AfD-Parteirichter zum BfV-Gutachten: Es gibt keine gesetzliche Definition des Rechtsextremismus
Frage: Das Innenministerium behauptet, der Bundesverfassungsschutz hat mit seinem Gutachten unabhängig von der Politik agiert. Ist diese Aussage glaubwürdig? Wenn nicht, was spricht für eine politische Vereinnahmung des Innengeheimdienstes?
Adam: Die Aussage ist einfach unwahr, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz eine weisungsgebundene Behörde ist, die dem Innenministerium direkt untersteht. Selbst wenn bei der Erstellung des Gutachtens Frau Faeser nicht mitgewirkt haben sollte, war es ihre Pflicht, das Gutachten inhaltlich prüfen zu lassen, bevor das Ergebnis der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Faeser hat zugegeben, diese Amtspflicht unterlassen zu haben.
Frage: Ist Rechtsextremismus überhaupt ein juristischer Begriff? Wenn ja, wo genau ist es normiert, dass Rechtsextremismus verboten oder verfassungswidrig ist? Wenn nein, worüber reden wir im Fall der "Einschätzung" des BA für Verfassungsschutz?
Adam: Es gibt keine gesetzliche Definition des Rechtsextremismus und "Rechtsextremismus" ist auch nicht verboten. Entscheidend ist für die Arbeit von politischen Parteien der Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz: Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Die AfD ist ganz offensichtlich nicht verfassungswidrig, weil sie in ihrem Programm sich eindeutig für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzt und keiner der maßgeblichen Verantwortlichen in der Partei gegen diesen Verfassungsauftrag redet oder handelt.
Das gesamte "Gutachten" des Verfassungsschutzes genügt den Anforderungen des Grundgesetzes nicht. Aber ich nehme an, dass das der Verfassungsschutz selbst weiß. Und er arbeitet auch nicht auf einen Verbotsantrag gegen die AfD hin, sondern er will deren Wähler verunsichern und letztlich die Basis der AfD-Unterstützung zersetzen. Das ist die übliche Tätigkeit eines Geheimdienstes. Wir kennen das von der Staatssicherheit der früheren DDR.
Frage: Welche Rolle würde diese Einschätzung für eine Entscheidung des BVerfG über ein etwaiges Parteiverbot der AfD spielen? Könnte das "Gutachten", auf das sich der Verfassungsschutz nun beruft, in einem Verfahren vor dem Verfassungsschutz weiter geheim gehalten werden?
Adam: Wie bereits bemerkt, ist das "Gutachten" wenig geeignet, ein erfolgreiches Verbotsverfahren zu begründen. Zur Geheimhaltung: Die Einstufung des Gutachtens als "Nur für den Dienstgebrauch" stellt die geringste Geheimhaltungsstufe dar (darüber ist vertraulich, geheim, streng geheim). Ich gehe davon aus, dass das Gutachten demnächst veröffentlicht wird. Dann wird Faeser nicht mehr im Amt sein und der neue Innenminister wird einen unbelasteten Präsidenten beim Verfassungsschutz berufen.
Frage: Wie schätzen Sie heute die Erfolgsaussichten eines Parteiverbots der AfD ein?
Adam: Da ich nach wie vor einen hohen Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht habe, gehe ich davon aus, dass ein Verbotsantrag vor Gericht keine Aussicht auf Erfolg hat.
Frage: Sollte dies gelingen oder zumindest versucht werden, wäre das ein recht drastischer Schritt mit einer großen internationalen Reichweite.
Adam: Das ist korrekt. In der Klageschrift der AfD gegen die Hochstufung durch den Verfassungsschutz, die mir vorliegt, wurde daher auch völlig zu Recht sehr ausführlich zum Thema der europarechtlichen Implikationen der Handlungen des Verfassungsschutzes, wie etwa zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit im Lichte der Europäischen Grundrechtecharta, vorgetragen. Mit einem Verbot der größten Oppositionspartei würde sich Deutschland letztlich einen Platz im "Pantheon der Schurkenstaaten" sichern. Ich denke, das wird eine neue Regierung nicht wollen.
Frage: Nun aber wieder zum Kern des Problems. Der Vorwurf des Rechtsextremismus wird von der Bundesministerin Nancy Faeser aus dem angeblich ethnischen Volksbegriff abgeleitet. Exklusiv war aber der Volksbegriff der AfD bekanntlich nie. Auslandsdeutsche, zum Beispiel Russlanddeutsche, die in die alte Heimat ihrer Vorfahren zurückwandern wollen, müssen ja auch heute noch ihre deutsche Abstammung belegen. Und auch Bekenntnis zum deutschen Volkstum noch obendrauf. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Wertung des Bundesverfassungsschutzes, dass ein ethnischer Volksbegriff rechtsextremistisch sei und die Menschenwürde verletze?
Adam: Unser Grundgesetz kennt zwei Volksbegriffe: einmal den ethnischen Volksbegriff (Ethnos) und andererseits auch den staatsbürgerlichen Volksbegriff (Demos). Der ethnische Begriff wird nur benutzt, um einen Anspruch auf deutsche Staatsangehörigkeit zu definieren, nämlich einen Anspruch aufgrund von Abstammung (Art. 116 GG). Der Demos (Art. 20 GG) hingegen definiert das Staatsvolk, das sich aus allen Inhabern der deutschen Staatsbürgerschaft rekrutiert. Dieses Staatsvolk ist der Souverän. Alle Angehörigen des Staatsvolkes haben die gleichen Rechte. Das hat die AfD niemals infrage gestellt. Sie hat dazu, wegen der Falschberichterstattung des Verfassungsschutzes, sogar explizit Stellung bezogen. Und das wurde bereits von Gerichten, etwa dem Oberverwaltungsgericht Münster, in einem früheren Verfahren gegen den Verfassungsschutz, als ausreichende Klarstellung gewürdigt.
Der Verfassungsschutz will durch offensichtliche Falschbehauptungen den Eindruck erwecken, dass die AfD nur dem Ethnos huldigt und andere Staatsbürger infolgedessen als zweitklassig behandeln möchte. Dazu gibt es allerdings keine Belege, und das ist eben der Kern der Zersetzungsstrategie des Verfassungsschutzes.
Frage: Wenn die AfD ein positives Verhältnis zu Deutschland von einzubürgernden Ausländern verlangt, scheint dies unzumutbar zu sein.
Adam: Ob der Verfassungsschutz überdies meint, es sei verfassungswidrig, wenn man Deutschland nicht als Einwanderungsland anerkennt, nehme ich das zwar an, aber es fehlen mir dazu konkrete Belege aus Stellungnahmen des VS. Aber zur Klarstellung: Selbstverständlich ist es verfassungsgemäß, die Doktrin vom "Einwanderungsland Deutschland" für politisch falsch zu halten. Immerhin war die Ablehnung der Masseneinwanderung jahrzehntelang Regierungspolitik in Deutschland, etwa in der Ära von Helmut Kohl. Die AfD möchte einfach nur zu dieser Politik zurück, weil sie für unser Land besser ist.
Frage: Ob die AfD sich jetzt von jedem Bezug auf eine deutsche Abstammung abgrenzen muss?
Adam: Die AfD versteht sich schon immer als Rechtsstaatspartei. Im Rechtsstaat sind die vorhandenen Gesetze anzuerkennen und sie sind nicht irgendeiner Ideologie zu opfern. Die AfD bekennt sich zum Grundgesetz und wir erkennen die derzeitige Gesetzeslage im Staatsbürgerrecht an. Allerdings wollen wir wieder zurück zum alten Staatsbürgerschaftsrecht, also vor dem 1.1.2000. Das bedeutet unter anderem eben keinen automatischen Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, nur weil man in Deutschland geboren ist und es bedeutet auch, dass es dann keine schnelle Einbürgerung mehr geben wird, weil wir die deutsche Staatsangehörigkeit achten und nicht verschleudern wollen.
Dr. Michael Adam ist Rechtsanwalt in Berlin, mit einem Schwerpunkt für Parteienrecht. Er ist Mitglied der AfD und hat als Parteirichter in einer großen Anzahl von Verfahren mitgewirkt, um entdeckte Verfassungsfeinde aus der Partei auszuschließen. Er ist zudem Vorsitzender des parteinahen Vereins "Christliche Alternative".
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