Mangel an SAMP-T-Abfangraketen – Ukraine bald schutzlos vor Russlands ballistischen Raketen?


Von t.me/milinfolive

Westliche Medien wie Le Monde, The Economist und The Washington Post veröffentlichten fast zeitgleich Berichte über eine erhebliche Erschöpfung der ukrainischen Luftabwehr.

Dies geschah Ende Mai 2025 nach zwei aufeinanderfolgenden kombinierten Massenangriffen mit Langstreckenwaffen auf militärisch relevante Ziele im ukrainischen Hinterland, die beide hinsichtlich der Zahl der eingesetzten Kamikaze-Drohnen Rekordwerte erreichten: Nach Angaben des Gegners setzte Russland in der Nacht auf den 25. Mai 298 Drohnen und in der Nacht zum 26. Mai 355 Drohnen auf einen Schlag ein – während Marschflugkörper und ballistische Raketen in dieser Rechnung noch nicht einmal mitgezählt wurden.

Infolge dieser beiden Angriffe und anderer vergleichbar intensiver in der jüngsten Zeit, so schreibt Le Monde mit Verweis auf das ukrainische Militär, seien den ukrainischen Streitkräften die Abfangraketen für die europäischen Langstrecken-Luftabwehrsysteme SAMP-T ausgegangen. Derweil seien Lenkraketen für die Kurzstrecken-Luftabwehrsysteme Crotale-NG seit über anderthalb Jahren nicht mehr an Kiew geliefert worden. Dies deckt sich grundsätzlich mit den Daten des Wall Street Journal, das noch im März ebenfalls über die Erschöpfung der ukrainischen Vorräte an Flugabwehrraketen für das SAMP-T berichtet hatte.

Warum wird gerade dem SAMP-T so viel Bedeutung beigemessen? Schließlich verfügen die ukrainischen Streitkräfte über zahlreiche verschiedene aus Europa transferierte Luftabwehrsysteme, darunter IRIS-T, NASAMS und Aspide.

Na, ganz einfach: Weil SAMP-T mit seinen Aster-30-Raketen als buchstäblich das einzige europäische Luftabwehrsystem zumindest theoretisch in der Lage ist, ballistische Raketen abzuwehren – kein anderes von EU-Ländern produziertes System kann schnell manövrierende Ziele auf ballistischer Flugbahn abfangen, wie die quasi ballistischen Raketen des Gefechtsfeld-Kurzstreckenwaffensystems Iskander-M sie darstellen. Doch gerade Iskander ist eine der wichtigsten Waffen, die erfolgreich gegen Ziele in Kiew, Odessa, Tschernigow und anderen Städten im tiefen Hinterland der ehemaligen Ukrainischen SSR eingesetzt werden.

Ein weiteres westliches Luftabwehrsystem im Einsatz bei der ukrainischen Luftabwehr, das der Iskander und (das allerdings wirklich nur theoretisch) ihrem Schwestersystem, der aeroballistischen Hyperschallrakete Kinschal, entgegenwirken kann, ist die US-amerikanische MIM-104F Patriot, ausgestattet mit PAC-3-Abfangraketen. Der einzige Hersteller und Lieferant für die Radare, Werfer und andere Bestandteile des Systems – vor allem aber für die exorbitant teuren Abfangraketen – sind die USA. Diese haben jedoch in den letzten Monaten kein allzu großes Interesse an neuen Militärlieferungen an die Ukraine gezeigt. Sollten die vorhandenen Bestände an PAC-3-Abfangraketen in absehbarer Zukunft erschöpft werden, könnte dies die ukrainischen Streitkräfte gegenüber Russlands ballistischen und aeroballistischen Raketen völlig schutzlos zurücklassen.

Derlei Befürchtungen, wie die Westmedien sie äußern, sind nicht unbegründet: Das Weiße Haus behauptet durch Außenminister Marco Rubio weiterhin, die USA könnten die Ukraine nicht mehr mit neuen Patriot-Luftabwehrsystemen beliefern. Rubio merkte an, US-Verbündete könnten doch für Washington einspringen und Kiew ihre Patriots spendieren, wollten sich aber selbst nicht von ihren Luftabwehrsystemen trennen. Dabei schreibt die Washington Post, Kiew habe angesichts großer Engpässe hinsichtlich Luftabwehrsysteme und Raketen für diese die neue US-Regierung wiederholt um Hilfe gebeten – jedoch die Antwort erhalten, diese Luftabwehrsysteme müssten nun gekauft werden, und man werde sie nicht einfach verschenken.

Deutschland versucht, Kiews Mangel an Luftabwehrraketen auszugleichen, indem es veraltete PAC-2-Flugabwehrraketen für das Patriot-Luftabwehrsystem aus seinen eigenen Zeughäusern an die ukrainischen Streitkräfte übergibt.

Die Produktion der modernen PAC-3-Raketen in Deutschland soll planmäßig erst 2027 beginnen. Bis dahin müssen die ukrainischen Streitkräfte entweder jede moderne Abfangrakete wie den sprichwörtlichen Groschen zweimal umdrehen – oder weiterhin auf Nachschub aus den USA hoffen.

Doch selbst für den Fall, dass Washington die Lieferungen dieser Raketen wiederaufnimmt, bezweifelt man im Westen weiterhin, dass der aktuelle Bedarf der ukrainischen Streitkräfte an diesen Waffen gedeckt werden kann. Der Grund ist einfach: Lockheed Martin produziert jährlich bis zu 650 Patriot-Raketen, was immer noch weniger ist als die Produktion russischer Offensivwaffen. Da für jede Rakete zwei oder drei Abwehrraketen benötigt werden (und auch diese Kalkulation erweist sich zuweilen als ungerechtfertigt optimistisch – Anm. d. Red.), stehen die Chancen für die Ukraine schlecht – und der gesamte Jahresvorrat an dieser Munition könnte durchaus innerhalb weniger Monate aufgebraucht sein. Gleichzeitig sind die USA gezwungen, einen Teil dieser Raketen für den Fall eines möglichen Konflikts mit China im Pazifikraum in Reserve zu halten.

Somit spiegeln derartige Beiträge in den westlichen Medien nicht nur die objektiven Probleme der Ukraine mit der Erschöpfung ihrer Abfangraketenbestände wider, wie sie seit vielen Monaten diskutiert werden – sondern sollen vielmehr auch die Entscheidungsträger öffentlich darauf aufmerksam machen. Je größer der "öffentliche Druck" in der Presse, desto höher denkt man sich die Wahrscheinlichkeit, dass US-amerikanische Beamte nach dieser Pfeife tanzen und die Lieferung neuer Flugabwehrraketen "zum Wohle der Ukraine" genehmigen werden.

Ăśbersetzt aus dem Russischen.

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Dieser Beitrag wurde exklusiv fĂĽr RT verfasst.

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