Meinungsfreiheit in Deutschland: Staatsschutz ermittelt nach "Völkermord"-Vorwurf auf der Berlinale
Der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin ermittelt, nachdem es auf der "Berlinale" am vergangenen Sonnabend zu einem als "antisemitisch" beziehungsweise "israelfeindlich" bezeichneten Vorfall gekommen war.
Here is the đšđĄđ°đČđ»đđŒđżđČđ± version of the #Berlinale2025 speech by Jun Li using a phrase that some in Germany claim is criminal: speaking up for FREEDOM and EQUALITY, "from the river to the sea" in historic Paletine, for all peopleWhy is Germany against equality for all? t.co/EG6OhONhUm pic.twitter.com/OYSByAEjOV
â Paul Dva #FromThe River2TheSea đ§đ (@zoolooy) February 17, 2025
Laut Presseberichten hatte der chinesische Regisseur Jun Li in der "Urania" eine ErklÀrung des iranischen Schauspielers Erfan Shekarriz verlesen, der in seinem Spielfilm "Queerpanorama" mitgewirkt hat. Der Film wurde im Rahmen des Festivalprogramms gezeigt, nicht als Teil des Wettbewerbs. Der Schauspieler hatte in seiner Rede vom "Genozid" Israels an den PalÀstinensern gesprochen.
Heftige Kritik an der deutschen Politik
Mitschnitte dieser Rede werden auf den Social-Media-KanĂ€len verbreitet, allerdings teilweise an den beanstandeten Stellen bearbeitet (mit einem darĂŒber gelegten Piepton). Shekarriz hatte unter anderem davon gesprochen, dass Millionen PalĂ€stinenser unter Israels brutalem Siedlerkolonialstaat ersticken wĂŒrden, der vom Westen finanziert werde. Die deutsche Regierung, einschlieĂlich der "Berlinale", wĂŒrde in der einen oder anderen Form dazu beitragen, ein System der Apartheid in Israel aufrechtzuerhalten und den "Genozid", das brutale Töten und die "Auslöschung" des palĂ€stinensischen Volkes ermöglichen.
Begleitet von teils zustimmenden, teils scharf ablehnenden Zwischenrufen und Pfiffen, trug der Regisseur den Redetext weiter vor. Darin ruft Shekarriz die Deutschen dazu auf, sich weiterhin fĂŒr Redefreiheit einzusetzen, wenn es um PalĂ€stina geht. In Deutschland wĂŒrde "klar ein autoritĂ€res, faschistisches und beĂ€ngstigendes politisches Klima" herrschen.
Der Spielfilm handele jedoch von Freiheit, Ausdrucksmöglichkeiten und Befreiung. Alle seien so lange unfrei, bis nicht alle frei seien, ungeachtet ob "queer" oder palĂ€stinensisch. An dieser Stelle erfolgte ein Zwischenruf: "Oder jĂŒdisch!"
Der Regisseur appellierte an die Zuschauer im Saal, der unschuldigen palĂ€stinensischen Kinder, ihrer MĂŒtter und VĂ€ter und Geschwister zu gedenken, die ihre Leben oder ihre Existenzgrundlagen aufgrund der israelischen Besatzung seit 1948 verloren haben, die auch von der Bundesrepublik Deutschland mit getragen worden sei.
Das "Nie wieder" gelte auch fĂŒr das Leben von PalĂ€stinensern. Am Schluss seiner Rede zitierte der Regisseur die Parole "From the river to the sea, Palestine will be free". Die Interpretation dieser Formel ist umstritten. Gemeint ist das Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer, wozu auch das Staatsgebiet Israels gehört. In der Lesart der deutschen Behörden wird die propalĂ€stinensische Forderung so verstanden, dass damit Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.
Vonseiten der "Berlinale" wurde Bedauern geĂ€uĂert. Deren Intendantin, Tricia Tuttle, erklĂ€rte dazu laut Zeit: "Wir haben unsere GĂ€ste im Vorfeld darauf hingewiesen, welche politischen ĂuĂerungen besonders sensibel und welche möglicherweise strafbar sind."
Dass zu Hamas-Parolen Beifall aufbraust, macht fassungslos. Der Zentralrat hat vor der #Berlinale2025 das GesprÀch zu den Veranstaltern gesucht. Wir waren uns einig, wie mit diesem klaren Israelhass und israelbezogenen Antisemitismus umzugehen ist. Wir gehen davon aus, dass ein⊠t.co/9s3MWt6iQ8
â Zentralrat der Juden in Deutschland (@ZentralratJuden) February 17, 2025
Zentralrat der Juden: "fassungslos"
Wie der rbb meldete, stellte der Zentralrat der Juden in Deutschland auf X einen Zusammenhang zwischen dem Vorfall auf der Berlinale und der palĂ€stinensischen Hamas her: "Dass zu Hamas-Parolen Beifall aufbraust, macht fassungslos (âŠ) wir gehen davon aus, dass ein solches Verhalten entsprechend sanktioniert wird."
Bereits im vergangenen Jahr hatte es auf der Preisverleihung der "Berlinale" teils massive Kritik einzelner PreistrĂ€ger am militĂ€rischen Vorgehen Israels gegeben. Allerdings sei auch damals der Angriff der Hamas vom Oktober 2023 nicht erwĂ€hnt worden. Und auch 2024 waren in den RedebeitrĂ€gen die Begriffe Apartheid fĂŒr die von Israel besetzten Gebiete sowie Genozid im Zusammenhang mit dem Einsatz der israelischen Armee in Gaza verwendet worden.
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