Kubas PrĂ€sident DĂaz-Canel: "BRICS ist heute das Synonym fĂŒr Hoffnung"
Lieber PrÀsident Lula,
sehr geehrte Staatschefs und Delegationsleiter,
als Erstes möchte ich im Namen meines Landes und meines Volkes fĂŒr unsere Aufnahme als Partner in die BRICS danken. BRICS ist heute das Synonym fĂŒr Hoffnung. Die Hoffnung, dass der Multilateralismus vor dem Chaos und der HandlungsunfĂ€higkeit bewahrt wird, in die die Arroganz einiger weniger die UNO gestĂŒrzt hat, die vor 80 Jahren gegrĂŒndet wurde, um Krieg als Mittel zur Konfliktlösung zu verhindern. Sie braucht dringend tiefgreifende Reformen, die der globale SĂŒden seit mehr als einem halben Jahrhundert fordert.
Die achtzig Jahre alte Organisation ist gefĂ€hrlich zersplittert und durch eine fortschreitende Erosion des Multilateralismus ernsthaft bedroht. Dies birgt hohe Risiken fĂŒr den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit.
Das Grauen der letzten Wochen und Monate zeigt deutlich, wohin eine Politik der StĂ€rke fĂŒhrt. Die Regierung der USA nutzt und missbraucht ihre unbestreitbare militĂ€rische, wirtschaftliche, finanzielle und jede andere Macht, auĂer der moralischen, und handelt dabei stĂ€ndig mit absoluter Missachtung der GrundsĂ€tze und Normen des Völkerrechts sowie der Charta der Vereinten Nationen. Sie zieht sich aus verschiedenen internationalen Organisationen und Foren zurĂŒck, verkĂŒndet PlĂ€ne zum Landraub und zur Annexion von Gebieten, rechtfertigt supremacistische Ideen, fĂŒhrt massive, gewaltsame und rassistische Deportationen von Migranten durch und verbirgt ihre ehrgeizigen und unlauteren geostrategischen Interessen nicht einmal mehr.
Es ist dieselbe Macht, die die jĂŒngsten Aggressionen der israelischen Regierung gegen Iran unterstĂŒtzt und durch Bombenangriffe auf drei Nuklearanlagen einen direkten Angriff auf die persische Nation verĂŒbt hat.
Kuba bekrĂ€ftigt angesichts dieser Aggression seine SolidaritĂ€t mit dem Volk und der Regierung der Islamischen Republik Iran und verurteilt nachdrĂŒcklich den von den Vereinigten Staaten initiierten Angriff. Diese Handlungen stellen einen flagranten VerstoĂ gegen die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht sowie eine schwerwiegende Verletzung des Vertrages ĂŒber die Nichtverbreitung von Kernwaffen dar.
Wir bekrĂ€ftigen einmal mehr unsere entschiedene Verurteilung des anhaltenden Völkermords am palĂ€stinensischen Volk, der ebenfalls von Israel begangen wird â mit stĂ€ndiger politischer, militĂ€rischer und finanzieller UnterstĂŒtzung durch die USA. Deren Regierung garantiert dem zionistischen Regime Straffreiheit und behindert durch ihr undemokratisches Vetorecht das Handeln des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.
Eine umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung des israelisch-palĂ€stinensischen Konflikts ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um in dieser fĂŒr die internationalen Beziehungen so heiklen Phase Frieden im Nahen Osten zu schaffen.
Solange diese Barbarei nicht gestoppt wird, leben wir in der Vorgeschichte dessen, was einst etwas so Vielversprechendes fĂŒr den Frieden geschaffen hat wie die Vereinten Nationen.
Deshalb habe ich von Hoffnung gesprochen. Angesichts dieses bedrohlichen Szenarios treten die BRICS-Staaten in den Vordergrund, deren MitgliedslÀnder und Partner, so unterschiedlich und ungleich sie auch in ihrem Entwicklungsstand sind, gemeinsame Ideale wie Frieden, Dialog, gegenseitigen Respekt, Zusammenarbeit und SolidaritÀt verfolgen.
Das Engagement der Gruppe fĂŒr den Aufbau einer gerechteren und integrativeren internationalen Ordnung ist sehr inspirierend. Ohne eine solche Ordnung wird es nicht möglich sein, die nachhaltige Entwicklung zu erreichen, die wir alle verdienen. FĂŒr die Nationen, die an den Fluch der Unterentwicklung gefesselt sind, wurde diese Entwicklung durch Jahrhunderte des Kolonialismus und Neokolonialismus hinausgezögert.
In diesem BemĂŒhen ist eine grundlegende Reform der derzeitigen internationalen Finanzarchitektur und ihrer intransparenten und undemokratischen Institutionen, die auf die Ausgrenzung und Ausbeutung der Nationen des SĂŒdens abzielen, dringend erforderlich.
Ebenso unverzichtbar ist eine inklusivere und demokratischere Governance der KĂŒnstlichen Intelligenz, die allen LĂ€ndern Zugang zu ihren Vorteilen gewĂ€hrleistet und ihre Nutzung entgegen dem Frieden und dem Völkerrecht verhindert.
Die heutigen und zukĂŒnftigen Generationen haben das Recht, in einer Welt in Frieden und Sicherheit zu leben, in der soziale Gerechtigkeit, die Achtung der kulturellen, ethnischen und religiösen Vielfalt sowie der demokratische Zugang zu Wissenschaft und Technologie vorherrschen.
Eine Welt, in der alle Menschenrechte fĂŒr alle ohne Politisierung und Doppelstandards auf der Grundlage der Zusammenarbeit und der Achtung des Rechts eines jeden Landes, sein politisches, wirtschaftliches und soziales System ohne Einmischung von auĂen zu wĂ€hlen, verwirklicht werden können. Eine Welt ohne grausame Blockaden und einseitige ZwangsmaĂnahmen, die gegen das Völkerrecht verstoĂen.
Nach sechs Jahrzehnten einer Wirtschaftsblockade, die in die Gesetze eines fremden Landes gegossen und immer wieder mit dem einzigen erklĂ€rten Ziel verschĂ€rft wurde, einen sozialen Aufstand zu provozieren, sieht sich Kuba heute mit einem neuen Akt imperialistischer Ăberheblichkeit konfrontiert, der gegen das Völkerrecht verstöĂt.
Wir kommen zu diesem Gipfel mit der Nachricht, dass ein neues Paket von ZwangsmaĂnahmen, die vollstĂ€ndig auf die wirtschaftliche Erstickung des Landes ausgerichtet ist, durch ein PrĂ€sidialmemorandum zu der historischen Blockade hinzukommt. In dem Dokument wird der alte imperiale Anspruch erhoben, dass es ihnen zusteht, zu bestimmen, wer und wie die Geschicke unserer Nation zu lenken hat. Und das alles im Namen der Demokratie!
Kein anderes Land musste sein Sozial- und Entwicklungsprojekt unter der langjÀhrigen, grausamen und systematischen Anwendung einer wirtschaftlichen, kommerziellen und finanziellen Blockade durch die mÀchtigste Macht der Geschichte aufbauen.
Diese Blockade ist ein Akt der Aggression, dessen offensive extraterritoriale Anwendung die SouverÀnitÀt aller Staaten verletzt. Sie ist in der Vergangenheit verankert, hat weder Sinn noch Rechtfertigung und muss beendet werden.
Im 21. Jahrhundert haben auch einseitige Listen und Zertifizierungen, die auf unbegrĂŒndeten Kriterien beruhen, wie die ungerechte und willkĂŒrliche Aufnahme Kubas in die Liste der Staaten, die angeblich Terrorismus unterstĂŒtzen, keinen Platz. Sie ziehen den Rest der Welt in Mitleidenschaft.
Die USA haben weder die moralische AutoritÀt noch ein internationales Mandat, Kuba oder irgendein anderes Land zu zertifizieren.
Um die gemeinsamen Herausforderungen zu bewĂ€ltigen, braucht die Menschheit keine Blockaden, keinen Ăberlegenheitswahn und keine Gier nach Herrschaft und Ausbeutung. Was die Menschheit zum Ăberleben dringend braucht, ist mehr Respekt vor unseren legitimen Unterschieden, mehr Dialog, Zusammenarbeit und Integration.
Es bedarf dringend eines festen und erneuerten Bekenntnisses zum Multilateralismus, um ein friedliches Zusammenleben zu gewĂ€hrleisten und eine nachhaltige, gerechte und inklusive Entwicklung fĂŒr alle Völker zu fördern. Es ist daher dringend notwendig, die BRICS zu fördern und zu stĂ€rken und es ehrt uns, Teil davon zu sein, etwas beizutragen und zu lernen.
In diesem Bestreben kann man immer auf Kuba zÀhlen!
Vielen Dank.
(Stenografische Fassung â PrĂ€sidentschaft der Republik)
Ăbersetzt aus dem Spanischen von Olga EspĂn.
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