Trumps Drogenkrieg gegen Lateinamerika und die Militarisierung im eigenen Land


Von Michelle Ellner

PrĂ€sident Donald Trump hat das Pentagon stillschweigend ermĂ€chtigt, militĂ€rische Operationen gegen sogenannte "narco-terroristische" Netzwerke in Lateinamerika durchzufĂŒhren. Auf dem Papier handelt es sich um eine Politik zur DrogenbekĂ€mpfung. In der Praxis ist es jedoch ein Freibrief fĂŒr unbegrenzte US-MilitĂ€raktionen im Ausland, die ohne Zustimmung des Kongresses durchgefĂŒhrt werden, internationales Recht umgehen und den Begriff "nationale Sicherheit" so weit ausdehnen, dass er zu einer pauschalen Rechtfertigung fĂŒr die Anwendung von Gewalt wird.

Die Richtlinie erlaubt es den USA, Gruppen, die einseitig als kriminell und terroristisch eingestuft werden, ins Visier zu nehmen. Sobald diese Einstufung erfolgt ist, kann das MilitĂ€r ohne die Zustimmung des betroffenen Landes operieren, was gegen internationales Recht verstĂ¶ĂŸt. In einer Region mit einer langen Geschichte von US-gestĂŒtzten Putschen, verdeckten Kriegen und Destabilisierungskampagnen ist das Risiko des Missbrauchs nicht hypothetisch, sondern unvermeidlich.

Die Anordnung gilt zwar fĂŒr ganz Lateinamerika, doch Venezuela steht ganz oben auf der Liste. Die Trump-Administration hat die Regierung von PrĂ€sident NicolĂĄs Maduro beschuldigt, mit transnationalen Kartellen zusammenzuarbeiten, und das Kopfgeld auf ihn auf 50 Millionen Dollar verdoppelt (das Doppelte des Kopfgeldes auf Osama bin Laden).

Es handelt sich um eine Lawfare-Taktik, die darauf abzielt, einen Staatschef zu kriminalisieren und Söldner und verdeckte Agenten zur Teilnahme am Regime Change einzuladen.

Die Anschuldigungen, die diese Eskalation antreiben, werden immer weiter hergeholt und stellen Maduro als Partner der kolumbianischen FARC-Guerilla, als Kopf des Cartel de los Soles, als Schutzpatron des venezolanischen Tren de Aragua und nun als VerbĂŒndeten des mexikanischen Sinaloa-Kartells dar – ein Vorwurf, zu dem Mexikos PrĂ€sidentin Claudia Sheinbaum sagt, dafĂŒr gebe es keinerlei Beweise. Dies zeigt, wie politisiert und unbegrĂŒndet diese Behauptung ist.

Die Kernvoraussetzung der Anschuldigung ist, dass Maduro in ein Netzwerk des Kokainhandels venezolanischer MilitÀrs und Politiker namens "Cartel de los Soles" verwickelt ist. Die venezolanische Regierung bestreitet die Existenz des Kartells und bezeichnet es als Erfindung, um Sanktionen und Bestrebungen zum Regime Change zu rechtfertigen.

Mehrere unabhĂ€ngige Untersuchungen haben gezeigt, dass es keine stichhaltigen Beweise fĂŒr dessen Existenz gibt und diese Darstellung in der Echokammer aus Medien und Geheimdiensten gedeiht. Berichte von Medien wie Insight Crime zitieren anonyme US-Quellen; diese Medienberichte werden dann von politischen EntscheidungstrĂ€gern und Thinktanks zitiert, und der Kreislauf wiederholt sich, bis aus Spekulationen Politik geworden ist.

Fulton Armstrong, Professor an der American University und langjĂ€hriger ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter, hat erklĂ€rt, dass er in Geheimdienstkreisen niemanden kenne, der an die Existenz des Cartel de los Soles glaube – nur die derzeitigen Regierungsmitglieder glaubten daran.

Auch Daten zur DrogenĂŒberwachung widersprechen dieser Darstellung. Das Washington Office on Latin America (WOLA) berichtet, dass nur etwa sieben Prozent des fĂŒr die USA bestimmten Kokains ĂŒber Venezuela durch die östliche Karibik transportiert werden, wĂ€hrend annĂ€hernd 90 Prozent ĂŒber die westliche Karibik und den östlichen Pazifik gehen. Der Weltdrogenbericht 2025 des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) bestĂ€tigt ebenfalls, dass der Drogenhandel weiterhin auf die großen Anden-Korridore konzentriert ist und nicht durch Venezuela verlĂ€uft.

Dennoch wird Venezuela ins Visier genommen – nicht wegen seiner tatsĂ€chlichen Rolle im Drogenhandel, sondern weil die Neutralisierung seiner Regierung ein Pfeiler der US-Außenpolitik ist, die in Washington als Schritt zur Umgestaltung des politischen Systems des Landes und zur Öffnung seiner Wirtschaft fĂŒr auslĂ€ndische Kontrolle angesehen wird.

Mit dem Etikett "Narco-Terror" soll Venezuela auch in die Fentanyl-Krise der USA hineingezogen werden, obwohl es keinerlei Beweise dafĂŒr gibt, dass das Land eine Rolle im Fentanylhandel spielt. Selbst in den eigenen Drogenberichten der USA wird Venezuela nicht als Quelle oder Transitland erwĂ€hnt.

Diese Verbindung existiert nur in der politischen Rhetorik, um Venezuela in die innenpolitische Gesundheitskrise der USA zu verwickeln und dieselbe Logik neu aufzulegen, mit der das sĂŒdamerikanische Land als "Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA" gebrandmarkt wurde.

Diese Beschuldigung geht auf das Jahr 2015 zurĂŒck, als PrĂ€sident Barack Obama die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen fĂŒr eine unbefristete Kampagne von Zwangsmaßnahmen schuf.

Ist der Rahmen fĂŒr "Drogenterrorismus" erst einmal geschaffen, kann Washington seine militĂ€rischen Maßnahmen unbefristet aufrechterhalten und eskalieren, unabhĂ€ngig vom unmittelbaren Vorwand.

Diese Konstruktion verwandelt eine politisch festgefahrene Situation in eine erklĂ€rte Sicherheitsnotwendigkeit. Sie erweitert das Spektrum der zulĂ€ssigen militĂ€rischen Mittel von nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung, Überwachung, AufklĂ€rung (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance – ISR) bis hin zur direkten Aktion.

Das Muster ist bekannt. In Panama (1989), Kolumbien (2000er-Jahre) und Honduras (2010er-Jahre) gelang es den militarisierten Anti-Drogen-Kampagnen der USA nicht, die Lieferketten zu zerschlagen oder das Ausmaß des Drogenhandels zu verringern. Was sie tatsĂ€chlich erreichten, war eine Verlagerung der Routen, die HochrĂŒstung krimineller Akteure und die Destabilisierung von Regierungen. Dadurch wurden die ursprĂŒnglichen Probleme noch schwerer zu lösen, und die betroffenen Gesellschaften zerbrachen noch mehr.

Der Spiegel zu Hause: Militarisierung in schwarzen und migrantischen Gemeinschaften

Die militarisierte Logik, die die US-Politik in Venezuela bestimmt, wird auch in den USA selbst angewandt.

Im August 2025 unterzeichnete PrÀsident Trump eine Executive Order, mit der die Polizei von Washington unter Bundeskontrolle gestellt und die Nationalgarde unter Berufung auf einen "Notstand der öffentlichen Sicherheit" eingesetzt wird. Dies, obwohl offizielle Daten zeigen, dass die Zahl der Gewaltverbrechen auf einem Mehrjahrestief liegt.

Selbst die Statistiken der Strafverfolgungsbehörden widersprechen der Darstellung des Weißen Hauses, doch die Regierung wies sie zurĂŒck und stellte die Stadt als von "umherziehenden Mobs", "wilden Jugendlichen" und "drogenabhĂ€ngigen VerrĂŒckten" ĂŒberrannt dar.

Washington ist nur ein Beispiel. Mit der gleichen militarisierten Logik wurden Tausende von Soldaten an die Grenze zwischen den USA und Mexiko geschickt, MilitĂ€rstĂŒtzpunkte von Texas bis New Jersey in Haftanstalten umgewandelt und Soldaten in den GefĂ€ngnissen der Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums fĂŒr Innere Sicherheit (Immigration and Customs Enforcement) in ĂŒber 20 Bundesstaaten stationiert.

In Los Angeles patrouillierten Marines und Einheiten der Nationalgarde in einer Machtdemonstration in Einwanderervierteln. Dieser Einsatz konnte nur durch massiven Widerstand der Bevölkerung und die Androhung von Arbeitskampfmaßnahmen zurĂŒckgeschlagen werden.

Ob es sich um eine Mauer in der WĂŒste oder um Barrikaden vor dem Weißen Haus handelt, die Botschaft ist dieselbe: Wahrgenommenen Bedrohungen, ob real oder konstruiert, wird mit Truppen begegnet, nicht mit GesprĂ€chen.

Das Drehbuch Ă€ndert sich nie: In Venezuela wird die "Bedrohung" als Drogenterrorismus hingestellt; in den USA ist es ein "Sturm auf die Grenze" oder ein konstruierter Notfall fĂŒr die öffentliche Sicherheit, der auf rassistisch kodierten Darstellungen Schwarzer und migrantischer Gemeinschaften basiert.

In beiden FĂ€llen ist die Logik identisch: politische Konflikte und soziale Krisen als SicherheitsnotfĂ€lle behandeln, Diplomatie und gemeinschaftliche Lösungen beiseiteschieben, mehr Exekutivbefugnisse an sich reißen und militĂ€rische Gewalt zu einem routinemĂ€ĂŸigen Instrument der RegierungsfĂŒhrung machen.

Die wirkliche Bedrohung

Trumps "Narco-Terror"-Autorisierung bedient sich der Sprache der Drogen- und VerbrechensbekĂ€mpfung, um ein weiterreichendes Vorhaben zu verschleiern: die Ausweitung der Rolle des MilitĂ€rs in der RegierungsfĂŒhrung und die Normalisierung seines Einsatzes als Instrument der politischen Kontrolle im In- und Ausland.

In Lateinamerika bedeutet dies mehr Interventionen gegen Regierungen, die die USA stĂŒrzen wollen. Im Inland bedeutet dies, das MilitĂ€r tiefer in das zivile Leben einzubinden, insbesondere in schwarzen und migrantischen Stadtvierteln.

Die Gemeinschaften in Caracas und Los Angeles, in den venezolanischen Llanos und an der Grenze zwischen den USA und Mexiko mögen Welten voneinander entfernt sein, aber sie sind mit derselben Kriegsmaschinerie konfrontiert. Solange wir die Militarisierung nicht in all ihren Formen abwehren, werden sich die Ziele immer wieder verschieben, aber die Menschen, die unter Beschuss stehen, werden dieselben bleiben.

Michelle Ellner, in Venezuela geboren und aufgewachsen, ist Koordinatorin fĂŒr Lateinamerika bei der US-amerikanischen Antikriegsorganisation Codepink.

Anmerkung der Übersetzerin: Am 19. August berichtete Reuters, dass drei Zerstörer der US-Marine und rund 4.000 Soldaten an die Grenze der venezolanischen HoheitsgewĂ€sser geschickt werden, "um gegen lateinamerikanische Drogenkartelle vorzugehen". Die Kriegsschiffe könnten nicht nur fĂŒr AufklĂ€rungs- und Überwachungsoperationen genutzt werden, sondern auch als Ausgangspunkt fĂŒr gezielte Angriffe. Venezuelas PrĂ€sident Maduro kĂŒndigte daraufhin an, mehr als 4,5 Millionen bewaffnete MilizionĂ€re im Land zu aktivieren, um "die nationale SouverĂ€nitĂ€t zu verteidigen”. Die Miliz untersteht der Armee und ist Teil der venezolanischen MilitĂ€rdoktrin vom "Krieg des gesamten Volkes" gegen Angreifer von außen.

Übersetzt aus dem Englischen von Olga Espína.

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