Reuters-Recherche: Syrische Streitkräfte der neuen Machthaber "massakrierten 1.500 Alawiten"


Die Machtergreifung der neuen syrischen Übergangsregierung unter Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa erfolgte Ende 2024. Mitte März dieses Jahres berichtete die Nachrichtenagentur Reuters über gewalttätige Ausschreitungen im Westen Syriens, wo in der nördlichen Region die ethnisch-religiöse alawitische Gemeinschaft angesiedelt ist (RT DE berichtete). Ein aktueller Reuters-Artikel behauptet, dass die gezielten "Tötungen, Plünderungen und Brandstiftungen" in der Region ab Jahresbeginn ausgehend von einer "Befehlskette" aus Damaskus erfolgten.

Der Artikel erklärt einleitend, das eine "Reuters-Untersuchung" den Ablauf der analysierten Massaker aufzeige und darüber "eine Befehlskette identifiziert" worden sei, die von syrischen Armeeangehörigen und weiteren Beteiligten "direkt zu Männern führt, die an der Seite von Syriens neuer Führung in Damaskus dienen." Weiter heißt es in der ausführlichen Recherche:

"Reuters fand heraus, dass fast 1.500 syrische Alawiten getötet wurden und Dutzende vermisst werden. Die Untersuchung ergab 40 verschiedene Schauplätze von Rachemorden, Amokläufen und Plünderungen gegen die religiöse Minderheit, die lange mit der gestürzten Assad-Regierung verbunden war."

Eine Grafik ist mit dem Titel: "Syriens Küstenmorde" gekennzeichnet und soll die Regionen und Orte abbilden, an denen es zu den tödlichen Verbrechen kam.


Screenshot: Webseite Reuters
Die Recherche wird zu einem Zeitpunkt eröffnet, wo die US-Administration in Washington angekündigt hat, einen Großteil des jahrzehntealten amerikanischen Sanktionsprogramms gegen Syrien aufzuheben. Zudem erfolge parallel die erneute Überprüfung der Einstufung des amtierenden syrischen Machthabers Ahmed al-Scharaa als "Terrorist".

Al-Scharaa war federführender und vom Westen protegierter islamistischer Anführer jener Kräfte, die die jahrzehntelange Assad-Herrschaft in dem vom Krieg gebeutelten Land zum Sturz brachten. So befehligte er den syrischen Al-Qaida-Ableger, die al-Nusra-Front. Zu damit verbundenen neuen Konfliktherden heißt es im Reuters-Artikel:

"Viele in Syrien hegen einen Groll gegen die Alawiten, die während der zwei Jahrzehnte währenden Herrschaft Assads einen unverhältnismäßig großen Einfluss innerhalb des Militärs und der Regierung hatten."

Bereits im März hieß es bei Reuters zum Status quo:

"Innerhalb von etwa sechs Tagen starben Hunderte von alawitischen Zivilisten, wie Reuters und mehrere Überwachungsgruppen berichteten. Nur drei Monate nach dem Sturz Assads im Dezember, der seine brutale Herrschaft und einen fast 14 Jahre währenden Bürgerkrieg beendete, waren Teile Westsyriens in ein rachsüchtiges Blutvergießen verfallen."

Zu den Vorfällen seit Jahresbeginn, an denen laut Recherche "ein Dutzend Gruppierungen beteiligt" waren, von denen "die Hälfte von ihnen seit Jahren unter internationalen Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen, darunter Tötungen, Entführungen und sexuelle Übergriffe stehen", hätten die aktuellen Machthaber in Damaskus bis dato keinen Kommentar abgegeben, so die Nachrichtenagentur. Die marodierenden Ereignisse würden demnach bis in die Gegenwart andauern, "wie Reuters herausgefunden hat." Weiter heißt es im Artikel:

"Ein Beamter der neuen Regierung, Ahmed al-Shami, der Gouverneur der Provinz Tartus, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Alawiten nicht zur Zielscheibe werden. Er räumte 'Verstöße' gegen die alawitische Zivilbevölkerung ein und schätzte die Zahl der Toten in Tartus auf etwa 350, was mit den Ergebnissen von Reuters übereinstimmt. Diese Zahl ist von der Regierung nie veröffentlicht worden."

Laut den Reuters-Recherchen wurden demnach allein für den 7. März "578 Tote an 26 Orten", für den 8. März 828 Tote an 10 Orten" sowie für den 9. März "74 Tote an 4 Orten" ermittelt. Nach den März-Ereignissen flüchteten alawitische Bewohner der Region "auf einen nahegelegenen russischen Stützpunkt aus Angst vor neuen Massakern".

Die Übergriffe auf die Alawiten würde laut der Recherche bis heute andauern. So wären allein "zwischen dem 10. Mai und dem 4. Juni" nach Angaben der "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" 20 Alawiten in den Regionen Latakia und Hama erschossen worden, wobei die Täter "nicht identifiziert wurden." Die ermittelnden Behörden teilten den Vereinten Nationen lediglich mit, dass "Dutzende mutmaßlicher Täter festgenommen worden seien", so Paulo Sérgio Pinheiro, Vorsitzender der Syrien-Kommission der UN, in seinem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat am 27. Juni.

Im Zusammenhang mit den nachweislichen alawitischen Todesfällen aus dem März, wurde "jedoch niemand angeklagt", so der Artikel. Die neue Regierung in Damaskus hat die Zahl der getöteten Alawiten noch nicht bekannt gegeben, "und die Vereinten Nationen haben ihre eigene Zahl von 111 Toten in der Region als zu niedrig angegeben." Abschließend heißt es im Artikel zusammenfassend:

"Die Untersuchung ergab, dass 1.479 syrische Alawiten getötet wurden und Dutzende an 40 verschiedenen Schauplätzen von Rachemorden, Amokläufen und Plünderungen gegen die religiöse Minderheit, die lange mit der Assad-Regierung verbunden war, vermisst wurden."

Zu dem Vorgehen für die Recherche heißt es darlegend:

"Reuters zählte die Toten, indem sie lokale Listen mit Namen von Opfern, viele davon handschriftlich, von Gemeindeleitern und Familien der Opfer sammelte. Die Dorfbewohner trugen auch Bilder und persönliche Angaben zu den Opfern zusammen. Für jede Liste, die in arabischer Sprache verfasst wurde, hat Reuters die Namen mit Aktivisten abgeglichen, die entweder in dem betreffenden Dorf leben, Facebook-Seiten betreiben oder in der Diaspora leben und Verwandte in den angegriffenen Orten haben."

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