Ohne Hoffnung auf Onkel Sam und Onkel Xi – Russland wird seinen eigenen Weg gehen
Von Wiktoria Nikiforowa
Die Verhandlungen mit Donald Trumps Team verlaufen nach dem Motto "Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück". Aber das ist nicht überraschend: Es ist eine Folge davon, dass die USA nicht mehr der Weltpolizist, nicht mehr der Hegemon – oder was immer sie zu sein vorgaben – sind.
Innenpolitisch sieht sich Präsident Trump einem heftigen Widerstand gegenüber. Außenpolitisch ist er nicht in der Lage, den von ihm angekündigten Waffenstillstand im Gazastreifen umzusetzen, und er weiß nicht, was er dem unverhohlenen Aufstand der europäischen Vasallen entgegensetzen soll.
Vor fünfzehn Jahren veröffentlichte der Historiker Alfred McCoy einen Artikel mit dem Titel "Wie Amerika im Jahr 2025 zusammenbricht". Nun wurde er von demselben Online-Medium nachgedruckt – unklar ist jedoch, ob es sich dabei um Ironie handelt oder um ein Eingeständnis, dass die Katastrophe unmittelbar bevorsteht. Für unsere Generation, die in der Ära der absoluten Hegemonie Amerikas in den 1990er Jahren aufgewachsen ist, ist die Situation jedoch überraschend: Der US-Präsident, der einst als der mächtigste Mann der Welt galt, verfügt nicht über die erforderlichen Ressourcen, um seine Entscheidungen durchzusetzen.
Doch was tritt an die Stelle der Epoche der Unipolarität? Schließlich sind in der modernen Welt keine Machtzentren entstanden, die mit den USA der 1990er Jahre vergleichbar wären. Ja, die europäische Bürokratie macht viel Lärm, verwendet aber all ihre Energie darauf, sich mit Trump zu streiten. Der tatsächliche Einfluss der EU auf das Weltgeschehen ist äußerst gering.
In der Praxis befindet sich Europa im Spagat zwischen Russland und China und hat einen schneidigen Nachbarn – die Türkei. Gleichzeitig versucht jeder EU-Mitgliedsstaat auf seine Weise, das Gleichgewicht in dieser Situation zu halten. Diese Kunst verdient Applaus!
Es gibt keine Warteschlange für die Weltpolizistenrolle. Die Ressourcen Chinas würden es dem Reich der Mitte zwar erlauben, diese Rolle zu übernehmen. Es will jedoch nicht den Fehler der Amerikaner wiederholen und seine Kapazitäten für außenpolitische Aktivitäten verschwenden. Peking beschäftigt sich mit seinen eigenen Anliegen, und das drängendste davon ist das Wirtschaftswachstum.
Russland hat ebenfalls seine eigene Agenda – seine Anliegen konzentrieren sich keineswegs nur auf die Ukraine. Auch für uns ist die Wirtschaft extrem wichtig, sogar noch wichtiger als die demografischen Probleme.
Die unipolare Welt ist still und unmerklich in Vergessenheit geraten. Während die Rhetorik des Westens die gleiche ist wie zuvor, sind die Strukturen der Alten Welt im Zuge der militärischen Sonderoperation in der Ukraine verfallen und zusammengebrochen. Die aktuelle Weltlage ist in etwa dieselbe wie Ende der 1980er Jahre in der UdSSR: Die Zeitungen berichten treuherzig über den Aufbau des Kommunismus, aber in der Realität läuft bereits alles ganz anders und neue Strukturen treten an die Stelle der alten.
Und die multipolare Welt sieht so aus, wie wir sie heute erleben: zähflüssige lokale Konflikte, anstrengende, zermürbende Interessenkämpfe. Auf einmal treten Kleinstaaten in den Vordergrund der Weltpolitik, und ihre charismatischen Staatsführer erringen ein politisches Gewicht, das der Größe ihres Staates nicht zu entsprechen scheint – man denke etwa an Viktor Orbán.
Es wurde viel über die Epoche des Zusammenbruchs der Nationalstaaten gesprochen. Wenn diese Prognose tatsächlich eingetreten ist, dann nur im Hinblick auf den Westen. Dort findet ein echter Ersetzungsprozess gegenüber der eigenen Bevölkerung statt, und die Menschenmassen werden von Oligarchen regiert, die fast offen ihre Marionettenregime errichten.
Für die nichtwestlichen souveränen Staaten beginnt hingegen die Blütezeit. Russland und Indien, Brasilien und China, Indonesien und Äthiopien, die Türkei und Vietnam – sie alle fühlen sich großartig und streben eine eigenständige Entwicklung an.
Tatsächlich erleben viele Länder heute eine neue Dekolonisierung beziehungsweise eine Befreiung von der Knechtschaft des Kollektiven Westens. Sie treten auf der Weltbühne mutig in Konkurrenz zu den ehemaligen Kolonialherren und nutzen aktiv die widersprüchlichen Interessen der Großstaaten aus. Auch dies gehört zu den Merkmalen der Multipolarität.
Man wird sagen, dass der Westblock versucht, seine Hegemonie aufrechtzuerhalten, und dabei von der Poesie der inszenierten Demokratie zur harten Prosa der Diktatur übergeht. Trump "flirtet" mit der Idee seiner dritten Amtszeit, Macron ließ ein Strafverfahren gegen die wichtigste Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen einleiten, und Rumänien sagte die Wahlen wegen des Sieges eines unerwünschten Kandidaten ab. Diese Versuche, Diktatur zu spielen, sind jedoch nur Ausdruck der Verzweiflung über die Unfähigkeit, die Massen und die politischen Prozesse tatsächlich zu kontrollieren.
Die Drangsalierung von Trump trug zu seinem Wahlsieg bei, aber wohin wird die Strafverfolgung von Marine Le Pen führen? Denn wenn man die Daumenschrauben zu stark anzieht, lösen sie sich vom Gewinde.
Nicht von Russland ging die Initiative zur Demontage des alten politischen Modells aus, sondern von den westlichen Eliten selbst, die ihr Ego und ihre Aggressivität auf die Spitze trieben. Aber die aktuelle Lage ist zweifellos günstig für uns: Wie die Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, wurden wir zu einer der stärksten Weltmächte. Unser wirtschaftliches und militärisches Potenzial ermöglicht es dem Land, sich friedlich und souverän zu entwickeln und eine Insel der Stabilität in einem Meer von geopolitischem Chaos zu bleiben.
Zurück zu den Verhandlungen mit Washington: Der Pragmatismus der amerikanischen Regierung in ihrem Friedensstreben ist zu begrüßen. Aber wir können uns nicht allein auf Trump verlassen: Unser Verhandlungspartner ist nicht allmächtig. Wenn er in die Fänge von Kriegsfalken gerät und zu einem Kurswechsel gezwungen wird, wird sich für uns nichts ändern.
Wir werden weiterhin gegen die ukrainischen Streitkräfte kämpfen und unsere Probleme – sobald sie auftauchen – bewältigen. Wir werden unseren eigenen Weg gehen – ohne jede Hoffnung auf Onkel Sam oder Onkel Xi. Und in dieser neuen, multipolaren Welt hat Russland alle Chancen auf Erfolg.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 7. April 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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