Kanonen für die Konjunktur? – Eine Lüge der Kapitallobby
Von Susan Bonath
Wann immer schneller Profit winkt, wirft die Wirtschaftslobby ihre PR-Maschine im Turbomodus an. Die geplanten Rüstungsschulden in zwölfstelliger Höhe seien gut für die Konjunktur, lautet eine dieser Lügen, die sie verbreitet. Das Versprechen auf auskömmliche Jobs schwingt mit, um die Massen bei der Stange zu halten. Eine Datenanalyse der Informationsstelle Militarisierung (IMI) widerlegt das allerdings: Höhere Rüstungsausgaben führten demnach langfristig stets zum Gegenteil: Die Wirtschaft schrumpfte.
Lobby wirbt fürs Aufrüsten
Das Münchner ifo Institut wartete zu Wochenbeginn mit "neuen Berechnungen" auf. Danach sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal des vergangenen Jahres in fünf Bundesländern gewachsen – entgegen dem sonstigen negativen Trend in Deutschland. Grund sei vor allem, so der Think-Tank, die dort beheimatete boomende Rüstungsindustrie.
Im Detail heißt es, die Wirtschaftsleistung sei in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen zwischen 0,8 und 1,4 Prozent gestiegen und in Hamburg stabil geblieben. Die zentrale Ursache dafür sei "der Aufschwung in der Rüstungsindustrie", behauptete der Ifo-Forscher Robert Lehmann. Alle anderen Bundesländer verzeichneten demzufolge einen Rückgang um 0,3 bis 1,8 Prozent.
Noch eindringlicher trommelte in den letzten Wochen das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Mitte Februar versprach es "Wachstum" durch "Waffen". Wenig später warb es für die (inzwischen beschlossene) Lockerung der Schuldenbremse und Milliardenkredite für die Aufrüstung Deutschlands.
Das IfW ließ durchaus "die Katze aus dem Sack": "Die höhere Schuldenlast könnte dann durch höhere Steuereinnahmen und Reformen bei den Sozialtransfers und Subventionen finanziert werden". Dennoch habe das Institut "berechnet", "dass Verteidigungsausgaben innovations- und wachstumsfördernd wirken". Und Mitte März legte der Think-Tank nochmals nach: Solch ein gigantisches Rüstungspaket "würde die Konjunktur kräftig anschieben".
Kurzer Aufschwung, langfristige Krise
All die Behauptungen und implizierten Wohlstandsversprechen der Kapitallobby sind bloße Augenwischerei. Das belegt der Verein IMI, der sich für Frieden engagiert, mit Daten, die er in seiner neuen Studie ausgewertet hat. Natürlich gehe das BIP zunächst nach oben, "wenn kurzfristig über Schulden riesige Beträge in irgendeinen Bereich der Wirtschaft gekübelt werden", heißt es darin. Doch das sei nur von kurzer Dauer und verkehre sich rasch wieder ins Gegenteil.
IMI zitiert dazu aus einer Studie über Deutschland, Italien und Spanien. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass "für alle Länder nicht-militärische öffentliche Ausgaben einen positiveren Effekt auf Wirtschaft und Beschäftigung haben, als Ausgaben für Waffenkäufe".
Eine breiter angelegte Untersuchung von 2017 überblickte einen längeren Zeitraum. Demnach führt eine einprozentige Erhöhung der Militärausgaben binnen 20 Jahren zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums von durchschnittlich neun Prozent – je wohlhabender ein Land ist, desto größer sei der folgende Einbruch.
Selbst manche Wirtschaftsliberale halten die Argumente der Lobbyinstitute für Unfug. In einem Aufsatz schrieben die Rüstungshardliner Christian Mölling und Torben Schütz im September: Die Behauptung, Rüstungsmilliarden könnten eine gute Konjunkturspritze sein, sei zwar "gut gemeint, aber trotzdem falsch".Rüstung sei vielmehr "eine vergleichsweise schlechte Investition, wenn es um die Förderung der Volkswirtschaft geht". Geld für Bildung und Infrastruktur hätte "viel höhere Effekte".
Falsches Wohlstandsversprechen
Auch wenn Mölling und Schütz am Ende wie erwartet, trotz der Negativeffekte, eine vermeintliche Bedrohung für Deutschlands Sicherheit heraufbeschwören und für das Aufrüsten werben: Ihre Schlussfolgerung, wonach Militärinvestitionen kein geeigneter Motor für ein konstantes BIP-Wachstum seien und langfristig eher das Gegenteil bewirke, leuchtet ein.
Denn erstens profitieren längst nicht nur steuerzahlende deutsche Konzerne von staatlichen Rüstungskäufen. Für einen Teil der Profite auf Kosten der Staatsverschuldung fließt also nicht einmal etwas in die Haushaltskasse in Form von Steuern zurück. Zweitens wird die Anzahl neuer Arbeitsplätze, die eine Hochtechnologiebranche heute selbst beim größten Boom noch schaffen würde, gern überschätzt.
Drittens muss der Staat die Kredite samt Zinsen letztlich doch aus dem Bundeshaushalt bedienen. Allein aus Steuern wird das nicht gelingen – erinnert sei hier auch an geschätzte 100 bis 150 Milliarden Euro, die dem deutschen Staat jährlich allein durch Steuerhinterziehung durch die Lappen gehen. Die meist sehr reichen Großbetrüger werden noch immer nur mangelhaft verfolgt – im Gegensatz zu kleinen Sozialbetrügern.
Mehr Jobs für Kriegsrenditen?
Die Folgen sind bekannt und erwartbar. Der Staat wird weiter sparen: bei den Sozialleistungen, der Rente und am Gesundheitswesen beispielsweise. Er wird noch weniger als ohnehin schon investieren in Krankenhäuser, die Bahn, den Bau bezahlbarer Wohnungen und auch in die Ausbildung benötigter Fachkräfte – die Lücken zwischen Bedarf und Angebot werden weiter wachsen.
Das erodiert den Arbeitsmarkt und verschärft die Konkurrenz zwischen Lohnabhängigen, senkt den Lebensstandstandard der Bevölkerung und ihre Kaufkraft, was die Binnenwirtschaft weiter schwächt, mehr mittelständische Betriebe in die Pleite treibt, für noch mehr Erwerbslose sorgt, die Armut und sozialen Verwerfungen verschlimmert und so weiter.
Hinzu kommt, dass Deutschland seit langem auf Exportüberschüsse statt Entwicklung seines eigenen Binnenmarktes setzt. Salopp gesagt: Es interessierte die Herrschenden und Regierenden nie besonders, ob sich die ärmeren zwei Drittel die im eigenen Land hergestellten Produkte auch leisten können.
Schließlich bleibt festzuhalten: Aufrüstung verbessert nicht das Gemeinwesen und vergrößert nicht den Wohlstand der Bevölkerung, sondern sorgt schlicht für mehr Kriegsgerät. Das kann bekanntlich niemand essen. Im besten Fall bleibt es ungenutzt, im schlimmsten Fall sorgt es für Zerstörung und Tod.
In jedem Fall beschränkt sich der teuer erkaufte "Vorteil" für die Massen am Ende auf ein paar hundert oder tausend zusätzliche Arbeitsplätze (die anderswo wieder verloren gehen), um den Konzernen und Vermögensverwaltern die Kriegsrenditen zu bescheren. Letztere stehen jetzt schon als Gewinner fest.
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