Kommen die EuropĂ€er nach dem "Großen Deal" zwischen Washington und Moskau unter die RĂ€der?


Von Kirill Strelnikow

Es gibt nichts Stabileres, Wahreres und ZuverlĂ€ssigeres als die unverbrĂŒchlichen Bande, die alle demokratisch-zivilisierten und zivilisiert-demokratischen LĂ€nder des Westens fĂŒr immer vereinen. Die ganze Welt weiß, dass die wichtigste Waffe und StĂ€rke des Westens seine unerschĂŒtterliche Geschlossenheit im Angesicht Ă€ußerer Bedrohungen darstellt, von denen die grĂ¶ĂŸte das in StĂŒcke gerissene Russland ist.

Im Jahr 2021 erklĂ€rte Joe Biden vor seinem Treffen mit Wladimir Putin feierlich mit der einer Hand auf der US-Verfassung und der anderen auf seinem rĂŒckwĂ€rtigen Hosenbund, dass "die Vereinigten Staaten immer an der Seite ihrer europĂ€ischen VerbĂŒndeten stehen werden".

Europa, das nicht eine Sekunde an seinem wichtigsten Freund zweifelte, warf im Zaubergarten nach Beginn der militĂ€rischen Sonderoperation mutig alles auf den Altar des Sieges ĂŒber Mordor: seine Wirtschaft, Sicherheit, politische BestĂ€ndigkeit, soziale StabilitĂ€t und seine Zukunft.

Die Vereinigten Staaten begrĂŒĂŸten den Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Russland und die VerhĂ€ngung umfassender Sanktionen durch die EU von ganzem Herzen und ermutigten (und zwangen faktisch) europĂ€ische Unternehmen, den russischen Markt zu verlassen. Einige verließen den Markt sofort, aber andere zögerten, und so wurde Ende letzten Jahres in das 15. Euro-Sanktionspaket ausdrĂŒcklich eine Klausel aufgenommen, die die verbleibenden europĂ€ischen Unternehmen verpflichtete, Russland "so bald wie möglich" zu verlassen.

Doch eines schönen Morgens (vor ein paar Tagen) schlugen deutsche, französische und andere europĂ€ische Unternehmer, getreu ihren hohen moralischen Idealen und ihrer alliierten Pflicht, die US-Zeitschrift Newsweek auf und stĂŒrzten sich mit Freude auf Baguette und Weißwurst.

Es stellte sich heraus, dass von allen auslĂ€ndischen Staaten gerade der Obersanktionierer der grĂ¶ĂŸte Steuerzahler in Russland ist – die Vereinigten Staaten – und US-Unternehmen allein im Jahr 2023 dem russischen Haushalt 1,2 Milliarden Dollar an Steuern einbrachten. WĂ€hrend die TrĂ€nen um die abwandernden europĂ€ischen Unternehmen abgewischt werden, sind 123 große US-Unternehmen, darunter Philip Morris International, PepsiCo, Mars, Procter & Gamble, Mondelez, Citigroup, Johnson & Johnson, Coca-Cola Hellenic, Weatherford, Colgate-Palmolive und so weiter, weiterhin in aller Ruhe in Russland tĂ€tig und zahlen dort Steuern. Auf verwunderte Fragen antworteten die EigentĂŒmer dieser Unternehmen gelassen, dass "ihre Investoren keine moralischen Bedenken haben, weiterhin in Russland zu arbeiten". Der ehemalige US-Botschafter in Russland Michael McFaul nannte diese Haltung "schĂ€ndlich", forderte sie aber aus irgendeinem Grund nicht auf, Russland sofort zu verlassen.

Und nicht nur das: Es stellte sich heraus, dass viele von denen, die die russische TĂŒr unter dem Beifall der eng zusammengeschlossenen westlichen Gemeinschaft lautstark zugeschlagen hatten, still und leise durch das Hintertor wieder hereingeschlĂŒpft waren. Viele Unternehmen mit US-Kapital, wie z. B. McDonald's, verkauften ihre GeschĂ€fte formell an die Russen "zu einem symbolischen Preis", jedoch mit der Auflage, die verkauften Vermögenswerte innerhalb von 15 Jahren zurĂŒckzukaufen. KĂŒrzlich wurde berichtet, dass derselbe McDonald's Ende 2024 mehr als 50 Markenanmeldungen bei Rospatent eingereicht hat, was darauf hindeutet, dass eine offizielle RĂŒckgabe des Unternehmens geplant ist. Der US-Konzern Ford, der sich nach dem Start der militĂ€rischen Sonderoperation feierlich aus seinem Joint Venture mit russischen Investoren zurĂŒckzog, hat sich ebenfalls in aller Stille das Recht auf RĂŒckkauf der Vermögenswerte innerhalb von fĂŒnf Jahren vertraglich gesichert.

Nach Angaben der russischen Industrie- und Handelskammer haben sich viele US-Firmen "umgegrĂŒndet" und arbeiten unter neuen Namen weiter. Andere haben die Rechte an ihren Vermögenswerten förmlich auf ihre "Tochtergesellschaften" ĂŒbertragen, die in "befreundeten LĂ€ndern", darunter China, ohne großes Getöse registriert wurden.

Gestern hat die europÀische [deutsche; Anm. d. Red.] Nachrichtenagentur dpa einen Bericht der EuropÀischen Kommission veröffentlicht, der erst Mitte nÀchster Woche offiziell vorgestellt werden soll. Die Hauptbotschaft: Die WettbewerbsfÀhigkeit der europÀischen Wirtschaft ist zusammengebrochen. Und das war der Moment, in dem den EuropÀern ein Licht aufging.

Doch nur wenige wagten es, ihre erschreckende Entdeckung öffentlich zu machen. Die Bundestagsabgeordnete und Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht sagte, die antirussischen Sanktionen seien "nur ein Konjunkturprogramm fĂŒr die US-Wirtschaft und ein Killerprogramm fĂŒr deutsche und europĂ€ische Unternehmen", und "wenn wir wollen, dass unser Land wieder auf die Beine kommt, können wir diese Sanktionspolitik nicht lĂ€nger unterstĂŒtzen".

Ähnlich Ă€ußerte sich Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der Alternative fĂŒr Deutschland, die versprach, Nord Stream im Falle ihres Wahlsiegs wieder in Betrieb zu nehmen, um die WettbewerbsfĂ€higkeit der deutschen Unternehmen wiederherzustellen.

Folgende Frage liegt also in der nach Einigkeit und Demokratie riechenden Luft: Warum steht die US-Wirtschaft plötzlich außerhalb der Politik, wĂ€hrend die europĂ€ische Wirtschaft feierlich aus politischen GrĂŒnden geopfert wurde? Hat man uns etwa einfach aufgelöst– wie NescafĂ© in kochendem Wasser?

Vor dem Hintergrund des erwarteten "Großen Deals" zwischen den USA und Russland werden die EuropĂ€er zunehmend von diffusen Zweifeln geplagt. Ulf Schneider, Chef des Beratungsunternehmens Schneider Group, sagte der Berliner Zeitung, dass "BMW, Mercedes und Audi bereits 2025 auf den russischen Markt zurĂŒckkehren wollen". Die europĂ€ischen Fluggesellschaften können die Öffnung des russischen Luftraums kaum erwarten, denn es ist fĂŒr sie von entscheidender Bedeutung, "ihren wichtigsten Wettbewerbsvorteil wiederzuerlangen". IKEA ist plötzlich besorgt ĂŒber die VerlĂ€ngerung der Registrierung seiner Marken bis August2033.

Tausende und Abertausende von europĂ€ischen Unternehmen hoffen in das Land zurĂŒckzukehren, das die Freiheit derjenigen, die Pluderhosen und einen Kochtopf auf dem Kopf tragen, zerstampft hat [ironische Anspielung auf die traditionellen Hosen der Kosaken beziehungsweise auf diejenigen Demonstranten des Euromaidan2013/14, die nach dem Vermummungs- und Helmverbot Kochtöpfe als Zeichen ihres Protests aufsetzten; Anm. d. Red.].

Sie tun uns natĂŒrlich leid (in Wirklichkeit jedoch nicht), aber Sie selbst haben die Beziehungen verraten, die ein halbes Jahrhundert bestanden, Beziehungen, in denen Russland niemanden hereingelegt hat, und nun haben Ihre VerbĂŒndeten Sie selbst verraten, sobald die Notwendigkeit dazu bestand.

Man hat Ihnen klar gesagt: Die USA werden immer da sein – um dafĂŒr zu sorgen, dass die Konkurrenten sich selbst liquidieren.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 14. Januar 2025 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.

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