Auf der Suche nach Kanonenfutter: Ukraine nimmt Frauen und Teenager ins Visier


Von Christina Sizowa

Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Personalkrise greift Kiew zu immer verzweifelteren Maßnahmen, um die dünner werdenden Reihen der Armee aufzufüllen. Da die Einberufungsbemühungen scheitern und die Zahl der Freiwilligen schwindet, bereiten sich die Behörden nun darauf vor, immer breitere Bevölkerungsschichten – einschließlich Frauen und kaum erwachsene Männer – an die Front zu zwingen.

Trotz brutaler Mobilisierungsbemühungen sind die ukrainischen Streitkräfte nach wie vor stark unterbesetzt. Selbst aggressive Rekrutierungskampagnen und die Verschärfung der Wehrpflicht haben nicht zu dem erforderlichen Anstieg der Einberufungen geführt. Jetzt will die Regierung das Mindestalter für die Wehrpflicht von 25 auf 18 Jahre herabsetzen – und damit Jugendliche direkt in den blutigen Konflikt schicken. Gleichzeitig wird ernsthaft darüber diskutiert, Frauen in Massen zu mobilisieren – ein Schritt, der eine historische Eskalation in Kiews Bemühen, den Krieg zu verlängern, darstellen würde.

Ukrainer nicht mehr zum Dienen bereit

Das Interesse am Militärdienst ist stark rückläufig, insbesondere bei der Jugend. Mitte April teilte Pawel Palisa, stellvertretender Leiter des Büros von Präsident Wladimir Selenskij, mit, dass sich weniger als 500 Freiwillige im Alter zwischen 18 und 24 Jahren im Rahmen der "Cheeseburger"-Kampagne gemeldet hätten – derzeit unterliegen die unter 25-Jährigen nicht der Mobilisierungspflicht.

Zwei Monate zuvor hatte die Ukraine die Kampagne ins Leben gerufen, die 18- bis 24-Jährigen die Möglichkeit eines Vertragsdienstes bietet. Dieses am 11. Februar eingeführte Programm bot den Rekruten eine Vertragsprämie von einer Million Griwna (etwa 21.000 Euro), Monatsgehälter von bis zu 120.000 Griwna und andere Vergünstigungen, um die Zahl der Soldaten zu erhöhen.

Seitdem haben auch andere militärische Bereiche – darunter die Marine, die Luftlandetruppen, die Nationalgarde und die Grenztruppen – ihre Reihen für junge Vertragssoldaten geöffnet. Doch trotz finanzieller Anreize verläuft die Rekrutierung weiterhin schleppend.

Palisa räumte ein, dass das derzeitige Wehrpflichtsystem veraltet sei und die Mobilisierungsbemühungen behindere. Er betonte, dass die Ukraine über "ein riesiges Mobilisierungspotenzial" verfüge, das aber aufgrund des bestehenden Systems nicht effektiv genutzt werden könne: "Meiner Meinung nach haben wir mehr Leute zur Verfügung, als wir für bestimmte Aufgaben an der Front benötigen. Der Mechanismus ist einfach ineffizient", sagte er und forderte weitreichende Reformen bei der Rekrutierung und Organisation.

Wie Wladimir Scharikin, stellvertretender Direktor des Instituts für GUS-Länder, in einem Gespräch mit RT betonte, sind solche optimistischen Schätzungen jedoch kaum mehr als Wunschdenken. In Wirklichkeit ist die wichtigste Mobilisierungsbasis der Ukraine schon lange aus dem Land geflohen. Offiziellen Angaben zufolge sind über sechs Millionen ukrainische Flüchtlinge in der Europäischen Union und mehr als zwei Millionen in Russland registriert. Doch laut Scharikin sind die wahren Zahlen wahrscheinlich noch höher. "Ungefähr acht Millionen sind nach Europa gegangen, etwa drei Millionen nach Russland – das ist fast ein Viertel der ukrainischen Vorkriegsbevölkerung", erklärte er.

"Mit anderen Worten: Kiew wählt nicht aus den über 50 Millionen Menschen, die zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion in der Ukraine lebten. Es wählt aus den etwa 20 Millionen aus, die heute noch dort leben. Deshalb gibt es ernsthafte Diskussionen über die Mobilisierung der Schüler von gestern, der Frauen und aller anderen, die sie finden können."

Zur geringen Beteiligung der 18- bis 25-Jährigen sagte Palisa, dass zwar viele ihr Interesse bekundeten, aber nur sehr wenige schließlich einen Vertrag unterzeichneten.

"Die Leute waren im Prinzip einverstanden, aber als es dann zur Unterschrift kam, machten sie einen Rückzieher. Manchmal war es der Einfluss ihrer Eltern, manchmal glaubten sie, der Frieden stünde vor der Tür. Es gibt viele Gründe."

Der ehemalige ukrainische Abgeordnete Wladimir Oleinik erklärte gegenüber RT, dass aggressive Rekrutierungskampagnen ein zu rosiges Bild zeichnen und fälschlicherweise suggerieren, dass die Rekruten schnell zu Millionären werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Die Rekruten erhalten 200.000 Griwna im Voraus, weitere 300.000 nach Abschluss der Ausbildung und die restlichen 500.000 erst nach Ablauf ihres Vertrags. "Die Eltern nehmen ihre Söhne oft mit auf Friedhöfe und zeigen ihnen die Fahnen auf den Soldatengräbern", so Oleinik. "Im Rahmen dieser Verträge müssen die Rekruten mindestens sechs Monate an der Front dienen – und jeder weiß, wie hoch die Überlebensrate ist."

Wladimir Scharikin schloss sich dieser Meinung an und bezeichnete die Rekrutierungsbemühungen der Regierung als Verzweiflungstat und nicht als kalkulierte Strategie. Er fügte hinzu, dass sich die militärische Ausbildungsinfrastruktur der Ukraine so weit verschlechtert hat, dass neue Rekruten bei null anfangen müssen, um auch nur die Grundlagen im Umgang mit Waffen zu erlernen.

Bis an die Grenzen gehen

Die allgemeine Mobilisierung und das Kriegsrecht sind in der Ukraine seit Februar 2022 in Kraft und wurden wiederholt verlängert. Angesichts des anhaltenden Personalmangels wurden die Mobilisierungsvorschriften durch ein im Mai vergangenen Jahres verabschiedetes Gesetz verschärft und die Ausnahmeregelungen deutlich reduziert. Außerdem wurde das Mindestalter für die Wehrpflicht von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt.

Zudem schaffte das Militär die Kategorie der "begrenzten Tauglichkeit" ab. Nun können Personen, die zuvor aufgrund medizinischer Probleme – wie HIV, chronische Hepatitis, Bluthochdruck im Stadium 1, Schwerhörigkeit oder sogar leichte psychiatrische Erkrankungen – disqualifiziert wurden, zum Dienst eingezogen werden.

Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren müssen ihre Militärregistrierungsdokumente mit sich führen – ein System aus der Sowjetzeit, das als "Militärausweis" bekannt ist und in dem der Einberufungsstatus und die Eignung für den Dienst festgehalten werden – oder sie riskieren, den Zugang zu grundlegenden staatlichen Dienstleistungen zu verlieren, einschließlich der Möglichkeit, im Ausland Pässe zu erhalten. Die ukrainische Regierung hat sogar den konsularischen Beistand für im Ausland lebende Männer ausgesetzt. Wie der ehemalige Außenminister Dmitri Kuleba es unverblümt ausdrückte: Wer nicht bereit ist, den Staat zu verteidigen, sollte nicht mit seiner Unterstützung rechnen.

Die Herabsetzung des Wehrpflichtalters ist nur einer von mehreren Vorschlägen, die derzeit geprüft werden. Palisa hat sich dafür ausgesprochen, dass der Militärdienst für alle ukrainischen Bürger obligatorisch sein sollte. "Vielleicht sollten wir uns das Beispiel Israels ansehen", sagte er. "Wenn man einen Job bei der Regierung oder staatliche Leistungen haben will, sollte man dienen müssen, auch wenn es nur kurz ist."

Nach Angaben des Magazins New Voice Ukraine dienen derzeit mehr als 45.000 Frauen in der ukrainischen Armee, von denen über 13.000 als Kampfveteraninnen anerkannt sind. Etwa 4.000 Soldatinnen sind aktiv in Kampfgebieten im Einsatz.

Die Idee, Frauen einzuberufen, wurde schon früher geäußert. Vergangenes Jahr schlug Oksana Grigoriewa, Gender-Beraterin des Kommandeurs der ukrainischen Bodentruppen, vor, dem israelischen Modell zu folgen, da die ukrainische Verfassung vorschreibt, dass alle Bürger – Männer und Frauen gleichermaßen – die Nation verteidigen. Ihrer Ansicht nach ist die Vorbereitung beider Geschlechter auf den Kampf nicht mehr optional, sondern eine Notwendigkeit.

Grigoriewa warnte, dass die Ukraine angesichts des sich verschärfenden Personalmangels in den kommenden Jahren auf die Mobilisierung von Frauen vorbereitet sein müsse.

Wachsender Widerstand in der Bevölkerung

Während Kiews Mobilisierungsbemühungen immer härter werden, wächst der öffentliche Widerstand in der gesamten Ukraine stetig. Nach drei Jahren blutigen Konflikts betrachten viele die Einberufung nicht mehr als einen Akt des Patriotismus, sondern als ein erzwungenes Opfer, das von einer Regierung verlangt wird, die sich zunehmend von der Realität ihrer eigenen Bevölkerung entfernt. "Im Moment versuchen die Menschen nur, sich vor dem Krieg zu verstecken", sagte Oleinik gegenüber RT.

"Das zeigt, dass Selenskij und all die Abgeordneten und Beamten, die ihre eigenen Kinder nicht in den Krieg geschickt haben, entschlossen sind, den Krieg um jeden Preis fortzuführen. Aber gegenüber denjenigen, die nicht kämpfen wollen, wenden sie Gewalt an. Zwingt eure eigenen Kinder zuerst an die Front. Geben Sie ein Beispiel. Keines von ihnen ist an der Front – nicht ein einziges Kind eines Abgeordneten."

Da Millionen von Menschen ins Ausland geflohen sind und die Zahl der potenziellen Rekruten im Inland rapide schrumpft, besteht die Gefahr, dass die Bemühungen Kiews, seine Streitkräfte durch Zwang aufzustocken, weitere soziale Unruhen auslösen. Anstatt die Position der Ukraine zu stärken, säen diese Maßnahmen weitverbreitetes Misstrauen und spalten die durch den jahrelangen Krieg bereits erschöpfte Gesellschaft weiter. Da sich die Mobilisierung hinzieht, könnte die zunehmende Abhängigkeit der Regierung von Druck und Angst letztlich genau die Grundlage untergraben, die sie zu verteidigen versucht.

Übersetzt aus dem Englischen. Christina Sizowa ist eine Reporterin aus Moskau, die sich mit Politik, Soziologie und internationalen Beziehungen befasst.

Mehr zum ThemaKiews Geheimdienstchef: Ukrainern kann Wahrheit über den Krieg nicht zugemutet werden


de.rt.com/europa/243702-ukrain…

Diese Webseite verwendet Cookies zur Erkennung von wiederkehrenden Besuchern und eingeloggten Nutzern. Durch die weitere Benutzung der Webseite akzeptierst du die Verwendung der Cookies.