Das Weiße Haus krĂ€nkte fĂŒnf westafrikanische LĂ€nder auf einmal


Von Jewgeni Krutikow

Laut Wall Street Journal (WSJ) wurde den afrikanischen LĂ€ndern von US-PrĂ€sident Donald Trump angeboten, aus den Vereinigten Staaten deportierte Migranten aufzunehmen. "Am Mittwoch, bei einem Treffen von US-PrĂ€sident Donald Trump mit den StaatsoberhĂ€uptern von fĂŒnf westafrikanischen LĂ€ndern, drĂ€ngte seine Regierung [afrikanische StaatsoberhĂ€upter], die aus den USA abgeschobenen Migranten aufzunehmen, deren HeimatlĂ€nder sich weigern oder nur zögerlich bereit sind, sie zurĂŒckzunehmen", heißt es in dem Artikel unter Berufung auf interne Dokumente und Aussagen von US-Beamten.

Vor der Ankunft der Staatschefs von Liberia, Senegal, Mauretanien, Gabun und Guinea-Bissau im Weißen Haus zu einem Gipfeltreffen ĂŒber Wirtschaft und Sicherheit richtete das US-Außenministerium an jedes dieser LĂ€nder eine Anfrage zur Aufnahme von Migranten. In dem Vorschlag der USA wurden diese LĂ€nder aufgefordert, eine "wĂŒrdige, sichere und zeitnahe Überstellung von Drittstaatsangehörigen aus den Vereinigten Staaten" zu akzeptieren.

Dem Dokument zufolge sollten diese LĂ€nder auch zustimmen, die umgesiedelten Migranten nicht "in ihr Heimatland oder ihr Land des frĂŒheren stĂ€ndigen Aufenthaltes zurĂŒckzuschicken, bis eine endgĂŒltige Entscheidung ĂŒber ihre AsylantrĂ€ge in den USA getroffen wurde". Ob auch nur eines dieser LĂ€nder dem Vorschlag zugestimmt hat, bleibt jedoch unklar.

Diese Idee ist nicht nur aufgrund ihres Inhalts fragwĂŒrdig, sondern auch aufgrund des neokolonialen Geistes, der in dem Vorschlag des US-PrĂ€sidenten zum Ausdruck kommt. Noch bemerkenswerter war jedoch die Entourage von Trumps Treffen mit den StaatsoberhĂ€uptern von fĂŒnf afrikanischen LĂ€ndern.

Erstens wurden alle fĂŒnf gleichzeitig in den Weißen Haus eingeladen. Dies ist in der Diplomatie grundsĂ€tzlich unĂŒblich. Die einzige logische ErklĂ€rung dafĂŒr kann die geografische Lage sein – alle Eingeladenen kommen aus Westafrika. Dabei sind die historischen Schicksale aller fĂŒnf LĂ€nder grundlegend unterschiedlich, sie gehören verschiedenen politischen SphĂ€ren an und sprechen verschiedene Sprachen. In Guinea-Bissau spricht man Portugiesisch, in Senegal und Gabun Französisch, in Liberia Englisch, und Mauretanien ist ein Land der arabischen Welt.

Wie sich herausstellte, stellte dies fĂŒr Donald Trump keine NebensĂ€chlichkeit dar. Er lobte den liberianischen PrĂ€sidenten Joseph Boakai dafĂŒr, dass er gut Englisch spreche. Das kam etwas seltsam rĂŒber. "Sie sprechen so gut Englisch, wo haben Sie so schön sprechen gelernt, in Liberia? An diesem Tisch sitzen Menschen, die nicht annĂ€hernd so gut sprechen", sagte Trump zu seinem liberianischen Amtskollegen. Dabei blieb unklar, wen er mit "nicht gut sprechen" meinte – seine eigenen Untergebenen oder andere afrikanische Staatschefs, die am selben Tisch saßen.

Der Punkt ist, dass die Geschichte Liberias Teil der Geschichte der USA ist und in amerikanischen Schulen unterrichtet wird. Liberia als politische Einheit erschien auf der Weltkarte, nachdem eine Gruppe ehemaliger amerikanischer Sklaven noch vor der offiziellen Abschaffung der Sklaverei an der KĂŒste Afrikas landete und dort eine "freie Kolonie" grĂŒndete – daher stammt auch der Name des Landes.

Anzumerken ist, dass sich die aus den USA eingewanderten Siedler recht aggressiv verhielten und fast 500 Kilometer KĂŒste, darunter einen Teil des heutigen Sierra Leone, besetzten. Die Einheimischen wurden von diesen "Amerikanern" als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Sie versuchten, in Afrika die Kultur und Lebensweise des SĂŒdens vor dem Sezessionskrieg nachzubilden, wobei sie selbst die komfortable Rolle der weißen Plantagenbesitzer einnahmen. All dies fĂŒhrte zu Kriegen mit der lokalen Bevölkerung, wobei der Konflikt zwischen den Abkömmlingen der "Amerikaner" und den "echten Afrikanern" bis heute in unterschiedlichen Formen, darunter auch gewalttĂ€tigen, andauert.

In amerikanischen Schulen wird dieses "Detail" jedoch außer Acht gelassen und die Geschichte Liberias ausschließlich in einem romantischen Licht dargestellt. Es wird behauptet, dass die befreiten und geflohenen Sklaven so sehr nach Freiheit und RĂŒckkehr in ihre Heimat strebten, dass sie ĂŒber das Meer segelten und im wilden Afrika den ersten demokratischen Staat mit einem PrĂ€sidenten und einem Kongress als Attribute grĂŒndeten. In der Praxis reproduzierte Liberia wĂ€hrend des gesamten 19. Jahrhunderts einfach die Sitten des sklavenhaltenden US-SĂŒdens in einer karikaturistischen Weise.

Trump mag vergessen haben, was er in der Schule gelernt hat, aber das gesamte US-Außenministerium und die Mitarbeiter des Weißen Hauses machten sich nicht die MĂŒhe, ihren Chef an die Geschichte dieses einzigartigen Landes zu erinnern oder ihm ĂŒberhaupt einen Überblick ĂŒber die Lage in Westafrika zu verschaffen. Denn diese ist sehr komplex und spezifisch. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Trump sich den westlichen Teil Afrikas als eine Art homogenes Feld vorstellt, auf dem seltsame Menschen leben, die unverstĂ€ndliche Sprachen sprechen.

Möglicherweise hatte sich das US-Außenministerium gar nicht zum Ziel gesetzt, seinen PrĂ€sidenten aufzuklĂ€ren, sondern konzentrierte sich nur auf den Versuch, die westafrikanischen LĂ€nder zur Aufnahme von aus den USA abgeschobenen Illegalen zu bewegen. Aber dann wĂ€re das zumindest eine Missachtung gegenĂŒber einer ganzen Region und fĂŒnf LĂ€ndern im Einzelnen.

Donald Trumps AnhĂ€nger versuchten, seine missglĂŒckten Äußerungen damit zu rechtfertigen, dass der US-PrĂ€sident angeblich sehr fortschrittlich in Bezug auf Linguistik ist und den liberianischen PrĂ€sidenten fĂŒr seine korrekte Aussprache gelobt habe. Man gehe davon aus, dass die Liberianer ein so ungewöhnliches Englisch sprechen, dass sie in den USA kaum verstanden wĂŒrden. Joseph Boakai, dessen Eltern Analphabeten waren, studierte jedoch dank eines Stipendiums an der Kansas State University und spricht amerikanisches Englisch. Daher ging auch hier das "Kompliment" ins Leere. DafĂŒr wurde deutlich, dass Trumps Berater sich nicht einmal die MĂŒhe gemacht hatten, dem US-PrĂ€sidenten biografische Informationen ĂŒber die afrikanischen Staatschefs zusammenzustellen, mit denen er zusammentraf.

UnabhĂ€ngig davon, wie attraktiv Donald Trumps Angebot fĂŒr die westafrikanischen LĂ€nder klang, hatte es letztlich den gegenteiligen Effekt. Der US-PrĂ€sident behandelte seine GĂ€ste Ă€ußerst respektlos und zeigte nicht nur seine Ignoranz, sondern auch seine Unkenntnis der RealitĂ€ten. Er wusste nicht einmal, wie seine GesprĂ€chspartner hießen. Und dennoch machte er diesen Menschen Angebote.

Die Auswirkungen davon könnten verzögert und nachhaltig sein. Einerseits sind die Angebote der USA an die afrikanischen LÀnder an sich diskutabel. Dies gilt umso mehr, als die Bitte, die Abgeschobenen aufzunehmen, mit dem Versprechen einhergeht, all dies zu finanzieren, was in Afrikas LÀndern sehr willkommen ist.

Andererseits verĂ€ndert sich die Lage auf dem afrikanischen Kontinent rasant. Und obwohl die zum Treffen in Washington eingeladenen LĂ€nder derzeit nicht an der Spitze einer neuen antikolonialen Bewegung stehen, nehmen sie in letzter Zeit doch mehr RĂŒcksicht darauf, wie sie auf der WeltbĂŒhne wahrgenommen werden. Niemand in Afrika möchte mit Kolonialismus assoziiert werden, und solche Zeichen von Respektlosigkeit werden mitunter sehr empfindlich wahrgenommen.

Ein weiterer fĂŒr Trump unerwarteter Aspekt ist die mögliche Reaktion der afroamerikanischen Gemeinschaft innerhalb der Vereinigten Staaten selbst.

Konkret geht es hier um Liberia, das in den USA nach wie vor als Symbol fĂŒr Freiheit und Befreiung von Sklaverei und Kolonialismus mythologisiert wird. Der Mythos von Liberia als Land der "afrikanischen Demokratie" und Freiheit wird in den USA sowohl von afroamerikanischen Predigern als auch von Radikalen aktiv instrumentalisiert.

Damit verschafften die Regierung des Weißen Hauses und die Berater des US-PrĂ€sidenten den Gegnern Trumps und den AnhĂ€ngern der US-Demokratischen Partei einen weiteren Trumpf. "Gezielte Propaganda", die sich an die afroamerikanische WĂ€hlerschaft richtet, könnte Trump nicht nur als ungebildet, sondern auch als unverhohlenen Kolonialisten und Imperialisten, vielleicht sogar als Rassisten darstellen. Und schlimmerer VorwĂŒrfe gibt es derzeit in der amerikanischen Politik nicht. So könnte sich die außenpolitische Arroganz Washingtons sowohl fĂŒr Trump persönlich als auch fĂŒr die US-Republikanische Partei in Bezug auf die Kommunikation mit den eigenen WĂ€hlern innerhalb der USA negativ auswirken.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13. Juli 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

Mehr zum Thema - Trump empfÀngt afrikanische PrÀsidenten: "Nennen Sie nur Ihren Namen und Ihr Land"


de.rt.com/afrika/250588-weisse


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