Regierungen ohne Volk: Westeuropa driftet in den Autoritarismus


Von Gert Ewen Ungar

Polens Ministerpräsident Donald Tusk will angesichts des Wahlerfolgs seines politischen Gegners Karol Nawrocki bei den Präsidentschaftswahlen die Vertrauensfrage stellen. Geert Wilders lässt in den Niederlanden die Regierung platzen, weil er seinen migrationskritischen Kurs in der jetzigen Koalition nicht umsetzen kann. Damit geraten zwei weitere Länder der EU in turbulentes politisches Fahrwasser. Dass in Deutschland stabile Verhältnisse herrschen, ist eher Wunschtraum als Wirklichkeit. Bundeskanzler Friedrich Merz hat in der deutschen Bevölkerung ebenso wenig Rückhalt wie Emmanuel Macron in der französischen oder Keir Starmer bei den Briten. Merz erklärt das Wohl anderer Staaten zur Staatsräson und verspricht den Menschen dort bedingungslose Solidarität, den Deutschen verspricht er dagegen harte Einschnitte. Das wirkt einerseits wenig vertrauenerweckend, ist aber andererseits symptomatisch für den Zustand der westeuropäischen Demokratien. Es geht nicht mehr um Land und Leute, sondern um irgendetwas ganz anderes. Die Politik ist sich selbst entrückt.

Die Staaten der EU und die EU selbst setzen gegen den in Wahlen erklärten Willen der Bevölkerung eine Politik fort, die in der Bevölkerung keinen Rückhalt hat, schnüren vor Wahlen Gesetzespakete, die den eingeschlagenen Kurs für die Zeit nach den Wahlen festzurren sollen, sie brechen Wahlversprechen im ganz großen Stil, kurz, sie verkehren die Grundidee der Demokratie in ihr Gegenteil und führen sie so ad absurdum. Diese Grundidee lautet, dass der Wille des Volkes maßgeblichen Einfluss auf die Politik hat. In den Kernländern Westeuropas ist das klar erkennbar immer weniger der Fall. Den Regierungen sind der Wille und das Wohl des eigenen Volkes vollkommen schnurz, um es mal angemessen flapsig auszudrücken.

Wahlen werden als reines Ritual abgehalten. Der Wählerwille wird als Störung empfunden und soll aus dem politischen Prozess rausgehalten werden. Dass immer mehr Menschen das Gefühl haben, Deutschland und die EU würden in eine Art Diktatur abdriften, liegt daher schlicht und ergreifend daran, weil es so ist.

Die Bürger sind mit ihrem Gefühl auch nicht ganz allein. Vor allem die Führungskompetenzen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden auch von Vertretern des politischen Establishments kritisiert. Am 4. Juni veröffentlichte die Zeitschrift Politico ein Interview mit dem ehemaligen französischen Premierminister Michel Barnier, der vor einem Abrutschen der EU ins Autoritäre warnt. Der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton war bereits im vergangenen Herbst nach einem Zerwürfnis mit von der Leyen zurückgetreten. Er hatte der Kommissionspräsidentin eine "fragwürdige Regierungsführung" vorgeworfen. Dabei war der Franzose eigentlich auf Linie. Er ist maßgeblich für die repressive Digitalgesetzgebung der EU verantwortlich, mit der einer Zensur des Internets Tür und Tor geöffnet wurde.

Vor einem Abdriften der EU ins Autoritäre warnen auch immer mehr Politiker in den EU-Staaten, neben Viktor Orbán und Robert Fico auch die Opposition in Rumänien und Polen. Geframt werden sie in der Regel als rechts und nationalistisch, weil die EU sich selbst als linksliberales Friedensprojekt vermarktet. Schon allein das zeigt, wie verschroben die Selbstwahrnehmung inzwischen ist.

Von der Leyen steht dabei als Personalie für ein System der institutionalisierten Vetternwirtschaft und Korruption in Westeuropa. Versager im Amt werden nicht ins Abseits gestellt, wo sie keinen weiteren Schaden anrichten können, sondern wegbefördert. Von der Leyen ist das Paradebeispiel einer Versagerin im Amt. Sie hat keinerlei Erfolge vorzuweisen, ihre politische Karriere ist gespickt mit Skandalen – und nach jedem Skandal fiel sie die Karriereleiter ein paar Stufen hinauf. Sie hat es trotz des Fehlens jeglicher Qualifikation auf den höchsten Posten geschafft, den die EU zu bieten hat. Der Fehler liegt im System.

Von der Leyens politische Strategie ist es, am einmal eingeschlagenen Kurs mit aller Kraft festzuhalten. Bloß nicht reflektieren, bloß nicht analysieren, bloß nicht korrigieren. Sie ist zur politischen Vision ebenso unfähig, wie sie nicht in der Lage ist, die Folgen ihrer Politik für die EU und ihre Bürger angemessen abzuwägen.

Von der Leyen hat sich abgeschottet und mit Speichellecker und Ja-Sagern umgeben. Fachliche Qualität hat bei der Zusammensetzung der aktuellen Kommission kaum eine Rolle gespielt. Bestes Beispiel: die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Ihr Markenzeichen ist das völlige Fehlen jeglichen Talents zur Diplomatie. Dennoch bekam sie den Posten der europäischen Chefdiplomatin. Sie bekam sogar genau deshalb, weil sie dafür völlig ungeeignet ist. Sie kläfft in Richtung Russland, mehr kann sie nicht, mehr soll sie auch gar nicht können. Die Zukunft gestaltet man mit solchen Personalien natürlich nicht.

Dieses System aus Abschottung, fehlender Kompetenz und Ignoranz macht die EU instabil, denn es verhindert adäquate Reaktionen. Als von der Leyen in den Landesfarben der Ukraine gekleidet verkündete, Russland sei aufgrund der Sanktionen in Schwierigkeiten und müsse Halbleiter aus Waschmaschinen und Kühlschränken ausbauen, um militärisches Gerät zu reparieren, war das von einer Komik mit sehr tragischem Beigeschmack, denn von der Leyen glaubt den Unsinn selbst, den sie erzählt.

Sie glaubt ihn vermutlich sogar heute noch. Weil die Fähigkeit zur Analyse und zur Fehlerkorrektur fehlt, wird jetzt das 18. Sanktionspaket ausgearbeitet. Weil der Öpreisdeckel nicht funktionierte, wird er jetzt abgesenkt, weil der russische Markt nicht zusammenbrach, wird jetzt auch noch der letzte Kleinkram sanktioniert. Mit den Begriffen der Rationalität und Vernunft ist das Handeln der EU längst nicht mehr zu erklären. Es ist Wahnsinn im pathologischen Sinne. Mit dem 18. Sanktionspaket soll das erreicht werden, was die vorausgegangenen 17 Pakete nicht schafften: Russland wirtschaftlich zu ruinieren. Welchen Zweck hatten dann die vorausgegangenen 17 Pakete?

Das, was auf Brüssel zutrifft, gilt natürlich auch für Berlin. Auch dort hält man gegen jede Vernunft und gegen den Willen des Wählers am einmal eingeschlagenen Kurs fest und wiederholt alle historisch gemachten Fehler: Militarisierung und Aufrüstung für den Krieg gegen Russland. Auch dieser Wahnsinn hat Methode.

Aber, und das ist die gute Nachricht, im Gegensatz zu 1914 und 1939 ist die Stimmung in der deutschen Gesellschaft heute eine andere. Während die Regierungen in den westeuropäischen Hauptstädten, in Berlin, Paris, London und Brüssel, sich für einen großen Krieg bereitmachen, haben sie dafür dieses Mal in den eigenen Gesellschaften keinen Rückhalt. Sie werden ohne Volk in den Krieg ziehen müssen. Denn während die politischen Eliten aus den Ereignissen des 20. Jahrhunderts offensichtlich nichts gelernt haben und daher bereit sind, die Fehler wie im wahnhaften Zwang zu wiederholen, hat man in den westeuropäischen Gesellschaften die Lektion des 20. Jahrhunderts sehr wohl verstanden. Jetzt braucht es nur noch die zu dieser Erkenntnis passenden Regierungen. Daran müssen die westeuropäischen Gesellschaften arbeiten.

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