Amerika droht der Welt mit dem Allerschlimmsten
Von Wiktorija Nikiforowa
Der Historiker Arnold Toynbee sagte einmal, dass "Zivilisationen nicht ermordet werden – sie begehen Selbstmord". Dieser Prozess erstreckt sich über einen langen Zeitraum – auch wenn man uns immer wieder von verkürzten historischen Zyklen erzählt – und ist für alle mit Unheil verbunden. Das Blut fließt in Strömen, die Zivilisation krampft, kratzt sich am Boden, keucht und schlägt mit dem Schwanz auf den Boden.
Genau das geschieht seit einigen Jahrzehnten mit den USA. Es sieht so aus, als würde das Land in Zeitlupentempo Harakiri begehen. Zunächst wurde über diese Prozesse geschwiegen, und alle, die versuchten, darauf aufmerksam zu machen, wurden als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Aber von Verschwörungstheorie kann hier keine Rede sein. Jetzt ist alles offiziell.
In Foreign Affairs ist gerade ein Artikel des Schöpfers der amerikanischen "Soft-Power"-Theorie, Joseph Nye (es handelt sich um eine Posthum-Veröffentlichung, Nye verstarb vor einem Monat), und des ebenso erfahrenen Neoliberalen und Politologen Robert Keohane erschienen. Diese mächtigen alten Männer betitelten ihren Text "Das Ende des amerikanischen Jahrhunderts".
Dabei geht es nicht einmal darum, was gesagt wurde, sondern darum, wer es sagte. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang beschäftigten sich diese Autoren mit nichts anderem, als die ganze Welt von der Großartigkeit und Unfehlbarkeit ihres Landes zu überzeugen. Sie schufen diese "Soft Power", indem sie der Weltbevölkerung ständig etwas einbläuten. Und nun ist das Ende Amerikas für sie offenkundig geworden.
Auch wenn Nye und Keohane noch in die "Propagandatrompete" blasen und das altbekannte Mantra vom "reichsten und mächtigsten Land der Welt" wiederholen, warnen sie bereits offen davor, dass all dies über Nacht zusammenbrechen könnte: "Amerika wird geschwächt werden, und die Zerstörung der internationalen Nachkriegsordnung, die […] den Vereinigten Staaten zugutekam, wird sich beschleunigen".
Als hartnäckige Neoliberale machen sie natürlich US-Präsident Donald Trump für den Niedergang der USA verantwortlich. Von außen betrachtet kann man jedoch klar erkennen, dass dieser eher versucht, sich auf seinem Kontinent einzugrenzen und die Überreste des berüchtigten amerikanischen Imperiums zu retten, das tatsächlich vor unseren Augen zerfällt.
Daher bemüht er sich – wo immer möglich – Frieden zu schließen. Trump strebt ernsthaft nach Frieden im Nahen Osten und in der Ukraine, und auch mit Peking führt er Beschwichtigungsgespräche, da er sich bewusst ist, dass die Ressourcen für einen weiteren Krieg dramatisch knapp sind.
Was Amerika jedoch wirklich ruinierte, war der wahnsinnige neoliberale Expansionismus, dessen Verfechter Joseph Nye – möge er in Frieden ruhen – war. In den letzten 25 Jahren waren die USA damit beschäftigt, legitime Regierungen zu stürzen, Aufstände und Staatsstreiche zu organisieren, Bürgerkriege auf der ganzen Welt anzuzetteln, ganz zu schweigen von den endlosen Invasionen anderer Länder. Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien – diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
All das glich einem geopolitischen Selbstmord: In den Augen der Welt wurde Washington zu einem gefährlichen Nachbarn mit einer Granate in der Hand, die es durch das Fenster werfen würde, um dann in das Haus einzubrechen und alles zu plündern.
Außerdem handelte es sich um ein sehr kostspieliges Unterfangen – allein Afghanistan kostete den US-Haushalt bis zu zwei Billionen US-Dollar. Um diese Aggression durchzuführen, musste man sich verschulden, wodurch die Staatsverschuldung auf monströse Ausmaße anwuchs und damit auch die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte.
Gleichzeitig wurde Amerika von der Oligarchie deindustrialisiert, indem sie die Produktion nach Asien verlagerte, wodurch die Wirtschaft ihrer Grundlage beraubt wurde. Die Macht des US-Dollars als Reservewährung wurde untergraben – das kam einem wirtschaftlichen Selbstmord gleich.
Gleichzeitig beschloss die an das "Ende der Geschichte" glaubende Elite der US-Demokratischen Partei, die gesamte Menschheit einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Alles wurde aufs Spiel gesetzt: Lasst uns den Menschen etwas einreden, das allen Normen der natürlichen Menschenmoral und des gesunden Menschenverstands widerspricht. Es ging um den Kult um LGBT [diese Bewegung wurde in Russland als extremistisch eingestuft und verboten] und BLM, Euthanasie, Geschlechtsumwandlung, die Armutskultur – sowohl in geistiger als auch in materieller Hinsicht – mit ihrem unvergesslichen Slogan: "Ich habe nichts – und ich bin glücklich".
Dabei schreckten sie nicht vor hohen Kosten zurück, sondern investierten mit voller Kraft in diese Idee und verloren dabei Billionen an entgangenen Gewinnen. Aber die Menschen weltweit weigerten sich hartnäckig, ein dunkelhäutiges Schneewittchen zu akzeptieren. Im Ergebnis brachte sich Amerikas berüchtigte "Soft Power" vor unseren Augen selbst um.
Dieses Hollywood, diese Musik, dieser Stil, der die Herzen von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt so begeisterte, gibt es nicht mehr – dies war der kulturelle Selbstmord Amerikas.
Ist dies alles Trump zuzuschreiben? Nein, ganz im Gegenteil: Er versucht gerade, das "Amerika, das wir verloren haben" – also das Land der 1950er-Jahre – wieder zusammenzusetzen. Wird ihm das gelingen? Das ist die große Frage. Die Basis definiert den Überbau, und die Erosion der US-Wirtschaft ist so weit fortgeschritten, dass die Diskussion über einen etwaigen Staatsbankrott im August nicht mehr wie eine typische Polit-Show aussieht – diesmal könnte es ernst werden.
Es geht nicht darum, dass die USA einen schwachen Präsidenten haben. Es geht darum, dass sein Land geschwächt ist. Das macht die Entwicklungen natürlich völlig unvorhersehbar, aber seien wir ehrlich: Russland befindet sich seit etwa 2014 in diesem Chaos, kommt sehr gut damit zurecht und kann daraus seinen eigenen Vorteil ziehen.
Wie unsere chinesischen Kameraden sagen, birgt jede Krise auch eine Chance. In einer Welt ohne amerikanische Hegemonie werden wir weiterhin unsere Feinde bekämpfen, mit unseren Verbündeten freundschaftliche Beziehungen pflegen und uns weiterentwickeln, ohne auf jemanden zurückzublicken.
Wenn die US-Führung ihre verminderten Ressourcen und vagen Perspektiven realistisch einschätzt, werden wir mit den USA zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten. Wenn sie jedoch wieder versuchen, sich als Hegemon aufzuspielen, werden wir sie einfach ignorieren und unseren eigenen Weg beschreiten. Schließlich ist es Sache der USA, ob sie mit uns zusammenarbeiten wollen oder nicht.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 4. Juni 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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