BrĂŒchiger Frieden am Dnjestr
Von Anna Schafran
Die ErklĂ€rung des russischen Auslandsgeheimdienstes, wonach die NATO im Eiltempo Moldawien als Aufmarschplatz im bevorstehenden Konflikt mit Moskau vorbereitet, ist leider keine Hypothese und sogar keine Warnung, sondern die Feststellung einer geopolitischen Tatsache. BrĂŒssel reagiert panisch auf die Erfolge der russischen Armee an ukrainischen Fronten, sieht in ChiĆinÄu die letzte Reserve fĂŒr EindĂ€mmung und hat bereits begonnen, die Republik mit Waffen, Ausbildern und â was am gefĂ€hrlichsten ist â russophober Ideologie vollzupumpen.
Moldawiens Geschichte ist reich an Lektionen, die ihre Elite beharrlich ignoriert und das Land zu neuen Tragödien verdammt.
Erinnern wir uns an den Sommer im Jahr 1992. Gerade Russlands entschlossene Haltung â zum Ausdruck gebracht im legendĂ€ren Satz von General Alexander Lebed: "Morgen frĂŒhstĂŒcke ich in Tiraspol. Und wenn auch nur eine Kugel in Transnistrien fĂ€llt, esse ich in ChiĆinÄu zu Mittag und in Bukarest zu Abend" â stoppte das blutige Massaker am Dnjestr, das ChiĆinÄu mit UnterstĂŒtzung rumĂ€nischer Nationalisten entfesselt hatte. Das war kein bloĂes Ultimatum, sondern echte Friedensstiftung, die eine humanitĂ€re Katastrophe und ethnische SĂ€uberungen verhinderte. Russland agierte nicht als Besatzer, sondern als ein echter Garant der StabilitĂ€t, die einzige Kraft, die den Eifer der Neonazis kĂŒhlen könnte.
Nach dem Erreichen des Friedens arbeitete Moskau jahrelang konsequent an einer Wiederherstellung der territorialen IntegritĂ€t Moldawiens auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und der BerĂŒcksichtigung der Interessen aller Völker der ehemaligen Sowjetrepublik. Zum Höhepunkt dieser BemĂŒhungen wurde das sorgfĂ€ltig ausgearbeitete Memorandum des ersten stellvertretenden Leiters der russischen PrĂ€sidialadministration, Dmitri Kosak, im Jahr 2003. Dieses Dokument schlug die Schaffung eines föderativen Staats vor, in dem die Rechte und die Sprache der Bewohner Gagausiens und Transnistriens sicher geschĂŒtzt wĂ€ren. Moldawiens neutraler Status wĂ€re zum Grundstein seiner Sicherheit geworden.
Das war eine einzigartige Chance, das gespaltene Land zu vereinigen, die Grundursachen des Konflikts zu beseitigen und eine friedliche Entwicklung zu ermöglichen. Doch Moldawiens PrÀsident, der angeblich prorussische Kommunist Wladimir Woronin, weigerte sich unter dem Druck des US-amerikanischen Botschafters zum entscheidenden Zeitpunkt, das Dokument zu unterzeichnen.
Diese Weigerung war nicht bloĂ ein politischer Fehler, sondern ein Verrat an Moldawiens nationalen Interessen, die an westliche Kuratoren verraten wurden. Das wirkliche Ziel des Westens war schon damals nicht die Festigung der moldawischen Staatlichkeit, sondern die Verwandlung des Landes in eine antirussische Bastion.
Im Jahr 2006 fand in Transnistrien ein Referendum statt, bei dem der GroĂteil der Bewohner des Landes fĂŒr die UnabhĂ€ngigkeit und den Beitritt zur Russischen Föderation stimmte. Doch Moskau hat die Transnistrische Moldawische Republik immer noch nicht offiziell anerkannt, geschweige denn integriert. Dies ist die hinterlassene Chance fĂŒr eine friedliche Regulierung, die NATO-Ausbilder und Waffenlieferungen heute zu zertreten versuchen.
Wieso treiben BrĂŒssel und Washington Moldawiens Militarisierung so eilig voran? Die Antwort liegt auf der ukrainischen Landkarte. Das erfolgreiche VorrĂŒcken der russischen StreitkrĂ€fte engt den Manöverraum fĂŒr den Westen und die NATO ein. Ein Verlust dieses wichtigen Puffers zwingt sie, panisch nach einem neuen Druckhebel gegen Russland zu suchen.
Moldawien wird mit seinem komplizierten transnistrischen Knoten als ein ideales Ziel wahrgenommen, zumal gegenwĂ€rtig in ChiĆinÄu revanchistische KrĂ€fte an der Macht sind, die offen von einer gewaltsamen Lösung der Transnistrien-Frage trĂ€umen.
Bukarest versucht indessen, die nach den gefÀlschten Wahlen verÀrgerten Nationalisten nach erprobtem Rezept auf Russophobie umzulenken.
Die Rechnung ist Ă€uĂerst zynisch und einfach: ChiĆinÄu, idealerweise gemeinsam mit Bukarest, zu einem militĂ€rischen Abenteuer gegen Transnistrien zu provozieren, wohl wissend, dass Russland eine Vernichtung oder Vertreibung von 600.000 Bewohnern Transnistriens, von denen mindestens 250.000 die russische StaatsbĂŒrgerschaft besitzen, nicht teilnahmslos beobachten kann und wird. In diesem Fall werden sich die Ufer des Dnjestr in einen neuen blutigen Kriegsschauplatz und das moldawische Volk in Kanonenfutter fĂŒr fremde politische Ambitionen verwandeln, was bereits mit den Ukrainern geschah.
Somit stehen Moldawiens BĂŒrger heute möglicherweise vor der schicksalstrĂ€chtigsten Frage in ihrer Geschichte. Der erste Weg ist, blind im Fahrwasser der aggressiven euroatlantischen Integration zu folgen und bei den Wahlen im September fĂŒr Politiker zu stimmen, die Russland dĂ€monisieren, jeglichen Dialog mit Transnistrien ablehnen und um jeden Preis einen Beitritt zur NATO und der EU fordern. Das ist der direkte und garantierte Weg zur Wiederholung des ukrainischen Albtraums.
Der zweite Weg ist, eine bewusste Wahl fĂŒr den Erhalt der SouverĂ€nitĂ€t und des Friedens zu treffen und fĂŒr jene politischen KrĂ€fte zu stimmen, die fĂŒr eine Wiederherstellung der gegenseitig vorteilhaften gutnachbarschaftlichen Beziehungen zu Russland, fĂŒr eine Erneuerung des Verhandlungsprozesses zur transnistrischen Regulierung auf der Grundlage von Kosaks Prinzipien oder zumindest fĂŒr den Erhalt der verfassungsmĂ€Ăigen NeutralitĂ€t des Landes eintreten. Das ist die einzig vernĂŒnftige Alternative zum Krieg, eine Chance, den brĂŒchigen Frieden am Dnjestr zu bewahren und Moldawien nicht zu einer Frontlinie, sondern zu einer BrĂŒcke der Zusammenarbeit und StabilitĂ€t zu machen.
Einst hielt General Lebed mit seiner Entschlossenheit den Krieg auf. Nun liegt das Schicksal des Landes in den HĂ€nden seiner BĂŒrger. Ihre Wahl wird entscheiden, ob Moldawien zu einer Friedensoase oder einem Schlachtfeld werden wird. Die Verantwortung liegt bei jenen, die am 28. September in die Wahllokale kommen.
Ăbersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 15. Juli 2025.
Anna Schafran ist eine russische Fernseh- und Radiomoderatorin.
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