Europa: Immer mehr Befürworter von russischem Gas


Von Olga Samofalowa

Frankreich und Belgien lehnen den Vorschlag der Europäischen Kommission ab, die Einfuhr von Flüssigerdgas (LNG) aus Russland bis zum Jahr 2027 zu verbieten. Dies berichtet Politico. Russisches LNG wird über vier Länder – Frankreich, Belgien, Spanien und die Niederlande – nach Europa eingeführt. Spanien und die Niederlande unterstützen ihrerseits den Plan der Europäischen Kommission (EK), russisches Gas schrittweise in zwei Jahren aus dem Verkehr zu ziehen. Die Europäische Kommission wird sich im Juni mit dieser Frage befassen.

Dennoch fordern viele Politiker und Industrievertreter angesichts hoher Energierechnungen und wirtschaftlicher Probleme Europa zur Rückkehr zu russischer Energie auf, sobald der Ukraine-Konflikt beendet ist.

Warum also stellen sich Belgien und Frankreich plötzlich auf die Seite des russischen Gases?

Igor Juschkow, Experte der Finanzuniversität der russischen Regierung und des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit, meint dazu:

"Die Position Belgiens ist vernünftig: Das Land verliert Geld. Belgien hat bereits Verluste erlitten, weil es der Möglichkeit beraubt wurde, mit dem Umschlag von russischem LNG Geld zu verdienen. Früher hatte Nowatek einen langfristigen Pachtvertrag für ein Terminal- und Speichersystem im belgischen Hafen Zeebrugge, der als Umschlagplatz für russisches LNG diente. Als das Jamal-LNG-Projekt anlief, kamen die Arctic-7-Eistanker dorthin, luden LNG ab und kehrten für eine neue Charge nach Jamal zurück. In Zeebrugge wurde unser LNG auf Tankschiffe umgeladen, die nicht zur Eisklasse gehörten und weltweit verkehrten, unter anderem nach Asien oder auf andere europäische Märkte. Nun ist ein solcher Umschlag von Gas in europäischen Häfen verboten, sodass Belgien bereits Geld verloren hat."

Dieses Umladen ist notwendig, weil es nur eine begrenzte Anzahl von Eistankern gibt, während konventionelle Gastanker viel zahlreicher sind. Derzeit werden Eistanker in den Gewässern des Gebiets Murmansk umgeladen, während konventionelle Tanker mit russischem Flüssiggas für den Inlandsverbrauch in Belgien und anderen europäischen Häfen ankommen.

Belgien verdiene Geld mit der Annahme von russischem Gas, mit der Regasifizierung (Umwandlung von flüssigem in den gasförmigen Zustand) und mit dem Durchpumpen von Gas durch sein Hoheitsgebiet in Drittländer, vor allem nach Deutschland, so Juschkow. Der Experte führt weiter aus:

"Es ist kein Zufall, dass Belgien in der deutschen Statistik zu einem wichtigen Gaslieferanten geworden ist, obwohl es gar kein Gas produziert. Die Deutschen verbrauchen weiterhin russisches Gas, obwohl sie das Gegenteil behaupten."

Aber früher erhielt Deutschland Pipeline-Gas aus Russland, jetzt erhält es LNG.

Frankreich hat sogar noch mehr Gründe, Russlands Jamal-LNG-Projekt nicht zu schaden. Denn nur im Rahmen dieses Projekts erhalten die europäischen Länder jetzt unser LNG. Der Experte erklärt:

"Erstens verbraucht Frankreich selbst russisches LNG, pumpt es tief nach Europa und bekommt auch noch Geld für all diese Vorgänge. Zweitens hat es immer noch ein starkes Unternehmensinteresse. Die französische Total Energy hält 20 Prozent am Jamal LNG-Projekt und weitere 19,4 Prozent der Aktien von Nowatek, dem Hauptaktionär von Jamal LNG. Für Total ist es nicht vorteilhaft, die Position seines Vermögenswertes zu verschlechtern. Auch wenn das Unternehmen jetzt keine Dividenden aus seinen Vermögenswerten bezieht, so hofft es doch, diese in der Zukunft zurückzuerhalten."

Schließlich wisse Frankreich sehr wohl, wie die Lage in Wirklichkeit sei und wer unter dieser EK-Initiative zu leiden habe: Europa versetze seiner eigenen Wirtschaft einen Schlag, während der russische Haushalt nicht darunter leiden werde, fügt Juschkow hinzu. Er unterstreicht:

"Es ist so, dass es in Russland keine Ausfuhrzölle auf LNG gibt. Jamal LNG, der einzige LNG-Lieferant für Europa, erhielt bei seiner Inbetriebnahme für zwölf Jahre einen Nullsatz für die Mineralgewinnung auf Gas und Gaskondensat. Die Anlage wird erst nach 5–6 Jahren Steuern zahlen. Alle Steuern sind entweder null oder reduziert. Daher macht es für den Staat absolut keinen Unterschied, ob die Europäer LNG kaufen oder nicht. Unser Haushalt wird überhaupt nicht darunter leiden. Was ist dann der Sinn dieser Verbote?"

Im Gegenteil, Europa wird darunter leiden, weil Russland nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte LNG-Lieferant auf dem Markt ist. Die Ablehnung von russischem Gas werde sofort zu einem Defizit und dementsprechend zu einem Preisanstieg auf dem gesamten europäischen Markt führen, so der Experte.

Was Spanien und die Niederlande betrifft, die ebenfalls Geld mit russischem LNG verdienen, aber dennoch die Idee der Europäischen Kommission für ein vollständiges Verbot unterstützen, so überwiegen in diesem Fall politische Erwägungen gegenüber den wirtschaftlichen. Juschkow argumentiert:

"Die Europäische Kommission spricht davon, nicht nur russisches Gas zu verbieten, sondern auch jegliche Zusammenarbeit im Energiesektor, einschließlich Öllieferungen über Druschba, was Ungarn 2022 verhindert hat, und den Kauf von russischem Kernbrennstoff. Dies wird auf EU-Ebene nur sehr schwer zu genehmigen sein, weshalb die Europäische Kommission kein Sanktionspaket, sondern eine Roadmap vorbereitet, über die mit einfacher Mehrheit abgestimmt werden soll. Auf diese Weise will Brüssel die Vetorechte Ungarns, der Slowakei und anderer Länder überwinden. Mit anderen Worten: Die EK versucht, ihre eigenen Gesetze zu umgehen."

Als es um Öl ging, legte Ungarn sein Veto gegen einen Entwurf für Sanktionen ein, die Öllieferungen auf allen Wegen verbieten sollten. Ungarn gelang es, das Recht zu verteidigen, russisches Öl über Rohrleitungen zu erhalten, nur der Seetransport wurde gesperrt. Das gleiche Ergebnis könnte auch bei Gas eintreten, da Ungarn über die TurkStream-Pipeline Gas aus Russland bezieht. Aus Angst vor einem solchen Ergebnis änderte die EK ihre Taktik.

Es ist schwer vorherzusagen, ob diese Idee scheitern oder per Gesetz genehmigt werden wird. Verschiedene Optionen sind möglich. Igor Juschkow fasst zusammen:

"Wenn der militärische Konflikt in der Ukraine endet, könnte es zu einer vernünftigen Revolution in Europa und einer Rückkehr zu russischen Energieressourcen kommen. Wir sehen, dass die Opposition in vielen Ländern, auch in Deutschland, an Schwung gewinnt. Die AfD wird zur beliebtesten Partei in Deutschland, gerade weil sie eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland fordert, um den Wohlstand zu steigern. Die Bürger sind besorgt, dass es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen selbst. Wenn es den politischen Willen geben sollte, steht Europa nichts im Wege, um den verbleibenden Strang von Nord Stream 2, die Jamal-Europa-Pipeline durch Polen und schließlich den Transit durch die Ukraine wieder in Betrieb zu nehmen."

Sollte die EK jedoch das gesamte russische Gas verbannen, könnte irgendwo in der Türkei eine Verkaufsplattform entstehen, auf der Erdgas des türkischen Unternehmens Botas verkauft werde, das plötzlich zusätzlich so viel Gas finde, wie derzeit über TurkStream aus Russland komme. Das vermutet Alexander Frolow, der stellvertretende Generaldirektor des Nationalen Energieinstituts und Chefredakteur des Branchenmediums InfoTEK. Seiner Meinung nach sei es kein Zufall, dass seit 2022 die Lieferungen von Erdölprodukten, insbesondere von Dieselkraftstoff, aus der Türkei nach Europa zugenommen hätten, während gleichzeitig die türkischen Käufe von Dieselkraftstoff aus Russland zugenommen hätten. Frolow ist der Ansicht:

"Es könnte sich herausstellen, dass einfach die Zahl der Zwischenhändler bei der Lieferung von russischem Gas leicht zunehmen wird. Wenn das Verbot für russisches Gas angenommen wird, ist dies das günstigste Ergebnis für die Käufer von russischem Gas selbst."

Ihm zufolge könnte bis zum Jahr 2027 etwas Ähnliches wie der türkische Hub entstehen und nach 2027 am gefragtesten werden. Alexander Frolow erklärt abschließend:

"Die Behauptung Europas, die Gasnachfrage sei aufgrund der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zurückgegangen, ist Unsinn. Der einzige Grund, warum die Nachfrage nach russischem Gas zurückgegangen ist, ist der wirtschaftliche Abschwung in der Europäischen Union, der zu einem Rückgang der Nachfrage nach allen Energieträgern geführt hat. Aber aus politischen Gründen ist nur die Nachfrage nach russischem Gas zurückgegangen. Auf der Grundlage der Daten für 2024 ist die Nachfrage im Vergleich zu 2021 um 80–85 Milliarden Kubikmeter gesunken."

Aber sobald sich die Wirtschaft erholt, wird der Bedarf wieder steigen, und die EU wird Wege finden müssen, ihn auf Umwegen zu decken, wenn das Verbot von Lieferungen aus Russland in Kraft tritt.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 5. Juni 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung "Wsgljad" erschienen.

Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.

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