche Fälle eingerichtete elektronische Portal veröffentlicht. Niemand setzte sich mit den Angehörigen der möglichen Eigentümer in Verbindung, um die Details zu klären und die Rückgabe einzuleiten. Auch die zuständige interministerielle Schlichtungskommission auf Bundesebene sei nicht angerufen worden, so das RT DE vorliegende Schreiben.

Auf "regelmäßige Anfragen von Anwälten" zu bestimmten Kunstwerken antworteten die bayerischen Behörden routinemäßig und offenbar wahrheitswidrig mit dem Hinweis, dass "erste Untersuchungen von Kunsthistorikern durchgeführt werden". Es sei bemerkenswert, dass unmittelbar nach dem Erscheinen der Liste in den Medien die an der Arbeit beteiligten Spezialisten ein Schreiben des Direktors der Staatsgemäldesammlungen erhielten, in dem vor negativen Konsequenzen im Falle einer Kommunikation mit der Presse gewarnt wurde. Eine Untersuchung über das Durchsickern vertraulicher Informationen wurde eingeleitet.

Die Verfasser des Schreibens erklären dazu:

"Die jüdische Gemeinschaft ist empört über das Ausmaß der Sabotage der 'freiwillig übernommenen Verpflichtungen' des deutschen Staates, da in den mehr als zwanzig Jahren der Arbeit der Schlichtungskommission nur 23 Objekte aus deutschen Museen an ihre Eigentümer zurückgegeben wurden, obwohl Hunderte von Anfragen von Holocaust-Opfern vorlagen."


Ebenfalls am Freitag veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung eine exklusive Stellungnahme vonCharlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, zum Umgang mit Raubkunst in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Die Vorgänge in München würden in jüdischen Gemeinden in Deutschland "große Verunsicherung" auslösen, heißt es darin. Die Umsetzung der Washingtoner Prinzipien von 1998 zur Restitution von Kunstgegenständen, die die Nationalsozialisten und ihre willfährigen Unterstützer jüdischen Eigentümern geraubt haben, erfordere große Sorgfalt, Transparenz und "den Willen, geraubte Werke schnellstmöglich an die Eigentümer beziehungsweise deren Erben zurückzugeben".

Die Verantwortlichen müssen jetzt schnellstmöglich Klarheit schaffen – und geraubtes Gut endlich zurückgeben, fordert Knobloch in dem SZ-Beitrag.

Mehr zum Thema - NS-Raubkunst: FBI gibt Monet-Gemälde 80 Jahre später an Erben der jüdischen Besitzer zurück

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