Erstaunliche Erkenntnis: Merkel sieht Diplomatie als einzigen Weg zu Frieden in der Ukraine
Von Joe Bessemer
Diplomatisch und nicht anders müsse der Ukraine-Konflikt gelöst werden, verkündete die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Bühnentalk des Redaktionsnetzwerks Deutschland und der Ostsee-Zeitung "RND vor Ort" im Schloss Schwerin. Thematisiert wurde aber auch Merkels Asyl-Politik, ihre Haltung zur AfD und einiges mehr.
Ausschnitte besagter Veranstaltung werden vom RedaktionsNetzwerkDeutschland (RND) in einem Artikel auf seiner Homepage präsentiert.
Und die Einleitung dieses Artikels scheint den Eindruck erwecken zu sollen, Merkel sei als Politikerin nun endgültig im Ruhestand angekommen.
"Die Altkanzlerin meldet sich zurück. Angela Merkel hat ihre Abklingphase, das Verfassen ihrer Memoiren und ihre Lesereise hinter sich."
Für sich genommen ist die Einleitung eine völlige Plattitüde über einen ohnehin nicht sehr aufregenden Sachverhalt: "Angela Merkel ist jetzt schon etwas länger als Politikerin im Ruhestand"? Na sausi-pausi aber auch …
Nun aber gibt es die jahrzehntealte Beobachtung, dass Politiker tendenziell erst im Ruhestand anfangen, mit der Wahrheit herauszukommen – weil ihrer Karriere, die ja vorbei ist, dann keine Konsequenzen mehr aus solchen Äußerungen drohen. Anscheinend will das RND mit der Einleitung zu seinem Artikel im Kopf des Lesers genau diese Beobachtung aktualisieren.
Doch hält Altkanzlerin Merkel, was das RND hier somit verspricht? Knallt die Polit-Veteranin hier wirklich mit der Direktheit eines alten Haudegens die ganze Wahrheit auf den Tisch?
Anlass für Merkels Forderung nach diplomatischer Beilegung des Ukraine-Konflikts war keine Frage nach dem Ukraine-Krieg, sondern die Frage, ob Merkel meint, dass Putin ein Angriff auf die NATO zuzutrauen sei. Dennoch bezog sie sich bei ihrer Antwort auf den Ukraine-Krieg:
"Ich finde es gut, dass überhaupt mal wieder mit Russland gesprochen wird. Ohne Sprechen wird mit Sicherheit dieser Krieg nicht enden."
Indes wird diese Aussage von Merkels früherem Geständnis im Frühjahr 2023 konterkariert und in ihrer Glaubwürdigkeit geschwächt: Sie schloss sich der Aussage des ehemaligen französischen Präsidenten Hollande an, dass Europa – darunter eben auch Deutschland in der Zeit von Merkels Kanzlerschaft und Frankreich unter Hollande – die Minsker Abkommen, die der Ukraine den Weg zurück in die Normalität hätten ebnen sollen, nur zum Schinden von Zeit unterstützt habe. Diese Zeit sei vom Westen genutzt worden, um Kiews Militarisierungsprogramm forciert voranzutreiben. Zum Jahreswechsel 2021/22, bevor Russlands Präsident Wladimir Putin Ende Februar 2022 schließlich schweren Herzens den Entschluss zur heute noch laufenden militärischen Sonderoperation fasste, hatte das ukrainische Militär den Artilleriebeschuss des Territoriums der Volksrepubliken Donezk und Lugansk stark intensiviert.
Die Gebiete Donezk und Lugansk hatten sich von der ehemaligen Ukrainischen SSR im Jahr 2014 abgespalten, nachdem infolge des Putsches prowestlich orientierter und vom Westen materiell unterstützter Kräfte im Land eine offen russophobe Regierung in Kiew an die Macht gekommen war, die sofort mit Gewalt gegen Zivilisten in den abtrünnigen Regionen vorging.
Und es war Russland, das die exakte Umsetzung der beiden, in den Jahren 2014 und 2015 von Kiew und dem Donbass abgeschlossenen Minsker Abkommen, die den Ukraine-Krieg vom Lodern zum Schwelen abwürgten, – also der großen diplomatischen Errungenschaft, wovon nicht zuletzt auch die Verabschiedung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeugt –, Punkt für Punkt einforderte. Insgesamt sechs Jahre lang. Punkt für Punkt bedeutet in diesem Fall "in Reihenfolge gemäß Nummerierung", weil die Minsker Vereinbarungen ein Entwicklungsplan sind.
Im Klartext hieß das, dass nach Waffenstillstand und Abzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie zuerst Verhandlungen über regionale Wahlen in den Gebieten Donezk und Lugansk und den künftigen Sonderstatus dieser Gebiete zu erfolgen haben. Dann sollte Kiew den Rebellen im Donbass Begnadigung und Amnestie gewähren, woraufhin alle Geiseln und unrechtmäßig Festgehaltene befreit werden sollten. Spätestens danach sei für ungestörte Lieferung und Verteilung humanitärer Hilfsgüter zu sorgen, sowie für die Herstellung und Festlegung der sozialen und wirtschaftlichen Verbindungen.
Und erst nachdem all diese Punkte erfüllt wurden, sollte Kiew die Kontrolle über die Grenzen der beiden abtrünnigen Republiken mit Russland wiedererlangen, die es so sehr forderte – festgelegt in Punkt 9 von 13 in Minsk II.
Russland als einer der Garanten und die beiden Volksrepubliken als zwei verbündete Parteien der Minsker Vereinbarungen forderten präzises Einhalten dieser Reihenfolge, denn sie wurde nicht einfach zufällig so festgelegt.
Hingegen war es der Westen und darunter eben die BRD unter Merkel, die diese diplomatische Errungenschaft des Friedens torpedierten: Sie leisteten dem Kiewer Regime immer dann diplomatische Feuerdeckung, wenn dieses den Laut und den Geist der Abkommen durch Vorziehen des Punktes 9 bezüglich der Staatsgrenzen zu pervertieren und die Schuld an der deswegen ausbleibenden Umsetzung der Abkommen auf Russland zu schieben versuchte. Und schließlich gab man in Kiew selbst zu, sie gar nicht umsetzen zu wollen.
Merkel selbst scheint diese ihre beiden widersprüchlichen Aussagen zumindest psychisch recht gut unter einen Hut zu bringen – denn im selben Atemzug mit der Diplomatieforderung sprach sie sich für die in Europa von der NATO geplante Aufrüstung aus:
"…– aber gleichzeitig muss man das aus einer Position der Stärke machen. Wir müssen friedenstüchtig werden – durch militärische Stärke."
Eine solche Stärke sollte auf Russland abschreckend wirken, so die ehemalige Kanzlerin, und der Aufbau dieser sollte zusammen mit diplomatischen Bemühungen erfolgen.
Eine wirkliche Antwort darauf, ob sie Russlands Präsidenten einen Angriff auf die NATO nun zutraue oder nicht, bleibt Merkel indes schuldig.
Optimisten könnten sich hier fragen: Vielleicht war das ja, weil sie sich im Ruhestand nach Jahren in der Politik endlich einmal leisten will, wenigstens nicht lügen zu müssen? Na, wer weiß. Denn die Wahrheit wollte sie schließlich auch nicht sagen – und sie wegzulassen, kommt hier der Lüge gleich:
Die Wahrheit nämlich besteht in diesem Fall darin, dass es auch im Februar 2022 eben nicht Russland gewesen ist, das angegriffen hat – sondern der Westen, der seine Handlanger in Kiew die Punkte 1 und 2 der Minsker Vereinbarungen, den Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen, eklatant brechen ließ und besagte Handlanger erstmals nach den Jahren 2014 und 2015 erneut in den Krieg gegen Russen im Donbass hetzte.
Sprich, Merkel wirbt hier für eine Aufrüstung Europas, um Russland vor einem Angriff abzuschrecken – an dessen Gefahr sie jedoch selbst nicht glaubt.
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