Die EU gegen die Demokratie in RumÀnien: Rollatorputsch auf Speed


Von Dagmar Henn

Der deutsche Rollatorputsch ist ein Skandal, mit seiner Kreuzung aus weit ĂŒberzogenem Agieren der Staatsmacht und VerdĂ€chtigen weit jenseits der Pensionsgrenze? Aber es geht noch besser. Vor wenigen Tagen fĂŒhrten die rumĂ€nischen Sicherheitsbehörden eine Hausdurchsuchung bei einem ehemaligen General, Radu Theodoru, durch, wegen Umsturzversuchs – bei einem VerdĂ€chtigen im zarten Alter von 101 Jahren.

Dahinter steckt natĂŒrlich die Auseinandersetzung um den unwillkommenen PrĂ€sidentschaftskandidaten Călin Georgescu; die Anklage gegen Georgescu, die ihn an Medienkontakten und Wahlkampf hindern soll, beruht auf dem Vorwurf gegen Theodoru und dessen "Mitverschwörer". Klar ist, Georgescu ist der EU ein Dorn im Auge, ebenso wie der NATO, also beiden unseligen BrĂŒsseler Zwillingen. Heute hat er seine Kandidatur zum zweiten Anlauf der PrĂ€sidentschaftswahlen eingereicht, nachdem der erste aufgrund des fadenscheinigen Vorwurfs russischer Einflussnahme fĂŒr ungĂŒltig erklĂ€rt wurde.

Die Manöver in RumĂ€nien haben Unwillen bei der neuen US-Regierung unter Donald Trump hervorgerufen; sein VizeprĂ€sident J.D. Vance hatte RumĂ€nien in seiner Rede auf der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz als Beispiel angefĂŒhrt, wie wenig Respekt man in der EU der Demokratie entgegenbringe. Nach Meldung des rumĂ€nischen Portals Active News soll Tulsi Gabbard, die neue Geheimdienstkoordinatorin der Vereinigten Staaten, die damit die Kontrolle ĂŒber die gesamte Buchstabensuppe (mit Ausnahme des FBI) erhalten hat, in den nĂ€chsten Tagen nach Europa reisen – unter anderem, um sich genauer ĂŒber die VerhĂ€ltnisse in RumĂ€nien zu informieren. Gabbard, langjĂ€hrige Friedensaktivistin und von der Biden-Regierung sogar auf die TerrorĂŒberwachungsliste der Fluggesellschaften gesetzt, ist nicht wirklich leicht einzuschĂŒchtern und schon rein menschlich ein anderes Kaliber als das ĂŒbliche EU-Personal.

Der EuropĂ€ische Gerichtshof fĂŒr Menschenrechte hat ĂŒbrigens gerade erst die Klage Georgescus gegen die Annullierung der rumĂ€nischen PrĂ€sidentschaftswahl zurĂŒckgewiesen. Der zentrale Punkt der BegrĂŒndung: Der Anspruch bezogen auf Artikel 3 des Zusatzprotokolls der EuropĂ€ischen Menschenrechtskonvention, "freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewĂ€hrleisten", treffe nicht zu, weil das Amt des PrĂ€sidenten nach der rumĂ€nischen Verfassung nicht Teil der Legislative sei. Eine Kandidatur fĂŒr ein PrĂ€sidentenamt falle auch nicht unter die Menschenrechte.

Nun, unschuldig war die Annullierung keinesfalls. Nicht nur, weil lĂ€ngst erwiesen ist, dass die TikTok-Videos, die die angebliche russische Einflussnahme sein sollten, von der Partei des damals noch amtierenden PrĂ€sidenten Klaus Ioannis finanziert wurden. Auch, weil das rumĂ€nische Gericht zuerst die Wahl als gĂŒltig anerkannt hatte, und die Wahrscheinlichkeit der Einflussnahme aus BrĂŒssel hoch ist. Der russische Auslandsgeheimdienst SWR machte seine Sicht dieser VorgĂ€nge sogar öffentlich, ein vergleichsweise rarer Vorgang:

"Die PrĂ€sidentin der EuropĂ€ischen Kommission Ursula von der Leyen, die eine SchlĂŒsselrolle bei der Anerkennung der Ergebnisse der ersten Runde der PrĂ€sidentschaftswahlen in RumĂ€nien als ungĂŒltig spielte, forderte die derzeitigen Behörden in Bukarest auf, Georgescu von der Teilnahme an der zweiten Runde im Mai auszuschließen. Sie warnte, dass die EuropĂ€ische Union den Zugang zu ihren Finanzmitteln fĂŒr RumĂ€nien einschrĂ€nken werde, sollte dieser Vertreter der 'systemfremden KrĂ€fte' seinen Wahlkampf fortsetzen."

Von der Leyen weist diese VorwĂŒrfe selbstverstĂ€ndlich weit von sich. Allerdings ist da auch die Aussage des ehemaligen EU-Kommissars Thierry Breton, der letzten Sommer versuchte, die Verbreitung des GesprĂ€chs zwischen Elon Musk und dem damaligen PrĂ€sidentschaftskandidaten Donald Trump in der EU zu verhindern, und der vor den deutschen Wahlen erklĂ€rte, das, was man mit RumĂ€nien gemacht habe, könne bei Bedarf auch in Deutschland passieren.

Und da ist noch ein aktueller Artikel der Financial Times, die Georgescu einen sehr langen Text widmet. In dem gleich die Behauptung gestreut wird, ebendiese Aussage des SWR sei geradezu ein Beleg dafĂŒr, dass Georgescu in russischen Diensten stehe. Die ganze Geschichte ist so abenteuerlich, wie man das von derartigen VorwĂŒrfen in der EU mittlerweile gewohnt ist.

Georgescu, der im Jahr 1989 ganze 27 Jahre alt war und gerade mal sein Studium beendet hatte, habe mit dem rumĂ€nischen Sicherheitsdienst Securitate in Verbindung gestanden, weil er laut seines Lebenslaufs in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten auf seine Promotion hingearbeitet habe, und das sei nur mit Einwilligung der Securitate möglich gewesen. Allerdings liegen zwischen seinem Studienabschluss 1986 und seiner Promotion 1999 auch in dem Lebenslauf, den die FT anfĂŒhrt, doch einige Jahre mehr, und nirgends steht, dass er vor 1989 ins Ausland gegangen ist. Ganz anders sieht das ĂŒbrigens bei der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus, die immerhin zu DDR-Zeiten in Moskau studierte; aber sie hat durch ihr spĂ€teres politisches Handeln schließlich belegt, eher in der US-Buchstabensuppe zu schwimmen.

Nach dem Jahr 2000 arbeitete Georgescu fĂŒr rumĂ€nische, aber auch fĂŒr internationale Organisationen, darunter die UNO. Die Querverbindung, die dann noch gezogen wird, von dem reichlich dĂŒnnen Securitate-Verdacht zum sowjetischen KGB, ist noch absurder. Dass die Beziehungen zwischen RumĂ€nien und der Sowjetunion nicht einfach waren, obwohl RumĂ€nien Teil des Warschauer Vertrags war, weiß sogar ich – dazu waren in der Peking Rundschau vor fĂŒnfzig Jahren einfach zu viele lobende Artikel ĂŒber RumĂ€nien. Ceaușescu liebĂ€ugelte gern mit Peking. Was zumindest nahelegt, dass die Verbindungen zwischen Securitate und KGB Ă€hnlich kompliziert waren. Wie dann ausgerechnet jemand, der gerade mal sein Studium fertig hat, gewissermaßen das Erbe der ganzen 1989 zerfallenen Struktur angetreten haben soll, bleibt das Geheimnis der Financial Times – oder ihrer BrĂŒsseler Stichwortgeber.

Der EU-freundliche PrĂ€sidentschaftskandidat Crin Antonescu arbeitet jedenfalls mit diesem Konstrukt. "Er ist ein Geist der ehemaligen Securitate, er folgt dem Diskurs der Securitate, er hat vermutlich die UnterstĂŒtzung der alten Securitate", zitiert ihn die FT. Die vierzig Prozent, die Meinungsumfragen Georgescu zuschreiben, sollen also alle auf den Einfluss einer Handvoll alter MĂ€nner zurĂŒckgehen, die noch dazu den ganzen EU-finanzierten Apparat gegen sich haben?

Außerdem soll sich Georgescu mit Alexander Dugin getroffen haben. Das ist wohl ein Mahl mit dem Teufel persönlich. Diese SĂ€tze sind so hĂŒbsch, die kann man nicht vorenthalten:

"Georgescu hat abgestritten, von irgendwelcher Hilfe aus Moskau zu profitieren. Aber er gab zu, Dugin zu kennen und getroffen zu haben, der schon lange vor Moskaus vollstĂ€ndiger Invasion 2022 dafĂŒr eintrat, Russland solle die Ukraine angreifen."

Klar, in der Sprachregelung der FT ist das eine ganz bizarre Forderung. TatsĂ€chlich war es bei weitem nicht nur Dugin, der der russischen Regierung vorwarf, nicht genug zum Schutz des Donbass zu unternehmen, der seit 2014 unter dem Beschuss der ukrainischen Armee leben musste. Insofern hĂ€tte es zumindest in Russland genug andere gegeben, die eine Ă€hnliche Position vertraten. Könnte auch sein, Georgescu hat mit Dugin gar nicht ĂŒber den Donbass geredet, sondern ĂŒber deutsche Philosophen. Egal. Ein Mahl mit dem Teufel.

Um auf die oben erwĂ€hnten Aussagen zu BrĂŒssel zurĂŒckzukommen, der spannendste wie bedrohlichste Absatz des ganzen Artikels ist dieser hier:

"Trotz Drucks sowohl seitens der USA und Russlands scheint Bukarest entschlossen, den 62-jĂ€hrigen 'SouverĂ€nisten' von der Wahlteilnahme abzuhalten. Zwei Personen, die mit der Materie vertraut sind, sagten der Financial Times, Georgescus Kandidatur fĂŒr das PrĂ€sidentenamt werde wahrscheinlich gestrichen, wegen der strafrechtlichen Untersuchung."

Es sind also nicht nur der SWR und Ex-Kommissar Breton, die auf finstere Machenschaften im Hintergrund deuten, sondern auch die FT selbst. Und die EU-BĂŒrokratie war auch sonst nicht untĂ€tig – RumĂ€nien bekam passend zum Wahlkampf ein neues Zensurrecht, nach dem das "Teilen polarisierender Inhalte" oder das "Teilen von Verschwörungstheorien, emotionalen Appellen, Clickbait-Nachrichten und falsche/irrefĂŒhrende Information" zensiert werden können. "Es wird mindestens zehn Institutionen mit zahllosen BĂŒros und Ermittlern im Netz geben, mit NGOs und Freiwilligen, E-Mail-Adressen, auf denen man melden kann, mit mehr Soldaten, Inspektoren, Experten, Spezialisten, RechtsanwĂ€lten, die die Entscheidung treffen, dass ein Artikel entfernt werden muss. 
 Die Anti-EU muss geschlossen werden", kommentierte der Nachrichtenchef des Portals Active News, Cornel Nistorescu.

Aber zurĂŒck zum rumĂ€nischen Rollatorputsch, der immerhin dazu dienen soll, Georgescu von der Teilnahme an der Wahl auszuschließen. Der rumĂ€nische Verteidigungsminister hat sich öffentlich dafĂŒr entschuldigt, dem alten General im Januar zum 101. Geburtstag gratuliert zu haben, und dann auch noch zugesichert, dass derartige IrrtĂŒmer zukĂŒnftig nicht mehr vorkommen.

Der jugendliche Luftwaffengeneral soll mit Russland ĂŒber einen Austritt aus der NATO verhandelt haben; seinem Umfeld wird vorgeworfen, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen mit Russland, China und Iran aufnehmen zu wollen. Thedoru hatte vor drei Jahren zusammen mit anderen pensionierten MilitĂ€rs und einem engen Mitarbeiter Georgescus – darĂŒber wird die Verbindung hergestellt – einen offenen Brief an den damaligen PrĂ€sidenten Klaus Ioannis und Premierminister Florin CĂźÈ›u geschrieben, in dem ihnen vorgeworfen wurde, "gegen die nationalen Interessen" zu handeln. Was, wenn man beispielsweise weiß, wie erbarmungslos rumĂ€nische WĂ€lder abgeholzt werden, oder dass die NATO ihren grĂ¶ĂŸten StĂŒtzpunkt in RumĂ€nien errichtet, mit keinem anderen Ziel, als RumĂ€nien ins Feuer zu werfen, wenn die Ukraine aufgebraucht ist, durchaus eine handfeste Grundlage haben könnte. Schließlich funktioniert auch das ganze Spiel mit Moldawien nur, solange RumĂ€nien fest unter Kontrolle ist.

Theodoru ist zudem noch hĂ€ufiger GesprĂ€chspartner bei Sputnik und war Gast in der russischen Botschaft. Ein beachtliches Pensum fĂŒr einen HundertjĂ€hrigen. Auch der Hauptvorwurf gegen zwei Mitangeklagte lautet, sie hĂ€tten zweimal die russische Botschaft aufgesucht. Einer von ihnen kommentierte das nach der VorfĂŒhrung vor Gericht so: "Nur weil man einem russischen Diplomaten die Hand schĂŒttelt, heißt das nicht, dass man Regierungen stĂŒrzt." Überhaupt hĂ€tten sie Theodoru nur begleitet.

Der ganze Umsturzvorwurf, der auch gegen Georgescu erhoben wird, wird zwar groß aufgebauscht, aber mehr als das ist da nicht. Bezogen auf Georgescu ist er noch besonders unsinnig – warum sollte jemand, der ganz direkt Wahlen gewinnen kann, auf einen Umsturz hinarbeiten? Mit mindestens 40 Prozent hat man das einfach nicht nötig.

Was allerdings am meisten verblĂŒfft, ist das ungeheure politische Geschick der BrĂŒsseler Spitzen, das sich hier wieder einmal zeigt. Denn es mag ja problemlos funktionieren, einen Kandidaten mit zwei, drei oder vielleicht sogar zehn Prozent mit faulen Tricks zu blockieren. Aber bei zwanzig wird es eng. Bei vierzig? Wehe, die Stimmen verteilen sich auch noch auf geografisch klar erkennbare Regionen. Dann ist das ein erstklassiges Rezept zu einem BĂŒrgerkrieg; in dem man es dann nicht mehr mit 101-jĂ€hrigen GenerĂ€len zu tun hĂ€tte.

Es ist die klassische Hybris, die sich da in der belgischen Hauptstadt ballt. Denn nĂŒchtern gesprochen wĂ€re, so es denn um das Hauptziel dieses NATO-StĂŒtzpunkts ginge, Kompromiss angesagt. Die Wahlen laufen lassen, und dann vielleicht um die EU-Subventionen verhandeln. Aber einen weit vorne liegenden Kandidaten aus dem Rennen zu nehmen ist nicht nur völlig undemokratisch (das ist man von der EU inzwischen ja gewöhnt), sondern noch dazu machtpolitisch extrem dumm. Besonders gut kommt das, nebenbei, wenn gleichzeitig im Nachbarland Bulgarien große Proteste gegen die EinfĂŒhrung des Euros stattfinden, und schließlich in Griechenland ebenfalls gerade der Volkszorn hochkocht, mit Generalstreik und gewaltigen Demonstrationen. Als wolle man die gesamte SĂŒdostflanke der EU in Brand setzen.

In den AnfĂ€ngen, als der ganze BrĂŒsseler Laden noch EuropĂ€ische Wirtschaftsgemeinschaft hieß, brauchte es viel und geschickte Diplomatie, schon allein, um Deutschland und Frankreich unter einen Hut zu bringen. Da war der bestĂ€ndige Kompromiss die Tagesordnung. Aber das, was dann zur EU wurde, hat lĂ€ngst vergessen, wie Kompromisse funktionieren, hat die Diplomatie in den Giftschrank gesperrt und ergeht sich darin, alles zum Feind, wenn nicht gleich zum russischen Agenten zu erklĂ€ren, was nicht vollstĂ€ndig gehorcht. Egal, auf welche Vorstellung von kluger Herrschaft man zurĂŒckgreifen will, Sunzi, Machiavelli oder Rousseau, damit hat das nichts zu tun. FĂŒr den Rest Westeuropas kann das Vorgehen in RumĂ€nien nur eine deutliche Warnung sein.

Mehr zum Thema - In RumÀnien erklimmt die EU-"Demokratie" ganz neue Höhen


de.rt.com/meinung/238938-eu-ge


Diese Webseite verwendet Cookies zur Erkennung von wiederkehrenden Besuchern und eingeloggten Nutzern. Durch die weitere Benutzung der Webseite akzeptierst du die Verwendung der Cookies.

⇧