Die antirussische Propaganda in Deutschland erreicht das Niveau der Nazizeit
Von Tarik Cyril Amar
Wie fast überall in NATO-EU-Europa sind derzeit auch in Deutschland die Bürger einem ununterbrochenen Bombardement schamloser und oft erstaunlich grober Propaganda ausgesetzt. Die politischen Eliten und die Leitmedien versuchen verzweifelt, sie auf einen Krieg gegen Russland einzustimmen. Und diesmal nicht über einen Stellvertreter, also nicht über eine verwüstete Ukraine und tote Ukrainer, sondern unmittelbar.
Wie es ein früherer, sehr böser, aber zu seinen Hochzeiten nur zu populärer deutscher Meister der Massenmanipulation – der ebenfalls den Krieg mit Russland mehr liebte, als für ihn (und Deutschland) gut war – vor über einem Jahrhundert erklärte, zeigt wirkungsvolle Propaganda die Welt sehr, sehr einfach. Der oft buchstäblich lähmende Effekt der Propaganda baut, um ein kleines Detail hinzuzufügen, auf zwei primitiven, aber mächtigen – und sehr alten – Tricks auf: dem Prinzip der kaputten Schallplatte und dem Litanei-Effekt.
Ihre Bedeutung ist ebenfalls elementar und lautet im Kern: Wenn dein Bild von der Wirklichkeit eine Täuschung ist, du keine vernünftigen Argumente hast und dein Anliegen absurd ist, verzweifle nicht! Trichtere dem Publikum stattdessen unaufhörlich einige sehr grundlegende und falsche Gedanken ein, bis ihm von den Wiederholungen schwindlig wird (das Prinzip kaputte Schallplatte), und fordere gleichzeitig regelmäßig seine Zustimmung ein (der Litanei-Effekt)! Kurz gesagt: Schrei ihnen weiter denselben Unsinn zu und lasse sie regelmäßig "ja" zurückblöken! Du weißt schon, wie ein Ritual eben.
Wenn es darum geht, wie die laufende Wiederholung der traditionellen deutschen "Die Russen kommen"-Hysterie erzeugt wird, ist es einfach, eine Handvoll fadenscheiniger, blöder und kindisch einfacher Leitmotive zu identifizieren: Russland und nur Russland ist am Krieg in der Ukraine schuld. Russland will Europa angreifen (wenn nicht gar die ganze Welt) – und das schon bald: Und Russland ist unglaublich heimtückisch und intrigant, weshalb man mit ihm keinen vernünftigen Kompromiss schließen kann.
Aber was ist mit den Feinheiten dieser Propagandakampagne? Selbst eine einfache Geschichte braucht Details, und wenn sie ohne Unterlass wieder und wieder erzählt wird, müssen sich wenigstens diese Details verändern: die gleiche alte Geschichte, nur mit einer anderen Geschmacksrichtung. Und genau da wird es trickreich.
Denn zum einen könnte die Propaganda, wenn man den falschen Geschmack erwischt, so dumm aussehen, wie sie tatsächlich ist. Ein aktuelles Beispiel dafür, in Deutschland wie auch im EU-Parlament, ist die vor Kurzem lancierte Hysterie rund um den russischen Welthit Sigma Boy. Die genial ins Ohr gehende Melodie ist ein Kunstwerk, ob es einem gefällt oder nicht. Sein Text ist ungefähr so tiefgründig wie eine Margarinewerbung.
Das hält aber die radikal-zentristische deutsche Elite nicht davon ab, die geheimnisvollen Tiefen des Lieds als eine heimtückische Waffe im russischen Kulturkampf zu erkunden. Denn Sigma Boy sei, wie eine EU-Parlamentarierin aus Hamburg – mit ein wenig Hilfe aus der Ukraine – anmerkte, in Wirklichkeit ein "virales russisches Klischee, das auf sozialen Medien eingesetzt wird und eine patriarchale und prorussische Weltsicht verbreitet". Zudem sei es "nur ein Beispiel russischer Infiltration des öffentlichen Diskurses über soziale Medien". Sigma Boy ist also, wie man sieht, in Wirklichkeit nur ein Code für – Trommelwirbel – PUTIN!
Dumm? So lächerlich, dass es einen die Peinlichkeit spüren lässt, wenn jemand anderer sich völlig zum Narren macht, und man ihm einfach nur sagen will, dass er die Klappe halten soll, um den letzten Rest Glaubwürdigkeit zu retten? Ja, offenkundig.
Tatsächlich hatte im Fall der großen Sigma-Boy-Panikattacke selbst der Spiegel – inzwischen ein zuverlässig russophobes und NATO-militaristisches Blatt – leichte Bedenken. Er widmete dem Phänomen einen ganzen Podcast und ließ einen Redakteur und einen Journalisten in vollem Ernst über den Fall Sigma Boy nachsinnen, mit deutscher Gründlichkeit und einer Mimik, als würden Kant und Hegel über das Wesen von TikTok philosophieren. Das Ergebnis: Vielleicht, nur vielleicht, ist es einfach nur ein Pop Song.
Jetzt könnte man sagen: "Großartig, wenigstens irgendwer fällt nicht ganz der Massenhysterie zum Opfer." Aber das wäre zu optimistisch. In Wirklichkeit stellt sich doch die Frage, wie die Lage überhaupt derart absurd werden konnte? Welchen Zeitgeist braucht es, dass sich eine EU-Abgeordnete nicht schämt, ein solches Ausmaß provinzieller Paranoia zu zeigen? Braucht Deutschlands führendes Nachrichtenmagazin intensive Recherchen und eine lange Diskussion, um herauszufinden, dass sie vielleicht doch nicht recht hat?
In dieser Hinsicht führt uns ein anderes Propagandafiasko aus jüngerer Zeit weiter. Sein Kern ist einfach: Einige mögen wissen, dass das ZDF, einer von Deutschlands einflussreichsten und beliebtesten de facto Staats-Fernsehkanälen, ein unerschütterlicher Verbreiter israelischer Propaganda ist, insbesondere während des aktuellen Genozids in Gaza.
Aber das ZDF hat auch eine solide russophobe Seite. Einmal ging es in seinem unermüdlichen Eifer, es den großen, bösen Russen zu zeigen, etwas zu weit: In seiner Hauptnachrichtensendung und in einer langen, sensationsheischenden Pseudo-Dokumentation in seiner Geschichtsreihe Terra X erklärte der Sender unter dem Titel "Spionage, Sabotage und Fake News aus Russland. Putins Krieg gegen uns" mit ein paar billigen formalen Abschwächungen, Russland stecke, neben anderen heimtückischen Plänen, hinter einem islamistischen Terrorangriff in Mannheim im Mai 2024.
Das war offenkundig ein extrem ernster Vorwurf, vom Grundsatz her ebenso wie im Detail: Der Angriff, ausgeführt von einem Afghanen, der seit zehn Jahren in Deutschland lebte, führte zu fünf verletzten Opfern und einem getöteten Polizisten. Mehr noch, in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit ist dieser Terrorangriff nur ein Teil einer ganzen Reihe nicht miteinander verknüpfter, aber ähnlich gewalttätiger Anschläge, zu denen es im Laufe des vergangenen Jahres kam und zu denen auch die Taten von Magdeburg, Solingen und Aschaffenburg zählen.
Wenn man also wegen eines dieser traumatisierenden Angriffe mit dem Finger auf Russland zeigt, impliziert man, dass Moskau auch bei allen anderen die Hand im Spiel gehabt haben könne. Und voilà! Ein neuer und besonders schrecklicher Vorwurf gegen Russland ist geboren: Moskau, so die Essenz dieser wildesten unter vielen wilden Erzählungen, benutzt Migranten, um blutige islamistische Terroranschläge in Deutschland zu verüben.
Und diese große fette Lüge wirkte schnell: Eine Reihe großer Leitmedien in Deutschland und im Ausland fing an, die Geschichte unkritisch zu wiederholen, wie derTelegraph und die Sun in Großbritannien, der deutscheMerkur und die französischeSud-Oest.
Doch die "Recherche", auf die sich das ZDF bei diesem spezifischen Propagandaschlag gegen Moskau stützte, war derart atemberaubend schlampig ausgearbeitet worden, dass diesmal selbst Deutschlands Auslandsnachrichtendienst BND einschreiten musste.
Kurz nachdem das ZDF seinen Aufschlag gemacht hatte, widersprach der BND ihm öffentlich und wies darauf hin, dass die Methode – eine naive Fehldeutung der Trenddaten von Google –, die genutzt worden war, um diese Vorwürfe gegen Russland zu produzieren, lächerlich unzuverlässig ist. Im Nachgang kam zudem heraus, dass mehrere deutsche Nachrichtendienste das ZDF bereits vor der Ausstrahlung der Pseudo-Dokumentation von Terra X gewarnt hatten. Selbst die konservative deutsche Zeitung Welt nannte das Machwerk des ZDF – in einer massiven Untertreibung – "fahrlässig".
So weit, so schlecht. Nur ein weiterer Fall von Propaganda, die sich selbst demaskiert hat, indem sie zu weit ging. Genau das ist es, was jetzt passiert. Auch wenn die übelste Lüge über Russland unglaubwürdig wurde, hat das tatsächlich keine Konsequenzen.
Allerdings ist das der Punkt, an dem die ganze Affäre erst interessant wird. Die 45-minütige Sendung von Terra X war vollgepackt mit anderen, gleichermaßen unbegründeten Vorwürfen gegen Russland. Tatsächlich war sie eine einzige Abfolge von Hörensagen nach Spekulationen, alle beruhend auf gründlichen Beweisen von der Sorte "westliche Nachrichtendienste glauben".
Haben sie bei Terra X je von diesen irakischen Massenvernichtungswaffen gehört? Von den Babys, die in Kuwait aus den Inkubatoren gerissen wurden? Oder davon, dass Gaddafi seinen Truppen Viagra ausgab, um Vergewaltigungen zu fördern? Alles Lügen, natürlich. Alle jeweils zu ihrer Zeit von diesen unglaublich verlässlichen westlichen Nachrichtendiensten verbreitet, und von den Massenmedien, die als ihr Propagandaarm fungieren. Und all diese Lügen, diese echten Fälle von "hybrider Kriegsführung" – von den westlichen Eliten gegen ihre eigene Bevölkerung –, hatten stets denselben Zweck: militärische Aggressionen des Westens vorzubereiten und zu rechtfertigen.
Aber auch im Fall Terra X hinterlässt die Tatsache, dass die einzelne, dreisteste antirussische Unterstellung von vielen ausnahmsweise schnell als bestenfalls unverschämter Unfug enttarnt wurde, nicht einmal eine Scharte in der Geschichte.
Im Gegenteil, das Einzige, was passiert, ist, dass ein einzelner Sündenbock ausgewählt und geopfert wird: Steven Broschart, der diskreditierte "Datenprofiler" und selbst ernannte "Analytiker für digitales Verhalten". Die Botschaft heißt jetzt: Das war alles er. Aber das ist offensichtlich unwahr. Lange Passagen der Erzählung von Terra X bestehen aus verschiedenen, oftmals weit prominenteren, sprechenden Köpfen, die mit ihrer Autorität eine lange Liste ähnlich unbegründeter Vorwürfe russischer Verbrechen stützen und überhaupt dabei helfen, die Kriegstrommeln gegen Russland zu schlagen.
Da gab es beispielsweise einen Beamten des Verfassungsschutzes, der erst passenderweise bestätigte, das Internet sei eine "Schatztruhe" von Informationen, die Sabotage- und Angriffspläne enthüllten; und dann die Zuschauer informiert, sie befänden sich bereits im Krieg mit Russland, selbst wenn sie es noch nicht gemerkt hätten. Das ist in Deutschland keine Schlagzeile mehr: im Krieg, noch nicht im Krieg mit Russland … Wen kümmert das, sobald wir alle wissen, wohin wir sowieso gehen sollen, und so bald schon?
Der Gerechtigkeit halber: Der Mann vom Verfassungsschutz hatte auch eine unterhaltsame Seite: Man brauche keine Panzer, um ein Land niederzuringen, klärte er uns auf, denn man könne auch seine lebenswichtige Infrastruktur angreifen. Wirklich? Was Sie nicht sagen! Sie meinen, so wie Deutschlands "Verbündete" in Washington und deren Schmarotzer in Kiew die Nord-Stream-Pipelines angegriffen haben? Nein, ich scherze nur. Natürlich meinte er nicht das. Denn das wäre die Wirklichkeit, und sein Auftrag ist offenkundig das Gegenteil, Propaganda.
Der unverzichtbare deutsche Professor Martin Schulze Wessel fügte Plattitüden über Putin hinzu, der, so lernen wir, in Kategorien von Ost und West und Antagonismus denkt. Wow! Haben wir ein Glück, dass das im Garten Werteeuropa und in einem Deutschland, das beschlossen hat, sich wortwörtlich wieder einmal durch Antagonismus gegen Russland zu definieren, niemand tut.
Außerdem bestätigte der Professor, Russland sei eine "direkte" Bedrohung für Deutschland – klar, ganz anders als die Ukraine und die USA; offenbar selbst dann, wenn sie die größte Sabotagehandlung an Infrastruktur in der deutschen Geschichte in Friedenszeiten begangen haben. Und der deutschen Öffentlichkeit muss diese Nicht-Tatsache bewusst gemacht werden, schulmeisterte der Professor. Danke dafür, die Essenz von Propaganda so selbstlos zusammengefasst zu haben: den Menschen etwas bewusst machen, was es nicht gibt. Und das Gegenteil, wenn wir das hinzufügen dürfen, ist ebenfalls wichtig: dass der gleichen Öffentlichkeit das aus dem Bewusstsein geraten soll, was tatsächlich existiert, etwa der Angriff auf Nord Stream, der auf ewig unerwähnt bleiben muss.
Mein einziger Vorbehalt, den unterhaltsamen Beitrag von Schulze Wessel betreffend, ist, dass er, aus Gründen der Transparenz, die er den Zuschauer hätte wissen lassen können, eng mit der Ukraine vernetzt ist, insbesondere mit der ziemlich nationalistischen Stadt Lwow. Noch einmal, nichts Großes: Auf dem großen Kreuzzug gegen das böse Russland werden kleinere Sünden vergeben.
Die Besetzung von Terra X war reich, und nicht jeder kann hier erwähnt werden. Aber uns würde etwas entgehen, erwähnten wir nicht Anton Schechowstow. Jetzt ironischerweise in einem "Zentrum für demokratische Integrität" beheimatet, war er der Kommentator, der öffentlich das Feuer im Gewerkschaftshaus von Odessa feierte und dessen Opfer mit Schädlingen verglich. Entmenschlichend? Vielleicht psychologisch eine kleine faschistische Schlagseite? Kommt schon! Noch einmal, auf dem großen Feldzug gen Moskau sind kleine Übereifrigkeiten mehr als willkommen.
Seine Aufgabe bei Terra X war unausgesprochen, doch auf unbeholfene Weise klar: Er diente als der "Experte", der erklärte, dass alles, was in der Sendung vermutet wurde, "schwer zu beweisen" sei; aber natürlich nicht im Sinne von "vermutlich nicht wahr", sondern von "absolut wahr, selbst ohne jeden Beweis". Danke, Anton, auch dafür, einen grundlegenden, aber immer beliebten Trick der Gossenpropaganda vorgeführt zu haben: "Man kann sie nicht sehen", lautet er, "aber nur deshalb nicht, weil sie so gut versteckt sind. Was wieder beweist, wie gefährlich sie sind."
Die allergrößte Ironie an diesem Stück von als Waffe gebrauchtem "Journalismus" eines der größten deutschen Sender ist seine trampelige Überheblichkeit. Denn im Kontext des vom Westen provozierten und mit Stellvertretern ausgefochtenen Ukraine-Kriegs gibt es auch echte Sabotage und echten Terrorismus seitens der Ukraine und des Westens: der Anschlag auf die Crocus City Hall in Moskau, die Ermordung von General Igor Kirillow, der heimtückische Mord an Daria Dugina, die ukrainischen Angriffe auf die Brücke von Kertsch und auf Nord Stream. Diese Liste kann noch erweitert werden – dies alles sind aber klare Beispiele dafür, dass die Ukraine Terrorismus einsetzt. Und wir wissen schon seit Jahren aus den westlichen Leitmedien, dass hinter all diesen Aktivitäten die praktische und stolze Unterstützung durch westliche Nachrichtendienste steht.
Ist es möglich, dass Russland in einem Konflikt, in dem der Westen und die Ukraine großzügig Taktiken des "hybriden" Krieges einsetzen, dies manchmal in gleicher Münze heimzahlt? Im Prinzip ja. Man könnte sogar behaupten, es müsse das tun, um glaubwürdig zu bleiben.
Vorwürfe, wonach Russland islamistischen Terror fördere, unter dem es selbst massiv gelitten hat, sollten sich jedenfalls für jeden mit nur einem halben Hirn und ein wenig grundlegendem Anstand von selbst verbieten. Und es täte dem Westen gut, sich an den Balken im eigenen Auge zu erinnern.
Für die westlichen Medien würde das, wenn wir die direkte Lüge mal beiseitelassen, bedeuten, dass es nicht nur unehrlich, sondern lächerlich ist, "Journalismus" zu machen, der sich auf Russland alleine konzentriert. Das Mindeste, was eine seriöse Untersuchung tun müsste, ist, alle Seiten zu betrachten und Informationen von allen Seiten kritisch zu behandeln.
Aber das wäre ein Stück praktischer Aufklärung, die die Zuschauer und Bürger intellektuell und politisch ermächtigt, und keine wirkungsvolle Vorkriegs-Propaganda mehr. Es könnte sogar dazu führen, dass – oh Graus! – Kompromiss und Frieden beworben würden.
Jetzt allerdings finden es in Deutschland und im Rest von Westeuropa Journalisten, Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden, Experten und Akademiker völlig in Ordnung, Propaganda der primitivsten Art ihren Namen zu leihen. Welch eine Schande!
Übersetzt aus dem Englischen.
Tarik Cyril Amar ist Historiker an der Koç-Universität in Istanbul, er befasst sich mit Russland, der Ukraine und Osteuropa, der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, dem kulturellen Kalten Krieg und der Erinnerungspolitik. Man findet ihn auf X unter @tarikcyrilamar und auf Substack unter den Links @tarikcyrilamar.substack.com und tarikcyrilamar.com.
Mehr zum Thema - Die Axt im Kopf erspart Strack-Zimmermann