Aufbaufonds: Ukraine zieht Europa in ein neues Finanzloch
Von Andrei Restschikow
Die PrĂ€sidentin der EuropĂ€ischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat am Donnerstag die Einrichtung eines europĂ€ischen Fonds fĂŒr den Wiederaufbau der Ukraine angekĂŒndigt. Wie die italienische MinisterprĂ€sidentin Giorgia Meloni erklĂ€rte, erhielt der neue Fonds den Namen "Equity" (Gerechtigkeit). Er wurde unter Einbeziehung Italiens, Deutschlands, Frankreichs, Polens und der EuropĂ€ischen Investitionsbank gegrĂŒndet und soll als Instrument dienen, um Investitionen in die ukrainische Wirtschaft anzuziehen und Kiew zu unterstĂŒtzen.
Das Anfangskapital des Fonds wird 220 Millionen Euro betragen, und bis 2026 sollen 500 Millionen Euro aufgebracht werden. AuĂerdem wurde in Rom ein neues Paket von Vereinbarungen mit internationalen und staatlichen Finanzinstituten zur UnterstĂŒtzung der Wiederaufbau- und SanierungsbemĂŒhungen der Ukraine in Höhe von 2,3 Milliarden Euro vorgestellt.
Von diesen Mitteln sollen 1,8 Milliarden Euro in Form von Kreditgarantien und der Rest in Form von ZuschĂŒssen bereitgestellt werden. Von der Leyen verkĂŒndete am ersten Tag der Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Rom:
"Die ZuschĂŒsse und Kreditgarantien, die wir heute unterzeichnet haben, sollen bis zu zehn Milliarden Euro an privaten Investitionen in die Ukraine bringen."
Die EuropĂ€ische Kommission hofft, dass diese Mittel dazu beitragen werden, zerstörte Objekte wiederaufzubauen und die wirtschaftliche StabilitĂ€t des Landes zu sichern. Von der Leyen rief auch Vertreter der europĂ€ischen Wirtschaft dazu auf, bereits jetzt in die Ukraine zu investieren, und betonte die Bedeutung privater Investitionen fĂŒr die zukĂŒnftige Entwicklung der Region.
Die PrĂ€sidentin der EuropĂ€ischen Kommission bezeichnete Europa als den gröĂten Geldgeber Kiews und erinnerte daran, dass die EuropĂ€ische Union der Ukraine fast 165 Milliarden Euro an UnterstĂŒtzung gewĂ€hrt habe und in diesem Jahr 84 Prozent der AuĂenfinanzierung des Landes ĂŒbernehmen wolle.
AuĂerdem hat die EuropĂ€ische Kommission angekĂŒndigt, der Ukraine im Rahmen der sechsten Tranche des Makrofinanzhilfepakets, dessen Gesamtvolumen schon mehr als 18 Milliarden Euro betrĂ€gt, eine Milliarde Euro zur VerfĂŒgung zu stellen. Gleichzeitig haben die europĂ€ischen VerbĂŒndeten die Ăberweisung von mehr als drei Milliarden Euro aus dem Fonds zur UnterstĂŒtzung der Ukraine genehmigt.
Zuvor hatte der ukrainische MinisterprĂ€sident Denis Schmygal, der ebenfalls an dieser Konferenz teilnahm, mitgeteilt, dass fĂŒr den Wiederaufbau des Landes innerhalb von 14 Jahren etwa eine Billion US-Dollar benötigt werden, die Kiew durch die Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögenswerte, eine Steuer auf den Export russischer Rohstoffe und europĂ€ische Investitionen zu beschaffen gedenkt.
Das von Schmygal vorgestellte Konzept sieht die Einrichtung von zwei Fonds vor. Der Erste davon soll der "Ukraine Fonds" mit einem Volumen von 540 Milliarden US-Dollar sein, dessen Mittel fĂŒr den Wiederaufbau verwendet werden sollen. Der Zweite soll der EuropĂ€ische Strukturfonds zur UnterstĂŒtzung der Ukraine mit einem Volumen von 460 Milliarden US-Dollar werden. Er soll als Plattform fĂŒr Investitionen des privaten Sektors in die ukrainische Produktion dienen.
Die russische Botschaft in Italien hat die Ziele der Konferenz in Rom scharf verurteilt und den Organisatoren vorgeworfen, sie wollten die militĂ€rische UnterstĂŒtzung fĂŒr Kiew aufrechterhalten, anstatt den Konflikt zu beenden. Die Diplomaten wiesen darauf hin, dass sich die westlichen LĂ€nder auf die Folgen des Konflikts konzentrieren, statt sich mit der Suche nach Frieden und der Beseitigung der Ursachen des Konflikts zu beschĂ€ftigen, wodurch sie ihr Streben nach Dominanz und ihre Gier demonstrieren.
Die Botschaft betonte, dass die erheblichen Summen, die fĂŒr die Organisation der Konferenz und die militĂ€rische Hilfe ausgegeben wurden, das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine nur noch verstĂ€rken, wĂ€hrend im Westen behauptet wird, dass Mittel fĂŒr den Wiederaufbau des Landes gesammelt werden.
Die diplomatische Vertretung fĂŒgte hinzu, dass ein erheblicher Teil der von den USA und der EU fĂŒr die militĂ€rische UnterstĂŒtzung der Ukraine bereitgestellten Mittel, die auf ĂŒber 150 Milliarden Euro geschĂ€tzt werden, nicht bestimmungsgemÀà verwendet wird und in den Taschen von Beamten landet. Die Botschaft Ă€uĂerte die Meinung, dass auch fĂŒr die BetrĂ€ge, die nach den Ergebnissen der Konferenz in Rom angekĂŒndigt werden, die gleichen Risiken gelten.
Nach Ansicht der Botschaft hat sich die westliche UnterstĂŒtzung fĂŒr die Ukraine bereits zu einem finanziellen Loch nicht nur fĂŒr die westlichen LĂ€nder, sondern auch fĂŒr die Weltwirtschaft entwickelt, zum Nachteil der internen Programme und Verpflichtungen gegenĂŒber den LĂ€ndern des SĂŒdens und Ostens.
Es sei darauf hingewiesen, dass das US-amerikanische Unternehmen BlackRock auf derselben Konferenz die GrĂŒndung eines milliardenschweren Investmentfonds zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine ankĂŒndigen wollte. Laut Bloomberg habe BlackRock jedoch bereits zu Beginn des Jahres die Suche nach Investoren eingestellt.
Dies geschah nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-PrĂ€sidentschaftswahlen. Die Investoren verloren das Interesse an dem Projekt "aufgrund der wachsenden Unsicherheit ĂŒber die Zukunft der Ukraine". Von den geplanten 15 Milliarden US-Dollar konnten nur Investitionen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar gesichert werden.
Wenn die EuropĂ€er davon sprechen, dass sie Mittel sammeln und diese dann in der Ukraine ausgeben werden, wisse man, dass der Löwenanteil dieser Projekte von niemandem umgesetzt werden wĂŒrde, meint der Politologe Wladimir Kornilow. Er erinnert an die nicht eingehaltenen Versprechen der italienischen Behörden, das zerstörte TheatergebĂ€ude in Mariupol wiederaufzubauen:
"Der italienische Kulturminister verkĂŒndete lautstark, dass Italien dieses Theater wiederaufbauen werde, da 'die Kunst dem Volk gehört'. Hat jemand italienische Ingenieure, Architekten und Bauarbeiter bei den Wiederaufbauarbeiten in Mariupol gesehen? Hat Italien Mittel fĂŒr den Wiederaufbau dieses Theaters bereitgestellt? Das heiĂt, wir hören jetzt dieselben vollmundigen Versprechungen, die in ein oder zwei Jahren vergessen sein werden."
DarĂŒber hinaus beeilen sich die EU-LĂ€nder auch nicht, auf dem von der ukrainischen Armee kontrollierten Gebiet des Landes irgendetwas zu sanieren oder zu bauen. Kleine ZuschĂŒsse werden gelegentlich von Beamten auf kommunaler Ebene in Anspruch genommen, aber weder in kleinen noch in groĂen StĂ€dten der Ukraine wird systematisch in dieser Richtung gearbeitet.
Denis Denissow, Experte der FinanzuniversitĂ€t der russischen Regierung, ergĂ€nzt, dass eine Reihe von Vorgaben in den europĂ€ischen BĂŒrokratiestrukturen es nicht zulassen wĂŒrden, Geld offen zu veruntreuen, wobei die Einrichtung des Fonds "Equity" indirekt mit der Fortsetzung des Krieges zusammenhĂ€nge. Er betont:
"Ein solches Projekt könnte von der politischen Elite der Ukraine als weitere BestĂ€tigung dafĂŒr angesehen werden, dass die Fortsetzung des Konflikts ein Schritt in die richtige Richtung ist. Angesichts des Investitionsvolumens sind die ukrainischen Behörden natĂŒrlich daran interessiert, eine Politik der Fortsetzung des Konflikts zu verfolgen."
Die Experten sind sich auch einig, dass PlĂ€ne fĂŒr den Wiederaufbau der Ukraine bis zu dem Zeitpunkt des Endes des Konflikts nicht realisierbar seien. Laut Denissow "gibt es enorme Unsicherheiten darĂŒber, wie dieser Konflikt ausgehen wird". Derzeit könne niemand sagen, wie dieses Projekt potenziell funktionieren werde.
Wichtig ist auch, dass die Versprechen zum Wiederaufbau in erster Linie dazu dienen, die Ukrainer moralisch zu unterstĂŒtzen, betont Kornilow. Er erklĂ€rt weiter:
"Wie die jĂŒngsten Meinungsumfragen in der Ukraine zeigen, hat sich der Anteil der Menschen, die an eine blĂŒhende Zukunft des Landes als Teil der EU glauben, mehr als halbiert â von ĂŒber 88 auf 43 Prozent. Und fast die HĂ€lfte der Bevölkerung glaubt, dass die Ukraine in zehn Jahren ein zerstörtes Land sein wird, aus dem die Bevölkerung flieht. Dementsprechend reagiert Europa auf diese pessimistischen Erwartungen der Ukrainer und möchte den Optimismus doch noch steigern."
Was Schmygals Bittgesuch um eine Billion US-Dollar betrifft, erinnert Kornilow daran, wie die Ukraine noch vor dem Jahr 2014 mehrere Milliarden US-Dollar vom Westen und von Russland "erbettelt" habe. Er sagt:
"Nun operieren sie mit viel gröĂeren Summen. Der Appetit kam beim Essen. Die Ukraine hat sich schon lange als schwarzes Loch empfunden, in das man Dutzende von Milliarden stecken kann, und jetzt wird in Kiew in Billionen-GröĂenordnungen gedacht."
An die Forderungen der Ukraine sollte man sich schon gewöhnen, meint Denissow. Der Appetit der Vertreter der politisch-wirtschaftlichen Elite des Landes wĂŒrde angesichts der praktisch unbegrenzten Tranchen und ZuschĂŒsse aus dem Westen weiterwachsen. Dies sei jedoch das Problem der Partner Kiews, die diese Projekte finanzieren und damit die ukrainische Elite zur Fortsetzung des Konflikts provozieren, betont der Experte.
Ăbersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 10. Juli 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Andrei Restschikow ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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