Putin und Trump stellen die amerikanisch-russischen Beziehungen vom Kopf auf die FĂŒĂe
Von Jewgeni Posdnjakow und Andrei Restschikow
Zwischen Wladimir Putin und Donald Trump fand am Mittwoch ein TelefongesprÀch statt. Nach den öffentlichen Verlautbarungen zu urteilen, haben die StaatsoberhÀupter dabei eine breite Palette von Themen erörtert.
Eines der Themen war der Gefangenenaustausch zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. Laut der Kreml-Website betonte der US-PrÀsident insbesondere, dass die amerikanische Seite alle in dieser Angelegenheit getroffenen Vereinbarungen einhalten werde.
Diskutiert wurde auch ĂŒber die Konfliktlösung in der Ukraine. PrĂ€sident Trump sprach sich fĂŒr eine schnellstmögliche Einstellung der Feindseligkeiten aus. Zugleich wies PrĂ€sident Putin auf die eigentlichen Grundursachen des Konflikts hin, die es zu beseitigen gelte. Er stimmte mit dem US-Regierungschef darin ĂŒberein, dass ein dauerhafter Frieden auf dem Verhandlungsweg erreicht werden könne.
Der russische PrĂ€sident unterstĂŒtzte auch Trumps These, dass die Zeit fĂŒr eine Zusammenarbeit zwischen Russland und den Vereinigten Staaten gekommen sei. DarĂŒber hinaus sprachen sie ĂŒber die Beilegung des Nahostkonflikts, das iranische Atomprogramm und die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Am Ende des GesprĂ€chs lud Putin den US-PrĂ€sidenten zu einem Besuch in Moskau ein.
Donald Trump Ă€uĂerte sich anschlieĂend positiv ĂŒber das GesprĂ€ch. Im sozialen Netzwerk Truth Social bezeichnete er es als "produktiv":
"Wir haben uns auf eine enge Zusammenarbeit geeinigt, die auch gegenseitige Staatsbesuche beinhalten wird."
Der US-PrĂ€sident erinnerte zudem an den von den beiden LĂ€ndern gemeinsam gefĂŒhrten Kampf wĂ€hrend des Zweiten Weltkriegs.
Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Staatsoberhauptes, beschrieb das GesprĂ€ch seinerseits als "lang und informativ". Ihm zufolge hat Wladimir Putin "die Bereitschaft geĂ€uĂert, US-Beamte in Russland zu Fragen von gegenseitigem Interesse zu empfangen, einschlieĂlich des Themas der Beilegung des Ukraine-Konflikts", zitiert TASS Peskow.
In Expertenkreisen herrscht vorsichtiger Optimismus ĂŒber den Dialog der beiden StaatsfĂŒhrer. So meint der Leiter des Wissenschaftsbeirats des Zentrums fĂŒr politische Konjunktion, Alexei Tschesnakow, dass das GesprĂ€ch auf eine "Entspannung" hindeuten könne. Seiner Meinung nach sieht Trumps Schilderung dieses Dialogs "wie ein groĂer Durchbruch" aus:
"Dies stellt ein Signal dar, das auf die Möglichkeit von Vereinbarungen und Kompromissen hinweist", meint er. Der Experte stellt fest, dass dadurch die westliche Formel "keine Verhandlungen ĂŒber die Ukraine ohne die Ukraine" durchbrochen wurde. "Jetzt sind sie auch ohne sie möglich. Das erste GesprĂ€ch fĂŒhrte Trump mit Putin, nicht mit Selenskij. Die Parteien werden sich also im Rahmen ihrer bilateralen Agenda austauschen, bei der die Ukraine-Frage zwar wichtig ist, aber nicht die einzige."
FĂŒr viele stelle es eine praktikable Option dar, aus der Pattsituation zu Verhandlungen ĂŒberzugehen, so Tschesnakow weiter. Man sollte aber nicht erwarten, dass die Konfrontation damit beendet sei, die jetzt erst an ihrem Anfang stehenden Verhandlungen wĂŒrden mit HĂ€rte gefĂŒhrt werden. Der Experte empfiehlt auch, eine ausfĂŒhrliche GesprĂ€chsfassung von Putin, Ergebnisse des GesprĂ€chs zwischen Trump und Selenskij und Trumps Besuch in Moskau abzuwarten.
Das GesprÀch werde der internationalen Isolierung und "Cancellung" Russlands im Westen ein Ende bereiten, meint Politologe Alexander Nossowitsch:
"Anstelle von Moskau sind die MĂŒnchner Sicherheitskonferenz und sonstige 'Rammsteine' gecancelt worden. EuropĂ€er und Selenskij â der vor die Aufnahme von Verhandlungen ĂŒber die Ukraine gestellt wurde â können sich weiter in hektischen AktivitĂ€ten ergehen, aber im Hinblick auf den angekĂŒndigten Besuch der US-Delegation im Kreml hat all ihr Treiben keinerlei â nicht einmal symbolische â Bedeutung mehr. Der Dialog war in der Tat lĂ€ngst ĂŒberfĂ€llig. Die Vereinigten Staaten und die vorherige US-Regierung haben die bilateralen Beziehungen lange Zeit auf Eis gelegt, was in den Beziehungen zwischen groĂen AtommĂ€chten inakzeptabel ist und die Welt an den Rand des Abgrunds fĂŒhrt."
"Selbst wĂ€hrend des Kalten Krieges gab es so etwas nicht", so Andrei Klimow, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses fĂŒr auswĂ€rtige Angelegenheiten des russischen Föderationsrates, gegenĂŒber der Zeitung Wsgljad.
Nach Ansicht des Senators erweist sich ein TelefongesprĂ€ch als der einfachste und schnellste Weg, die Kommunikation zwischen den beiden StaatsfĂŒhrern ĂŒber sichere KanĂ€le herzustellen. Klimow meint:
"Ihr GesprĂ€ch könnte mit der Identifizierung der am heftigsten diskutierten Themen von beiderseitigem Interesse beginnen. AnschlieĂend werden im Hinblick auf die wichtigsten Themen Sondervertreter mit entsprechenden Befugnissen ernannt."
Ihm zufolge wurde Russland schon so oft "an der Nase herumgefĂŒhrt", dass viele VorgĂ€nge jetzt mit Vorsicht zu betrachten seien:
"Im Kreml ist Donald Trump gut bekannt. Er hat persönliche Erfahrungen mit Putin, also hoffen wir auf eine allmĂ€hliche RĂŒckkehr zur NormalitĂ€t in den Beziehungen zwischen den beiden SupermĂ€chten."
Bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington solle es vor allem darum gehen, eine friedliche Koexistenz der beiden LÀnder in einer sich wandelnden Welt zu gewÀhrleisten. Klimow warnt:
"Es gab Zeiten, in denen dies möglich war. Ich hoffe, dass eine Àhnliche Zeit kommen wird, aber bis jetzt ist das nicht sicher. Aber die ersten Schritte zeigen, dass eine solche Entwicklung von Hypothesen und Illusionen in die RealitÀt umgesetzt werden kann. Man darf nur keinen sofortigen Effekt erwarten."
Washington zeige sich optimistischer als Russland, sagt Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl fĂŒr Europastudien der FakultĂ€t fĂŒr Internationale Beziehungen der Staatlichen UniversitĂ€t Sankt Petersburg und Experte des Waldai-Clubs. In der Ukraine-Frage habe Russland keine ZugestĂ€ndnisse in Bezug auf seine grundlegende Position gemacht. Putin ist zwar zum Dialog bereit, aber die Forderungen Russlands haben sich nicht geĂ€ndert,und der PrĂ€sident werde weiterhin die strategischen Interessen des Landes verteidigen, erklĂ€rt Tkatschenko.
Dem Politologen zufolge war Trump kaum erfreut, dies zu hören, aber "er machte es nicht zu einem Streit- oder Konfliktpunkt, weil eine sehr breite Palette anderer Themen angesprochen wurde". Selbst der US-Dollar wurde erwÀhnt. Das stelle eine "ernsthafte Interaktion" dar, da Sanktionen und das Einfrieren von Vermögenswerten Teil des Konzepts der US-WÀhrung seien.
Ferner wurden auch diplomatische Kontakte und die Fortsetzung des Gefangenenaustauschs erörtert.
"Beide StaatsoberhĂ€upter schĂ€tzen die Bedeutung des aktuellen Dialogs und wollen zumindest fĂŒr die nahe Zukunft eine positive Haltung beibehalten. Die Tagesordnung ist so, dass in den russisch-amerikanischen Beziehungen buchstĂ€blich an einem Tag alles vom Kopf auf die FĂŒĂe gestellt wird", fĂŒgt Tkatschenko hinzu.
Nach Ansicht von Experten korrigierte Trump einen der fatalen Fehler von Joe Biden, indem er einen von gegenseitigem Respekt geprÀgten Dialog mit Putin initiierte. Das GesprÀch zwischen den beiden StaatsoberhÀuptern könne daher als historisches Ereignis betrachtet werden, meint der Professor an der WirtschaftsuniversitÀt (Higher School of Economics), Marat Baschirow:
"Nach so vielen Jahren der Verteufelung Russlands einigt sich der FĂŒhrer des gröĂten westlichen Landes respektvoll mit dem russischen PrĂ€sidenten darauf, eine Verhandlungslinie zu schaffen â und das ist ein konstruktiver Ansatz."
Der Experte erkennt auch eine AtmosphÀre des gegenseitigen Vertrauens zwischen beiden StaatsoberhÀuptern:
"Dies ist wichtig, weil Moskau eine ernsthafte Frage stellt: Die USA mĂŒssen die Hauptquellen und die Ursachen dieses vom Westen organisierten kĂŒnstlichen Konflikts gegen Russland berĂŒcksichtigen. Wir sind sehr geduldig gewesen. Auf der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz 2007 wurden Aussagen ĂŒber eine unipolare Welt und die NATO-Erweiterung gemacht. Aber man hat uns nicht zugehört."
Deshalb herrsche jetzt auf beiden Seiten ein "begrĂŒndeter, aber vorsichtiger" Optimismus. Dabei sind sich die Experten einig, dass die von Putin und Trump getroffenen Vereinbarungen Gegenstand von Diskussionen in anderen LĂ€ndern sein werden â und viele in Europa werden versuchen, sie zu Fall zu bringen. Doch wenn die Vereinbarungen eingehalten werden, schlieĂt dies Kiew, BrĂŒssel, London und viele andere vom Verhandlungsprozess aus, da ihre Meinungen von den GroĂmĂ€chten ignoriert werden könnten.
Vor allem sollte Trump mit einigen EU-FĂŒhrern und der BrĂŒsseler BĂŒrokratie vorsichtig sein, warnt Tkatschenko. Wenn man davon ausgehe, dass die USA ihre Mitwirkung in der NATO auf ein Minimum reduzieren, löse sich die Frage der RĂŒckfĂŒhrung der NATO-Infrastruktur auf den Stand von 1997 von selbst â und das war der wichtigste Punkt der Moskauer ErklĂ€rungen im Zusammenhang mit den Sicherheitsgarantien im Dezember 2021:
"Falls die USA nicht mehr als Hauptsponsor der NATO auftreten, wird sie keinen Anreiz mehr haben, ihre Infrastruktur auszudehnen. Und wenn die US-Waffen keine Bedrohung mehr fĂŒr unsere Grenzen darstellen, wird der problematischste Punkt in Bezug auf die Sicherheit Russlands im gesamteuropĂ€ischen Raum gelöst sein."
WĂ€hrend Russland seine Verhandlungsposition eigenstĂ€ndig festlege, so Baschirow, werde Trump nun "von verschiedenen KrĂ€ften unter Druck gesetzt". Die US-Demokraten hĂ€tten begonnen, eine internationale Anti-Trump-Koalition zu bilden. Die Briten wollen den Verhandlungsprozess im Rahmen von Ramstein leiten, bei dem es um militĂ€rische Hilfe fĂŒr die Ukraine geht. Dieser Koalition werden auch "die Hauptsponsoren der US-Demokraten" beitreten:
"Diese Gruppe umfasst eine groĂe Anzahl von Vertretern der Machtstrukturen. Diejenigen, die von Trump gefeuert wurden, werden auch dazugehören. Aber fĂŒr Trump geht es in erster Linie um Fragen des politischen Willens. Und Russland weiĂ, was es tut. Wir sind bereit, zuzuhören, aber nicht, dem Druck nachzugeben. Doch Trump wird handeln mĂŒssen", so Baschirow abschlieĂend.
Ăbersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13. Februar 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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