Wie Moskau Moldawien von der rumÀnischen Okkupation befreite


Von Andrei Restschikow

In dem zwischen der UdSSR und Deutschland geschlossenen Nichtangriffspakt, der auch als Molotow-Ribbentrop-Pakt bekannt ist, wurden unter anderem die EinflusssphĂ€ren zugeordnet. Bessarabien und zugleich auch die Nordbukowina gingen an die UdSSR ĂŒber, die zuvor zweimal die DurchfĂŒhrung eines Referendums im rumĂ€nischen Teil Bessarabiens ĂŒber die staatliche Zugehörigkeit dieses Gebiets gefordert hatte.

Bessarabien wurde erstmals im Rahmen des Friedens von Bukarest 1812 Teil Russlands, aber zwischen 1917 bis 1918 erlangte RumĂ€nien die Kontrolle ĂŒber dieses Gebiet durch eine militĂ€rische Intervention, indem es den BĂŒrgerkrieg zwischen verschiedenen politisch-ethnischen Gruppen und Staatsgebilden im ehemaligen Russischen Reich ausnutzte.

Doch bereits 22 Jahre spĂ€ter wurde eine Gruppe von zwei Dutzend Divisionen an der rumĂ€nischen Grenze gebildet, und am 28. Juni 1940 begann die Operation der Roten Armee – der Pruth-Feldzug – gegen das "Bojaren-RumĂ€nien", die sechs Tage dauerte. Zuvor hatte Bukarest die Forderungen Moskaus zur Übertragung von Territorien entsprochen, woraufhin am 28. Juni die "SĂŒdfront"-Truppen die alte Grenze zu RumĂ€nien ĂŒberquerten und Tschernowitz, Hotin, Bălți, Chișinău und Akkerman besetzten.

Nur wenige Tage spĂ€ter, Anfang August, verabschiedete der Oberste Sowjet der UdSSR ein Gesetz ĂŒber die GrĂŒndung der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Damit wurden sechs der neun Kreise der Provinz Bessarabien und sechs der vierzehn Bezirke der Moldawischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (MASSR) zur Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik (MSSR). Die ĂŒbrigen Gebiete, darunter die Nordbukowina, fielen an die Ukraine. Fast gleichzeitig wurde Bukarest im Rahmen des sogenannten Wiener Schiedsspruchs SiebenbĂŒrgen (Transsilvanien) entzogen, das an Ungarn ging.

Nach dem Großen VaterlĂ€ndischen Krieg wurden die Grenzen der MSSR bestĂ€tigt. Erster SekretĂ€r des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Moldawiens war von 1950 bis 1952 Leonid Breschnew, der spĂ€tere GeneralsekretĂ€r des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

Ende der 1980er Jahre forderte die Nationale Front Moldawiens die Abspaltung von der UdSSR und den Anschluss an RumĂ€nien. Im Jahr 1989 wurde Moldauisch als einzige Staatssprache anerkannt. Am 2. September 1990 proklamierten Abgeordnete aller Ebenen der linksufrigen Moldau und der Stadt Bender die GrĂŒndung der Transnistrischen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Moldawien trat am 27. August 1991 aus der UdSSR aus, als das Parlament der Republik ihre staatliche UnabhĂ€ngigkeit proklamierte. Im Jahr 2010 wurde der 28. Juni 1940 auf Anordnung der moldauischen Behörden als "Tag der sowjetischen Okkupation" festgelegt.

Wladimir Simindei, Chefredakteur des "Fachmagazin fĂŒr russische und osteuropĂ€ische Geschichtsstudien", ist der Ansicht, dass es sich im Fall der Nordbukowina um "eine Frage geopolitischer Absprachen" handelte, "ĂŒber die Historiker diskutieren können", wĂ€hrend es in Bezug auf Bessarabien um die gerechte RĂŒckgabe der von RumĂ€nien gestohlenen Gebiete an Russland geht.

Er erinnert daran:

"Seitens Bukarest handelte es sich um eine reine Annexion durch politische Machenschaften, die von der sowjetischen Regierung nie anerkannt wurden. Moskau hat immer wieder betont, dass wir eine gewaltfreie Wiedervereinigung mit diesem Gebiet anstreben, also die RĂŒckkehr Moldawiens (Bessarabiens) in den Sowjetstaat."

Simindei betont, die Hauptmotivation fĂŒr die sowjetischen Behörden darin bestand, dass die moldauische Bevölkerung sich selbst nicht als RumĂ€nen betrachtete:

"Bukarest versuchte auf jede erdenkliche Weise, seinen Imperialismus auf diesem Gebiet durchzusetzen, was die Ablehnung der breiten Massen in Chișinău, Bălți und anderen StĂ€dten hervorrief. In dieser Hinsicht war die sowjetische Politik absolut konsequent."

Der Historiker erklĂ€rt auch, warum Moldawien zeitweise den Status einer Autonomen Republik innerhalb der Ukrainischen SSR hatte, aber schließlich eine eigenstĂ€ndige SSR wurde:

"Da die von RumĂ€nien besetzten und annektierten Gebiete an die Sowjetunion zurĂŒckgegeben wurden, stellte sich die Frage nach der Schaffung einer vollwertigen Moldauischen SSR, denn eine autonome Republik ist schließlich ein untergeordnetes politisches Gebilde. Diese Frage bleibt jedoch nach wie vor auf der politischen Agenda in Kiew, wo man immer wieder daran erinnert, dass die Gebiete entlang des Dnjestr frĂŒher zur Ukraine gehörten."

Andrei Koschkin, Leiter der Abteilung fĂŒr politische Analyse und sozial-psychologische Prozesse an der Russischen Plechanow-WirtschaftsuniversitĂ€t, fĂŒgt hinzu:

"Die Einverleibung Bessarabiens und der Nordbukowina ermöglichte es der Sowjetunion, die Territorialfrage zu lösen, und spielte eine wichtige Rolle fĂŒr die moderne moldauische Staatlichkeit. Einige Historiker stellen alle Gebietserweiterungen der UdSSR auf eine Stufe, ohne Unterschiede zu machen. Aber fĂŒr jedes Gebiet war seine eigene Situation maßgebend, was differenziert betrachtet werden muss."

Der moldauische Politologe Witali Andriewski meint, dass sich die Eingliederung Bessarabiens und der Nordbukowina auf die nationale Politik der UdSSR zurĂŒckfĂŒhren ließe, wobei sich heute viele Politiker und Historiker weigern, die Ereignisse von vor 85 Jahren als "BrĂŒcke zur AnnĂ€herung" zu betrachten.

Der Experte erinnert daran, dass diese Ereignisse zu Zeiten der Sowjetunion als Feiertag begangen wurden: "In Chișinău gab es eine Straße, die den Namen '28. Juni 1940' trug. Aber jetzt ist das in Moldawien praktisch vergessen. Ich denke, dass 99 Prozent der befragten Moldawier sich nicht an diese Ereignisse erinnern können. Selbst die lokalen prorussischen Parteien haben den 28. Juni in den vergangenen Jahren nicht mehr begangen."

Der Historiker Alexander Djukow wies in einem seiner RedebeitrÀge darauf hin, dass sich Bessarabien seit 1812 als multiethnische Region innerhalb des Russischen Reiches entwickelte, in der die Moldawier weniger als die HÀlfte der Bevölkerung ausmachten. Selbst in den Jahren der Revolution strebten die lokale Bevölkerung und die Eliten höchstens Autonomie an, aber keine Abspaltung von Russland.

Aber die Annexion dieser Gebiete durch RumĂ€nien war begleitet von Gewalt, Massenerschießungen, aggressiver "RumĂ€nisierung" der Moldawier und brutaler UnterdrĂŒckung nationaler Minderheiten (Russen, Ukrainer, Bulgaren, Juden, Gagausen). Daher wurde die RĂŒckgabe Bessarabiens im Jahr 1940 von der Bevölkerung positiv aufgenommen.

Gleichzeitig raubten die rumĂ€nischen Truppen bei ihrem RĂŒckzug aus Bessarabien Unternehmen und die lokale Bevölkerung aus.

Archivdaten ĂŒber die verursachten wirtschaftlichen SchĂ€den offenbaren, dass die RumĂ€nen die Einwohner Bessarabiens – Moldawier, Russen und andere ethnische Gruppen – als Fremde betrachteten, die man ungestraft ausrauben konnte. Dies wurde auch in den Berichten von Georgi Schukow und Nikolai Watutin dokumentiert, die 1940 den Pruth-Feldzug leiteten.

Die Wahrheit ĂŒber die Ereignisse jener Jahre werde nun jedoch bewusst aus der öffentlichen Debatte verdrĂ€ngt, erklĂ€rte der Politologe Oleg Krochin gegenĂŒber der Zeitung Wsgljad. Dies sei Ausdruck einer bewussten Politik der Regierung in Chișinău, die sich von der sowjetischen Vergangenheit distanzieren und an westliche Narrative annĂ€hern wolle.

Er erinnerte daran, dass die moldawischen Behörden seit dem Jahr 2010 den 28. Juni offiziell zum "Tag der sowjetischen Besatzung" erklÀrt haben, was die negative Wahrnehmung dieser Ereignisse in der offiziellen Ideologie verfestigte:

"Ein solcher Ansatz kann zweifellos als bewusste GeschichtsverfÀlschung betrachtet werden, da er den historischen Kontext und die geopolitischen RealitÀten der damaligen Zeit ignoriert."

Krochin fĂŒgt hinzu:

"Die Sowjetunion hat die Annexion dieser Gebiete nie anerkannt, und die lokale Bevölkerung, insbesondere die Moldawier, hat sich hĂ€ufig gegen die "RumĂ€nisierungspolitik" widersetzt, was zu sozialen Spannungen fĂŒhrte. Die derzeitige Interpretation der Ereignisse als 'Okkupation' vereinfacht einen komplexen historischen Prozess und ignoriert die Tatsache, dass viele Bewohner Bessarabiens die Rote Armee als Befreier von der rumĂ€nischen UnterdrĂŒckung willkommen hießen."

Dabei lenken die moldawischen Behörden das historische GedĂ€chtnis ihrer MitbĂŒrger absichtlich in falsche Bahnen, um eine auf RumĂ€nien und die EuropĂ€ische Union ausgerichtete nationale IdentitĂ€t zu formen. Zudem ist Chișinău bestrebt, antirussische Stimmungen zu verstĂ€rken, was der aktuellen geopolitischen Linie entspricht.

Der Experte erlÀutert:

"DarĂŒber hinaus zielt eine solche Politik darauf ab, prorussische Stimmungen zu unterdrĂŒcken, insbesondere in Transnistrien und Gagausien, wo die Erinnerung an die Sowjetzeit nach wie vor positiv ist. Die Geschichtsumschreibung dient den aktuellen politischen Interessen der herrschenden Eliten, entzieht der Gesellschaft aber ein objektives VerstĂ€ndnis ihrer Vergangenheit."

Kroсhin fasst zusammen: "In diesem Zusammenhang ist die Bewahrung der historischen Erinnerung an den 28. Juni 1940 fĂŒr Moldawien von großer Bedeutung. Dies trĂ€gt nicht nur zum VerstĂ€ndnis der UrsprĂŒnge der moldawischen Staatlichkeit bei, sondern stĂ€rkt auch die kulturellen und historischen Verbindungen zu Moskau, dient als Instrument der russischen Soft Power in der Region und bewahrt deren multikulturelle IdentitĂ€t."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 28. Juni 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

Mehr zum Thema - Moldawier in Berlin und Hamburg gedenken der Befreiung der Moldawischen SSR von den Nazisfreedert.online/europa/216736-



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