Schicksalswoche fĂŒr Kiew


Von Michail Katkow

Historischer Anruf

"Wir haben vereinbart, eng zusammenzuarbeiten und das Land des anderen zu besuchen. Wir haben auch vereinbart, dass unsere entsprechenden Teams unverzĂŒglich Verhandlungen aufnehmen und wir damit beginnen, dass wir den PrĂ€sidenten der Ukraine Selenskij anrufen und ihm von unserem GesprĂ€ch berichten, was ich sogleich tun werde", sagte Trump unmittelbar nach dem Telefonat mit Putin.

Mit Selenskij sprach der US-PrĂ€sident etwa eine Stunde lang. "PrĂ€sident Trump informierte mich, was ihm Putin gesagt hat. Wir glauben, dass die KrĂ€fte Amerikas ausreichen, um gemeinsam mit uns, gemeinsam mit allen Partnern, Putin und Russland zum Frieden zu zwingen", verkĂŒndete dazu das Oberhaupt des Kiewer Regimes.

Trump denkt, dass es der Ukraine möglicherweise gelingen werde, einen Teil der verlorenen Gebiete zurĂŒckzuerhalten, doch eine RĂŒckkehr zu den Grenzen von 2014 sei wenig wahrscheinlich. DarĂŒber hinaus sei ein Beitritt Kiews zur NATO "unpraktisch". DafĂŒr seien PrĂ€sidentschaftswahlen notwendig.

Trump versprach, Putin persönlich in Saudi-Arabien zu treffen und regelmĂ€ĂŸigen telefonischen Kontakt zu halten.

Der PressesekretĂ€r des Kremls, Dmitri Peskow, war in seinen EinschĂ€tzungen verhaltener. "PrĂ€sident Trump plĂ€dierte fĂŒr eine schnellstmögliche Einstellung der Kampfhandlungen und eine Lösung des Problems mit friedlichen Mitteln. PrĂ€sident Putin erwĂ€hnte seinerseits die Notwendigkeit, die Grundursachen des Konflikts zu beseitigen", betonte er.

Westliche Medien vermuteten sogleich, dass Kiew von Verhandlungen ausgeschlossen werde. So werde die Ukraine nach Ansicht der Zeitung The New York Times wenig Einfluss ausĂŒben können. "Das Telefonat zwischen Trump und Putin fand am selben Tag statt, als US-Verteidigungsminister Pete Hegseth einrĂ€umte, dass eine Wiederherstellung der Grenzen von 2014 'unrealistisch' sei. FĂŒr Putin wurde dieser Anruf zu einem wichtigen Meilenstein, der das Scheitern der BemĂŒhungen des Westens kennzeichnete, ihn diplomatisch zu isolieren", schreibt die Zeitung.

Die polnische Zeitung Rzeczpospolita erinnert: In Europa machten sich viele Sorgen, dass Trump direkte GesprĂ€che mit Putin aufnehmen werde. Gerade das sei geschehen, und zwar ĂŒber die Köpfe von EuropĂ€ern und Ukrainern hinweg. "Das GesprĂ€ch mit Trump bedeutet ein Ende von Putins Isolation. Von nun an ist er ein gleichberechtigter Partner des einflussreichsten Staatschefs der Welt", bemerkt die Publikation.

Frieden auf Pause

Wie dem auch sei, gab es unter realen Ergebnissen bisher nur ein Gefangenenaustausch. In die USA kehrte Marc Fogel zurĂŒck, der fĂŒr Drogenschmuggel verurteilt worden war. Dennoch ist sich Trump sicher: "Dies ist ein wichtiger Schritt zur Beendigung des Kriegs mit der Ukraine." Im Gegenzug ließ Washington den Unternehmer Alexandr Winnik frei, dem GeldwĂ€scherei in Höhe von Milliarden US-Dollar ĂŒber die Kryptobörse BTC-e vorgeworfen worden war.

Die Veröffentlichung des US-amerikanischen Friedensplans steht immer noch aus. Alle erwarteten, dass dies wĂ€hrend der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz zwischen dem 14. und 16. Februar geschehen werde. Doch am 10. Februar berichtete die Zeitung The Telegraph unter Verweis auf informierte Quellen, dass der Ukraine-Sonderbeauftragte des US-PrĂ€sidenten, Keith Kellogg, die Ausarbeitung des Plans eingestellt habe, um die Strategie mit den NATO-VerbĂŒndeten zu besprechen.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg betont: Der Plan mĂŒsse von Trump persönlich verkĂŒndet werden. Kellogg habe dem US-PrĂ€sidenten einige Varianten vorgelegt, die auf Grundlage der Ergebnisse der MĂŒnchner Konferenz und seines Besuchs in Kiew verfasst wurden.

"Wir bleiben fĂŒr einen Dialog offen. Wir treten fĂŒr eine wirklich gerechte, umfassende und endgĂŒltige Beilegung der Krise ein, die nur durch eine Beseitigung ihrer Grundursachen möglich ist. Zwei Hauptursachen sind die Erweiterung der NATO und die Verletzung der Rechte ethnischer Russen und russischsprachiger Bewohner der Ukraine. Ohne eine Beseitigung dieser GrĂŒnde werden wir einen vorĂŒbergehenden Waffenstillstand oder ein Einfrieren des Konflikts mit seiner unweigerlichen Fortsetzung erhalten. FĂŒr Russland ist das inakzeptabel", erklĂ€rte der stellvertretende Außenminister Russlands Michail Galusin Moskaus Position.

Er fĂŒgte hinzu, dass als Grundlage einer Friedensvereinbarung die 2022 in Istanbul erzielte Vorarbeit dienen könnte: eine neutrale, blockfreie, atomwaffenfreie Ukraine, ihre Demilitarisierung und Entnazifizierung, keine Stationierung auslĂ€ndischer Truppen oder Errichtung auslĂ€ndischer StĂŒtzpunkte auf ukrainischem Gebiet. DarĂŒber hinaus mĂŒsse Kiew die RealitĂ€ten vor Ort berĂŒcksichtigen, von denen Putin im Juni 2024 sprach.

Wer Schulden macht, muss auch zahlen

Auch fĂŒr die Ukraine hat Trump besondere WĂŒnsche. Insbesondere will er fĂŒr die geleistete MilitĂ€rhilfe den Zugang zu ihren BodenschĂ€tzen. "Sie können sich einigen oder sich nicht einigen. Sie können irgendwann ein Teil Russlands sein oder kein Teil Russlands sein. Doch wir werden all dieses Geld dort haben, und ich will es zurĂŒckholen", verkĂŒndete er. Trump zufolge habe das ukrainische Territorium "einen riesigen Wert" im Hinblick auf Vorkommen von Seltenerdmetallen, Öl und Gas. "Ich will, dass unser Geld in Sicherheit ist, denn wir geben hunderte Milliarden Dollar aus", betonte der PrĂ€sident der USA.

Nach Angaben des US-Außenministeriums gewĂ€hrte Washington bis zum 20. Januar, also vor Trumps Amtsantritt, MilitĂ€rhilfe im Wert von 69,2 Milliarden US-Dollar. Der US-Rat fĂŒr auswĂ€rtige Beziehungen (Council of Foreign Relations) nennt eine andere Summe, nĂ€mlich 175 Milliarden. Trump selbst spricht von 300 bis 350 Milliarden und fordert dieses Geld zurĂŒck.

Der US-PrÀsident versichert, dass die ukrainische Regierung bereits in alles eingewilligt habe. Doch Selenskij erkennt lediglich Schulden im Umfang von 76 Milliarden US-Dollar an.

"Ich habe ihm gesagt: 'Das ist ein sehr reiches Land, und wir haben BodenschĂ€tze. Das bedeutet nicht, dass wir irgendjemandem, selbst strategischen VerbĂŒndeten, etwas schenken. Die Rede ist von einer Partnerschaft. Investiert also bitte Geld, bringt eure Unternehmen hierher. Lasst uns zusammen BodenschĂ€tze fördern und daran verdienen'", fĂŒhrte das Oberhaupt des Kiewer Regimes in einem Interview fĂŒr die Zeitung The Guardian aus.

Selenskij merkte an: Zahlreiche ukrainische BodenschĂ€tze seien fĂŒr militĂ€rische Technologien von enormer Wichtigkeit. Deswegen dĂŒrfe man nicht zulassen, dass sie in Moskaus HĂ€nde fallen, das angeblich plane, den Westen anzugreifen. Außerdem ist Selenskij bereit, den VerbĂŒndeten der Ukraine VertrĂ€ge fĂŒr einen Wiederaufbau nach dem Krieg zu gewĂ€hren.

Indessen berichten westliche Medien, dass es in der Ukraine keine VorrĂ€te an Seltenerdmetallen im Wert von hunderten Milliarden Dollar gebe. Es gibt Uran, Lithium und Titan, doch all das gibt es auch in den USA. DarĂŒber hinaus kontrolliert Russland bereits einen bedeutenden Anteil der Vorkommen. Laut Bloombergs Vermutung versuche Selenskij, Trumps Habgier auszunutzen und ihn auf die eigene Seite zu bringen. Was den Inhalt der "reichen Mitgift" angehe, so zeichnete sich der US-PrĂ€sident noch nie durch eine Liebe zum Detail aus.

Territorialer Handel

Dazu will das Oberhaupt des Kiewer Regimes Territorien mit Russland austauschen. Gemeint ist jener Teil des Gebiets Kursk, der nach dem ukrainischen Überfall vom August 2024 noch nicht befreit wurde. Somit verzichtete Selenskij faktisch auf seine bisherige Forderung nach einer RĂŒckkehr zu den Grenzen von 1991. Außerdem bittet er um ein NATO-Friedenskontingent. Seiner Meinung nach wĂ€ren 100.000 bis 150.000 Soldaten ausreichend, allerdings unbedingt unter der Beteiligung der USA.

Denis Denissow, Experte der FinanzuniversitÀt der Regierung Russlands, vermutet, dass die Konfliktparteien die Unvermeidbarkeit von Verhandlungen hingenommen haben und sich nun darauf vorbereiten. "Der Prozess einer KlÀrung von Positionen hat begonnen. Dabei erwarten wir nach wie vor von den USA, dass sie einen Friedensplan oder zumindest einen Plan des Einfrierens von Kampfhandlungen vorlegen. Bisher sind die USA immer noch mit dem Sammeln von Informationen beschÀftigt. Es ist fraglich, ob das Ergebnis Moskau und Kiew zufriedenstellen wird. Im Endeffekt hÀngt alles davon ab, was auf dem Schlachtfeld passiert", erklÀrte er in einem GesprÀch mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Wladimir Scharichin, stellvertretender Leiter des Instituts der GUS-Staaten, hĂ€lt Verhandlungen zwischen Russland und den USA durchaus fĂŒr möglich, denn Moskau habe immer noch ein Restvertrauen zu Washington. Kiew sei aber außen vor, weil es lĂ€ngst die SelbststĂ€ndigkeit verloren habe.

"Bevor die USA aus den WaffenbeschrĂ€nkungsvertrĂ€gen ausgetreten sind, hatten sie sie immerhin eingehalten. Und die Ukraine wird schlicht verpflichtet werden, das zu tun, was Russland und die USA vereinbaren werden. Kiew hat es sich selbst eingebrockt, als es die eigene SouverĂ€nitĂ€t an Washington ĂŒbergab", erklĂ€rt Scharichin.

Insgesamt werden Trumps erste Schritte von den Experten als positiv bewertet. Allerdings warnen sie: Schnelle Ergebnisse sind nicht zu erwarten.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 14. Februar 2025.

Mehr zum Thema – Putin und Trump stellen die amerikanisch-russischen Beziehungen vom Kopf auf die FĂŒĂŸe


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