Nach dem 9. Mai 1945: Bayern – Mit dem Kriegsende kamen Mangel, Krankheiten und Hungertod


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Im Jahr 1945 lebte meine Familie in Bayern. Deshalb bin ich über die Vorgänge im Westen besser informiert.

Der Krieg endete für uns nicht zum Zeitpunkt der Kapitulation. Erst 1953 erklärten die Westalliierten einseitig das Ende des Kriegszustands.

Bereits am 5. Juni 1945 wurde eine absolute Diktatur über die Deutschen verhängt, die unbegrenzte Macht wurde durch die Militärregierung und den Kontrollrat ausgeübt.

In dieser Zeit des "Nachkriegs" waren wir rechtlos und jeder Willkürmaßnahme ausgesetzt. Das spürte meine Familie durch mörderischen Hunger. Wir froren, da unser Notquartier in den Ruinen der Stadt praktisch unbeheizbar war.

Ich war ja damals ein Kind, aber der ständige quälende Hunger ist mir heute noch gegenwärtig. Ein kanadischer Historiker (James Bacque) schreibt, dass eigentlich ausreichend Lebensmittel vorhanden waren.

Aber die Amerikaner hätten als Kriegsmaßnahme den Hungerzustand erzwungen. Lebensmittel durften nicht importiert werden, Produktionsverbote führten dazu, dass wir auch keinen Gegenwert liefern konnten.

Den Fischern wurde verboten auszufahren, gelegentlich seien auch Boote gesprengt worden. Lebensmitteldepots der Wehrmacht wurden von der Besatzung systematisch geräumt und abtransportiert.

Ein Onkel kam aus der Gefangenschaft zurück, seine Schilderungen waren für uns Kinder furchtbar. Die Kriegsgefangenen in den US-Lagern hätten ohne irgendwelchen Unterstand im Freien in Erdlöchern hausen müssen.

Wenn Leute aus den umliegenden Dörfern ihnen von ihrem kargen Vorrat etwas abgeben wollten, sei ihnen das unter Androhung der Todesstrafe verboten worden. Viele, viele der Gefangenen sind an Hunger und Krankheiten gestorben. Ärzte, Medikamente oder Verband gab es für die Gefangenen nicht.

Jeden Tag kam meine Großmutter zu uns und brachte aus ihrer ohnehin kargen Ration etwas für uns Kinder. Dabei magerte sie selbst von Woche zu Woche mehr ab. Sie sagte immer: "Ach, gib doch das bissel Essen den Kindern!" Zuletzt war sie so schwach, dass sie nicht mehr zu uns kommen konnte. Ich glaube, zuletzt hat man sie ins Krankenhaus aufgenommen, man hat sie gepflegt, aber auch dort gab es so gut wie nichts zu essen. 1946 ist sie am ständigen Hunger gestorben, zuletzt wog sie nur noch 28 Kilogramm. Sie hat einen Abschiedsbrief an ihren vermissten Sohn Hans, meinen Onkel, hinterlassen. Ich habe ihn erst später gelesen:

Mein liebster Hans!

Vergeblich warten wir schon so lang auf ein Lebenszeichen von Dir!

Es ist so schmerzlich, nicht einmal zu wissen, wo Du sein könntest! Oder Du bist gar schon tot und irgendwo eingescharrt!

Ich liege hier im Spital an chronischer Ruhr und unstillbarem Durchfall.

Trotz aller Bemühungen und Pflege, die man mir hier angedeihen lässt, wird es nicht besser, sondern ich komme immer mehr herunter. Mein gegenwärtiges Gewicht ist 28,50 Kilogramm – und meine Tage sind gezählt. So gerne hätte ich Dich noch einmal gesehen, leider ist es nicht mehr möglich.

So sende ich Dir also meine letzten Grüße. Ich wünsche Dir aus tiefstem Herzen, dass Du auf Deinem ferneren Lebensweg recht glücklich werden mögest!

In innigster Liebe

Deine Mutter

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