"Systematisches Aushungern von 2 Millionen Menschen" − Greta Thunberg mit dem Boot auf Gaza-Mission
Die Aktivistin Greta Thunberg startete am Sonntag von der sizilianischen Provinz Catania als Bordmitglied der "Freiheitsflottille" (Freedom Flotilla Coalition FFC) in Richtung Gazastreifen, um erneut als Teilnehmerin gegen den israelischen Krieg in der Enklave zu protestieren. Die Reise wird von der FFC organisiert, die seit mehr als einem Jahrzehnt Schiffe in die Küstenenklave schickt, um gegen die israelische Blockade zu protestieren. An Bord ist auch die französisch-palästinensische EU-Abgeordnete Rima Hassan.
Bei der ersten solidarischen Teilnahme Thunbergs Anfang Mai wurde das Schiff vor der Ankunft von einer Drohne angegriffen. Heute ist das Schiff "Madleen" gestartet, um zu versuchen, die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen mit lebenswichtigen Gütern zu versorgen und gleichzeitig medial wirksam erneut gegen das brutale Vorgehen Israels zu protestieren. In einem aktuellen Video von Bord spricht die 22-Jährige von "einem live gestreamten Völkermord" seitens Israels und dem "systematischen Aushungern von zwei Millionen Menschen".
Die Weltgesundheitsorganisation hatte jüngst davor gewarnt, dass der Gazastreifen weiterhin aufgrund des fortdauernden Bombardements und der inhumanen Blockadepolitik von einer akuten Hungersnot bedroht ist. Drei Viertel der Bevölkerung leiden unter "dringender" oder "katastrophaler" Nahrungsknappheit. In dem Video auf X erklärte Thunberg nun wörtlich die Gründe ihres Engagements:
"Wir sehen zu, wie zwei Millionen Menschen systematisch ausgehungert werden. Ein live gestreamter Völkermord und das Schweigen der Welt ist tödlich. Deshalb müssen wir weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, auch wenn die Chancen gegen uns stehen."
“We are watching a systematic starvation of 2 million people. A live-streamed genocide and the world's silence is deadly. That is why we have to keep trying everything we can, even if the odds are against us.”Zeteo contributor @GretaThunberg shares moments from the Madleen. pic.twitter.com/uaSCzf8Alt
— Zeteo (@zeteo_news) May 31, 2025
Das Schiff ist eine Flottille mit humanitären Hilfsgütern wie Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern. Die Springer-Redaktion in Berlin bezeichnet die gewagte Aktion als "auf einem Schiff zum Gazastreifen schippern", um via Bild-Zeitung zu kommentieren:
"Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, die durch ihre Klima-Proteste weltweit bekannt wurde, hat sich nun offenbar endgültig dem Anti-Israel-Protest verschrieben."
Meet some of the panelists, volunteers and supporters joining the launch of ‘Madleen’ in Catania, Sicily about to sail to break Israel's illegal siege of Gaza. ⛵️#AllEyesOnDeck #BreakTheSiege t.co/ZoCnr45S3I @RimaHas pic.twitter.com/IqAhOSHBv9
— Freedom Flotilla Coalition (@GazaFFlotilla) May 29, 2025
Aufgrund ihrer internationalen propalästinensischen Aktivitäten forderte im Vorjahr der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Alexander Throm, eine Einreisesperre für die laut Jüdischer Allgemeine "Israelhasserin" in Deutschland. Auf der Webseite Zeteo, einem neuen Medienprojekt des britisch-amerikanischen Journalisten Mehdi Hasan, informiert die Redaktion zu dem erneuten Versuch einer Hilfslieferung nach Gaza und dem X-Video von Thunberg:
"Ein ähnlicher Versuch, im Mai in den besetzten Gazastreifen zu segeln, wurde abgebrochen, nachdem eine Flottille mit dem Namen 'Conscience' in internationalen Gewässern zwei Drohnenangriffe erlebt hatte. 'Haltet die Augen offen, überschwemmt weiterhin die Straßen, organisiert, boykottiert und tut alles, was in eurer Macht steht, um für Palästina einzutreten', beendet Thunberg ihre Botschaft (…)."
Neben Thunberg und der EU-Abgeordneten Hassan sind auch die palästinensisch-amerikanische Anwältin Huwaida Arraf und der Game of Thrones- Schauspieler Liam Cunningham an Bord.
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Umfrage: Die Linke bei den Deutschen nun beliebter als die Grünen
Der "Reichinnek"-Effekt für die Partei Die Linke scheint sich fortzusetzen, dies ausgehend von dem jüngsten Ergebnis einer aktuellen Befragung des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag der Bild am Sonntag (BamS). Die Linke ist demnach zufolge an den Grünen in der Wählergunst vorbeigezogen, damit das erste Mal seit sieben Jahren vor den Grünen liegend. Die Erstplatzierten lauten weiterhin CDU und AfD.
Die jüngsten Querelen um das Social-Media-Gebaren der Vorsitzenden der Grünen Jugend (RT DE berichtete) und der demgegenüber auffällig wohlwollenden, weiterhin mehr als positiven medialen Berichterstattung über die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek könnten Gründe für das aktuelle Ergebnis des sogenannten "Sonntagstrends" der BamS darstellen. Zu dem Ergebnis heißt es (Bezahlschranke):
"Die Linke steigt auf 11 Prozent (plus ein Punkt zur Vorwoche). Die Grünen dagegen verlieren einen Punkt auf nur noch 10 Prozent. Damit sind die Linken bei INSA nach der AfD (unverändert 24 Prozent) die zweitstärkste Oppositionspartei. Insgesamt 35 Prozent entfallen inzwischen auf Rechts- und Linksaußen (dazu noch 4 Prozent für das BSW von Sahra Wagenknecht)."
Linken-Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner kommentierte dabei solidarisch auf X zur Causa "ACAB", den Diskussionen um die Vorsitzende der Grünen Jugend, Jette Nietzard:
"Wir sollten über Kriegsverbrechen in Gaza sprechen, über Angriffe auf den Sozialstaat, auf Renten und auf die Arbeitszeit. Aber bei Gott wir sollten nicht über einen Pulli sprechen."
Wir sollten über Kriegsverbrechen in Gaza sprechen, über Angriffe auf den Sozialstaat, auf Renten und auf die Arbeitszeit. Aber bei Gott wir sollten nicht über einen Pulli sprechen.
— Ines Schwerdtner (@inesschwerdtner) May 27, 2025
Bei der Bundestagswahl erreichten die Linken 8,8 Prozent. Mit überschaubaren 17 Prozent erreicht die GroKo-Partei SPD "den höchsten Wert seit vier Monaten" und übertrifft damit leicht ihr Bundestagswahlergebnis (16,4 Prozent).
Sonntagsfrage zur Bundestagswahl • INSA/BamS: CDU/CSU 26 % | AfD 24 % | SPD 17 % | DIE LINKE 11 % | GRÜNE 10 % | BSW 4 % | FDP 4 % | Sonstige 4 %➤ Übersicht: t.co/Gzilw3J3L9➤ Verlauf: t.co/vnhJf7ub9S pic.twitter.com/uIiIw6VKMD
— Wahlrecht.de (@Wahlrecht_de) May 31, 2025
Die Ergebnisse der FDP und des BSW belegen mit je vier Prozent das weiterhin geringe Interesse bei den Befragten. Ein RND-Artikel erklärt zu den Ergebnissen:
"Wahlumfragen sind generell mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten."
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Hinter verschlossenen Türen: Was Russlands Militärjahrbuch verrät
Von Dmitri Plotnikow
In den unzugänglichen Kreisen des russischen Verteidigungsestablishments erhält jedes Jahr eine ausgewählte Gruppe von Generälen, Geheimdienstmitarbeitern und Führungskräften der Verteidigungsindustrie eine Publikation, die nicht für Außenstehende bestimmt ist. Das "Russische Militärjahrbuch 2025" ist kein Hochglanzmagazin oder öffentliches Weißbuch zur Verteidigungspolitik, sondern ein strategischer interner Bericht für diejenigen, die die Militärpläne Russlands entwickeln und umsetzen. Er wird unter dem obersten Kommando, den Geheimdiensten und den Führungskräften der Verteidigungsindustrie zirkuliert und bietet eine seltene Gelegenheit, einen Einblick in die Denkweise und die Prioritäten eines Landes zu werfen, das sich im Kriegszustand befindet.
RT bietet einen detaillierten Überblick über die neueste Ausgabe dieses Jahrbuchs – eines Dokuments, das eigentlich zum Zweck der Informierung russischer Entscheidungsträger gedacht ist, aber nun auch Gegenstand analytischer Betrachtungen eines internationalen Publikums wird. Unabhängig davon, ob Sie als Analyst im Verteidigungsbereich tätig sind, als Politikstratege arbeiten oder die Entwicklung der russischen Militärdoktrin aufmerksam verfolgen, bietet Ihnen dieser Überblick die seltene Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen der militärischen Logik des russischen Staates zu werfen.
Das Konzept des neuen Verteidigungsministers zur Modernisierung der Streitkräfte
Das "Russische Militärjahrbuch 2025" beginnt mit den Kernaussagen aus der Grundsatzrede von Verteidigungsminister Andrei Beloussow, die er am 14. Dezember 2024 auf der erweiterten Sitzung des Kollegiums des Verteidigungsministeriums hielt. Beloussow war zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Monaten im Amt. Seine Ernennung erfolgte überraschend im Mai 2024, nachdem der langjährige Verteidigungsminister Sergei Schoigu nach zwölfjähriger Amtszeit zurückgetreten war.
Als Zivilist mit Erfahrung in der Wirtschaftsplanung und als Regierungsberater verfügt er zwar über keine militärische Ausbildung, aber über ein klares Mandat zur Durchführung der Modernisierung. In seiner Rede beschrieb Beloussow die Anfangsphase seiner Amtszeit als Reaktion auf die wachsenden Herausforderungen der Kriegszeit und skizzierte einen Managementansatz, der auf Effizienzsteigerung, Innovation und Reform der Personalpolitik ausgerichtet ist.
Wie von einigen Analysten prognostiziert, erwies sich Beloussow als technokratischer Reformer, der sich auf die Einführung moderner Managementsysteme und Technologien aus dem privaten Sektor in den Streitkräften konzentrierte. Im Mittelpunkt seiner Botschaft stand die dringende Notwendigkeit, die bestehenden militärischen Prozesse zu optimieren und eine Innovationskultur zu schaffen, insbesondere in Zusammenarbeit mit der zivilen Wissenschaftsgemeinschaft.
"In diesem Zusammenhang müssen die russischen Streitkräfte agiler und offener für Innovationen werden, einschließlich Innovationen aus dem zivilen Bereich."
— Andrei Beloussow, Verteidigungsminister Russlands
Beloussows Ambitionen gehen jedoch über Technologie und Arbeitsabläufe hinaus. Er strebt auch eine Reform des Systems zur Anwerbung, Ausbildung und Bindung talentierter Kräfte für die Armee an. Auf seiner Agenda stehen neue Bildungsinitiativen, die die Erfahrungen aus den Kämpfen in der Ukraine berücksichtigen sollen, sowie Maßnahmen zur Verbesserung des sozialen Ansehens des Militärdienstes durch bessere Sozialleistungen und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten für Militärangehörige.
RT
Die Strategie der USA gegenüber Russland
Einen zweiten wichtigen Beitrag zum Jahrbuch leistete Dr. Alexei Podberjoskin, Historiker und Direktor des Zentrums für militärpolitische Studien am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO). In seinem Artikel analysiert er die langjährigen strategischen Ansätze der USA gegenüber Russland und kommt zu dem Schluss, dass Washington einer direkten militärischen Konfrontation stets die interne Destabilisierung vorgezogen habe.
Podberjoskin vertritt die Ansicht, dass diese Taktik – die erstmals während des Kalten Krieges erprobt wurde – von aufeinanderfolgenden Generationen amerikanischer Politiker übernommen wurde. Aus ihrer Sicht habe sich die Unterminierung Russlands von innen heraus als zuverlässiger, weniger riskant und weitaus kostengünstiger erwiesen als der Versuch, das Land in einem konventionellen militärischen Konflikt frontal zu bekämpfen.
"Das aktuelle internationale Umfeld ist geprägt von einer starken Eskalation der Spannungen zwischen fast allen Beteiligten. Praktisch jede Nation hat im Konflikt zwischen dem 'Kollektiven Westen' und den neu entstehenden Machtzentren Stellung bezogen."
— Alexei Podberjoskin, MGIMO
Er verknüpft diese strategische Tendenz mit den letzten Jahrzehnten der Sowjetunion, als Informationskrieg, wirtschaftlicher Druck und Finanzinstrumente immer häufiger als Mittel der Konfrontation eingesetzt wurden. Podberjoskin ist der Ansicht, dass diese Methoden nicht nur den inneren Zusammenbruch der UdSSR beschleunigten, sondern auch eine umfassendere Erosion globaler Institutionen auslösten. Was der Westen einst als neutrale Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit präsentierte, verwandelte sich seiner Meinung nach schrittweise in Mechanismen zur Förderung der US-Dominanz, während die Normen und Strukturen, die die Macht der USA einschränkten, systematisch zerstört wurden.
Zukunftsgewandt erkennt Podberjoskin eine wachsende ideologische Kluft innerhalb der USA selbst – zwischen Befürwortern der Globalisierung und Verfechtern der nationalen Souveränität. Als zentrale Figur des letzteren Lagers identifiziert er US-Präsident Donald Trump. Doch selbst eine stärker nach innen gerichtete, interessenorientierte US-Außenpolitik würde seiner Meinung nach wahrscheinlich dasselbe übergeordnete Ziel verfolgen: die Schwächung von Rivalen wie Russland und China durch die Verschärfung ihrer innenpolitischen Spaltungen.
Erweiterung des Sicherheitsinstrumentariums der OVKS
Imangali Tasmagambetow, Generalsekretär der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), fasst in seinem Artikel die Aktivitäten der Organisation im Jahr 2024 vor dem Hintergrund der wachsenden Instabilität im Sicherheitsumfeld in Eurasien zusammen. Er betont die Notwendigkeit institutioneller Anpassungsfähigkeit und einer engeren Koordinierung mit regionalen Partnern, insbesondere mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die in der Resolution der Internationalen Konferenz zur Sicherheit in Eurasien, die 2024 in Minsk stattfand, als Priorität festgelegt wurde.
"Die Organisation verbessert weiterhin ihre wirksamen Reaktionsinstrumente und setzt sich erfolgreich für die Bewältigung von Problemen und Bedrohungen der kollektiven Sicherheit ein."
— Imangali Tasmagambetow, OVKS
Die OVKS führte 2024 sieben gemeinsame Militärübungen durch, darunter auch Übungen mit Truppen aus der Zentralafrikanischen Republik, und beschleunigte gleichzeitig die Modernisierung ihrer kollektiven Schnellreaktionskräfte.
Neben der Militärbereitschaft erweiterte die OVKS ihre Rolle bei der Bekämpfung transnationaler Bedrohungen. Die Mitgliedsstaaten einigten sich darauf, ihre Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus, Drogenhandel, illegaler Migration und Cyberkriminalität zu koordinieren. Zu den wichtigsten Initiativen gehören:
- Operation "Mercenary", die auf die Ressourcenzentren terroristischer Netzwerke abzielt (bislang wurden sechs Operationen durchgeführt);
- Operation "Channel", eine von den Vereinten Nationen anerkannte Maßnahme zur Bekämpfung des illegalen Drogenhandels, die eine Ausweitung der interinstitutionellen und internationalen Zusammenarbeit vorsieht;
- Operation "Illegal", die sich mit illegaler Migration befasst;
- Operation "PROXY", die sich auf Cyberkriminalität konzentriert.
Diese Operationen zeigen deutlich, dass sich das Sicherheitsmandat der OVKS in Richtung einer umfassenderen Sicherheitspolitik verschiebt, die sowohl den Einsatz von "Hard Power" als auch die Bewältigung innerer Bedrohungen umfasst.
Mitglieder der Sondereinsatzgruppe marschieren während der Abschlusszeremonie der OVKS-Militärübung "Kobalt-2024" unter der Leitung der russischen Nationalgarde auf dem Schießplatz "Gorny" im Gebiet Nowosibirsk, Russland.Sputnik / Sputnik
Von einer neutralen Position zum Besitz eines Atomwaffenarsenals: Weißrussland überarbeitet seine Sicherheitsdoktrin
In seinem Artikel beschreibt Alexander Spakowski, Mitglied des weißrussischen Repräsentantenhauses, radikale Veränderungen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Weißrusslands. Im Mittelpunkt dieser Veränderung steht die Reaktion der Regierung auf den von westlichen Mächten unterstützten Versuch, Präsident Alexander Lukaschenko während der Massenproteste im Jahr 2020 zu stürzen.
"Die systematische Ausweitung der NATO-Offensivinfrastruktur nach Osten, die Zerstörung der postsowjetischen Einheitsstruktur durch farbige Revolutionen, die Verankerung antirussischer Narrative im öffentlichen Bewusstsein und die Auslösung bewaffneter Konflikte – das ist die Realität, mit der wir seit 32 Jahren konfrontiert sind."
— Alexander Spakowski, Nationalversammlung von Weißrussland
Spakowski sieht Polen als Hauptgrund zur Sorge. Er weist darauf hin, dass Warschau bei den Militärausgaben an die NATO-Spitze aufgerückt ist, seine Streitkräfte rasch ausbaut und moderne Waffensysteme aus den USA und Südkorea erwirbt. Berichten zufolge wurde das polnische Verteidigungsbudget seit 2015 vervierfacht, und es ist geplant, die Armee auf 300.000 Soldaten aufzustocken – zusätzlich zu den 10.000 US-Soldaten, die bereits auf polnischem Territorium stationiert sind.
"Spekulationen über eine angebliche Bedrohung Polens durch Weißrussland sind absurd. Im Gegenteil, es ist Warschau, das sich in den letzten Jahrzehnten unverhohlen in die Politik Weißrusslands eingemischt hat."
— Alexander Spakowski
Aus der Sicht von Minsk signalisiert dies ein wachsendes Risiko einer militärischen Intervention – was eine Neubewertung der nationalen Verteidigungsprioritäten erforderlich macht. Weißrussland modernisiert seine Streitkräfte unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg. Angesichts der asymmetrischen Kräfteverhältnisse zwischen Weißrussland und der NATO betrachtet Spakowski die Stationierung russischer Atomwaffen auf weißrussischem Territorium jedoch als eine Form der präventiven Abschreckung.
Er argumentiert, dass der kombinierte Druck der westlichen Sanktionen und der zunehmenden NATO-Militärpräsenz einen "erzwungenen Übergangsprozess" in der Selbstwahrnehmung Weißrusslands ausgelöst habe: von einem nominell neutralen Akteur zu einem Frontstaat, der in die strategische Architektur Moskaus integriert sei. Während Weißrussland offiziell weiterhin eine friedliche Außenpolitik verfolgt, positioniert es sich nun als bereit, den Bedrohungen, die es an seinen Grenzen sieht, entgegenzutreten.
Die NATO nach dem Ukraine-Konflikt: Expansion, Hybridisierung und Rückkehr zu Positionen aus dem Kalten Krieg
In seiner Analyse der strategischen Ausrichtung der NATO untersucht Anatoli Letjago, Professor und Mitglied der Russischen Akademie der Militärwissenschaften, die mögliche Entwicklung des Bündnisses im Kontext potenzieller Friedensverhandlungen zum Ukraine-Konflikt. Anstelle einer Entmilitarisierung prognostiziert Letjago den Eintritt der NATO in eine neue Aktivitätsphase, die durch Expansion, Umstrukturierung und intensive militärisch-technische Entwicklung gekennzeichnet sein wird.
Laut Letjago dürften die Prioritäten der NATO in den kommenden Jahren nicht nur die formelle Erweiterung umfassen, sondern auch das, was er als Hybridisierung bezeichnet – die Stärkung informeller Beziehungen zu Ländern in Südostasien. Seiner Meinung nach entspricht dieser Ansatz der strategischen Ausrichtung der derzeitigen US-Regierung, die eine Ausweitung des funktionalen Einflussbereichs der NATO auf den indopazifischen Raum anstrebe.
Eine entscheidende Triebkraft für die interne Entwicklung der NATO ist die Integration der Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg. Diese Erfahrungen beschleunigen den Übergang zu multidisziplinären Militäroperationen, also der Synchronisierung von Ressourcen an Land, auf See, in der Luft und im Cyberspace. Letjago hebt insbesondere die Schaffung einer sogenannten "militärischen Schengen-Zone" hervor, die einen schnellen grenzüberschreitenden Truppentransport in ganz Europa, insbesondere an der NATO-Ostflanke, ermöglichen sollte. Als eine der wichtigsten Initiativen wird auch die Stärkung der gemeinsamen Luft- und Raketenabwehr genannt.
In dem Artikel wird auch die Vermutung geäußert, dass die künftige NATO-Expansion nicht immer im Einklang mit den formellen Protokollen über den Beitritt zu diesem Bündnis erfolgen würde. Stattdessen könnte das Bündnis individuelle Sicherheitsabkommen mit Nichtmitgliedsstaaten anstreben, ähnlich den jüngsten Partnerschaften mit Australien, Österreich, Irland, Neuseeland und der Schweiz, um sein strategisches Netzwerk ohne formelle Erweiterung effektiv auszubauen.
Letjago betont, dass die Neuausrichtung der NATO nicht nur rhetorischer Natur sei. Die Manöver "Steadfast Defender 2024", an denen 90.000 Soldaten aus 31 Ländern teilnahmen, waren die größten NATO-Militärübungen seit dem Ende des Kalten Krieges. Nach Ansicht des Autors lässt eine solche Machtdemonstration keinen Zweifel daran, dass sich die NATO auf eine hochintensive Konfrontation mit Russland vorbereitet und entschlossen zu einer Politik des Kalten Krieges zurückschlägt.
Die Arktis-Front: Steigende Spannungen in einem strategisch wichtigen Eis-Gebiet
Das erste Kapitel des "Russischen Militärjahrbuchs 2025", das einen Überblick über die globale militärpolitische Lage gibt, schließt mit einem Artikel von Dr. Alexei Fenenko, Professor für Weltpolitik an der Moskauer Staatlichen Universität. Er konzentriert sich auf die Arktis – eine Region, die er als wachsenden Spannungsherd im strategischen Wettbewerb zwischen den USA und Russland beschreibt.
Fenenko merkt an, dass Washingtons Interesse an der Arktis Ende des 19. Jahrhunderts begann, als die Regierung von US-Präsident William McKinley die "Große Arktis-Strategie" entwickelte. Seitdem, so argumentiert er, betrachten die USA die Region konsequent als wichtiges militärisches Operationsgebiet für mögliche Einsätze gegen Russland.
Der Artikel beschreibt aktuelle Konfliktpunkte, darunter die Weigerung der USA, Russlands Anspruch auf die ausschließliche Kontrolle über die Nordostpassage anzuerkennen, sowie ungelöste Territorialstreitigkeiten in der Nähe der Beringstraße. Fenenko warnt davor, dass diese Konflikte eskalieren könnten, da die USA möglicherweise Provokationen unterstützen würden, um die russische Souveränität entlang wichtiger arktischer Seewege infrage zu stellen.
"Washington hat die Möglichkeit einer Neufestlegung der Grenzen in diesem Gebiet nie aus den Augen verloren. Es ist von entscheidender Bedeutung, jegliche nachteiligen Maßnahmen der Vereinigten Staaten gegenüber Russland wachsam zu beobachten und gegebenenfalls entschlossen und angemessen zu reagieren."
— Alexei Fenenko, Moskauer Staatliche Universität
Fenenko kommt zu dem Schluss, dass die Arktis, die einst als fernes Grenzgebiet galt, nun fest in der Rivalität der Großmächte verankert ist. Für Moskau handelt es sich bei dieser Region nicht nur um natürliche Ressourcen und Transitrouten, sondern auch um eine Verteidigungslinie – und jede Veränderung des Status quo könnte strategische Konsequenzen haben.
Die russische Verteidigungsindustrie: Skalierung, Anpassung und Integration
Das Kapitel des Jahrbuchs, das der russischen Verteidigungsindustrie gewidmet ist, beginnt mit einer Analyse von Nikita Kirillow, einem Experten des Zentrums für die Analyse des Weltwaffenhandels. Kirillow würdigt die schnelle Transformation des Sektors angesichts des doppelten Drucks durch den Ukraine-Krieg und die anhaltenden westlichen Sanktionen. Trotz dieser Einschränkungen habe die Verteidigungsindustrie seiner Meinung nach eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit bewiesen.
Die Produktionsmengen sind in allen Schlüsselkategorien gestiegen: Die Produktion von Panzern stieg um das 5,6-Fache, die von Schützenpanzern um das 3,6-Fache, die von Artilleriegeschossen um das 17,5-Fache und die von unbemannten Luftfahrzeugen (UAV) sogar um das 16,8-Fache.
Grafik zur Waffenproduktion im Jahr 2024RT
Kirillow weist darauf hin, dass ein solches Wachstum für den militärisch-industriellen Komplex Russlands in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten unvorstellbar gewesen wäre.
Neben dem Anstieg der Produktionsmengen stellte die Branche auch ihre Fähigkeit zur schnellen Modernisierung unter Beweis. Es wird berichtet, dass neue Waffensysteme innerhalb von vier bis sieben Monaten die Genehmigung für die Serienproduktion erhalten – ein Zeitrahmen, der durch das direkte Feedback vom Schlachtfeld diktiert wird. Neben der Modernisierung veralteter Systeme wie Panzer, gepanzerte Mannschaftstransporter und Artillerie werden neue Systeme wie UAVs und Marine-Drohnen in Dienst gestellt.
Ebenso wichtig ist, dass die Rüstungsunternehmen auch auf die zivile Produktion umstellen. In den Fabriken werden zunehmend Technologien mit doppeltem Verwendungszweck hergestellt, darunter Maschinen für den industriellen Einsatz und 3D-Drucker. Damit soll der Rüstungssektor tiefer in das allgemeine Wirtschaftssystem Russlands eingebunden werden.
"Nicht westliche Sanktionen, sondern innenpolitische Entscheidungen bestimmen die Produktionsdynamik der russischen Rüstungsindustrie. Diese bewältigt heute nicht nur die gestiegene Belastung mit zuversichtlicher Gelassenheit, sondern unterstützt auch andere Wirtschaftssektoren. Und sie wird auch in Zukunft die ihr vom Staat übertragenen Aufgaben erfüllen."
— Nikita Kirillow, Zentrum für Analyse des Weltwaffenhandels
In einem Folgeartikel wendet sich Kirillow der russischen Schiffbauindustrie zu – einem weiteren Pfeiler der Modernisierung des Verteidigungssektors. Er weist darauf hin, dass allein im letzten Jahr die russische Flotte um 100 neue Schiffe erweitert wurde, darunter Spezialplattformen wie das Eisbrecher-Patrouillenschiff "Iwan Papanin". Auch der zivile Schiffbau expandiert, wobei der Schwerpunkt auf Passagierschiffen, Eisbrechern, LNG-Speicherschiffen und Hilfsschiffen für den Einsatz in der Arktis liegt.
Eine der zentralen Herausforderungen bleibt die Importsubstitution, insbesondere der Ersatz von Komponenten, die zuvor aus ukrainischen Werften aus der Sowjetzeit geliefert wurden. Für die Modernisierung der Werften wurden staatliche Subventionen in beträchtlicher Höhe bereitgestellt, und einige Ergebnisse sind bereits sichtbar. Kirillow weist darauf hin, dass beim neuen Eisbrecher des Projekts 21900M2 die Importsubstitution bereits 100 Prozent erreichte.
Beloussows Mission: Die Verteidigungsindustrie zum Motor des Wirtschaftswachstums machen
Andrei Karawajew, Experte am Kaspischen Institut für Strategische Studien, beschreibt die Herausforderungen, die vor dem neuen Verteidigungsminister Andrei Beloussow liegen, und legt dabei besonderen Wert auf die Integration militärischer Innovationen in die allgemeine Wirtschaftsstrategie Russlands.
Karawajew betont, dass der Verteidigungssektor Russlands mit fast 500.000 Ingenieuren und Fachkräften zum wichtigsten Motor der industriellen Entwicklung geworden sei. Trotz westlicher Sanktionen erfülle er weiterhin den innerstaatlichen Verteidigungsbedarf und halte die Waffenexporte aufrecht.
"Der Verteidigungssektor wird zu einem Wachstumsmotor der russischen Industrie."
— Andrei Karawajew, Kaspisches Institut für Strategische Studien
Beloussows frühere Erfahrungen im Innovationsmanagement in der Zivilwirtschaft ermöglichen es ihm, im Verteidigungsministerium ein technologisches Kommandozentrum aufzubauen, dessen Ziel es ist, die Entwicklung von Waffen der neuen Generation zu beschleunigen und die auf dem Schlachtfeld gewonnenen Erfahrungen zu integrieren.
Die Verteidigungsausgaben erreichen derzeit 6,7 Prozent des russischen BIP, und Militäraufträge erstrecken sich über die gesamte Wirtschaft – von staatlichen Unternehmen bis hin zu kleinen Betrieben. Karawajew glaubt, dass diese Impulse Russland bis 2030 auf den vierten Platz der weltweit größten Volkswirtschaften (gemessen am BIP-Kaufkraftparitätsindex) bringen könnten, angetrieben durch Produktivitätssteigerungen und den Innovationsaustausch zwischen dem militärischen und dem zivilen Sektor.
Ein weiteres Ziel besteht darin, die Zusammenarbeit mit verbündeten Ländern durch die Einrichtung von Produktionszentren im Ausland auszubauen – zunächst im Bereich ziviler Güter und später auch im Bereich der Dual-Use-Technologien –, als Teil der umfassenderen Bemühungen Russlands um eine "alternative Globalisierung".
Der russische Verteidigungsminister Andrei Beloussow nimmt an einer Sitzung des Verteidigungsministerrats der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) in Bischkek, Kirgistan, teil.Sputnik / Sputnik
Technologische Souveränität durch militärische Innovation
Berichte des Zentrums für die Analyse des Weltwaffenhandels heben die wachsende Rolle des russischen Verteidigungssektors für die Sicherung der technologischen Souveränität des Landes hervor. Durch die Erhaltung und Modernisierung wichtiger Technologien aus der Sowjetzeit sowie die Reinvestition von Einnahmen aus Waffenexporten in Forschung und Entwicklung wurde die Verteidigungsindustrie zu einer wichtigen Triebkraft für Innovationen.
Derzeit realisiert Russland zehn große Industrieprojekte mit einem Investitionsvolumen von über 100 Milliarden Rubel, die auf Importsubstitution und technologische Unabhängigkeit abzielen. Diese Maßnahmen umfassen sowohl den Verteidigungs- als auch den Zivilsektor und zielen darauf ab, unterbrochene Lieferketten wiederherzustellen und die Exporte von Nichtrohstoffen langfristig um bis zu 1,5-mal zu steigern.
"Heute sichern Verteidigungsunternehmen nicht nur die Souveränität des Landes im Bereich der Rüstungsproduktion, sondern entwickeln auch aktiv wichtige und bereichsübergreifende Technologien."
— Zentrum für die Analyse des Weltwaffenhandels
Die russischen Rüstungsbetriebe waren die ersten, die von westlichen Sanktionen betroffen waren, und begannen daher als erste mit der Lokalisierung ihrer Produktion. Ihr Erfolg diente als Vorbild für zivile Industriezweige, darunter den Maschinenbau, den Schiffbau und insbesondere die Luftfahrt. Russland lokalisierte die Produktion von Hubschraubern und tut dasselbe nun in raschem Tempo im Bereich der zivilen Luftfahrt. Bis 2030 soll der Anteil einheimischer Modelle, die mit lokal hergestellten Triebwerken und Avionik ausgestattet sind, 50 Prozent aller russischen Flugzeuge und 90 Prozent aller Hubschrauber betragen.
Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten und Förderung des technologischen Potenzials
Das dritte Kapitel bietet einen detaillierten Überblick über mehrere russische Waffensysteme der nächsten Generation, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf Innovationen im Bereich der Luftabwehr – sowohl an Land als auch auf See – und einer vergleichenden Analyse internationaler Plattformen liegt.
Raketenabwehrsystem "Tor-M2": Ausweitung der Luftabwehrfähigkeiten auf See
Das Luftabwehrraketensystem "Tor-M2", das ursprünglich für den kombinierten Einsatz an Land und auf See entwickelt wurde, wird derzeit in einer speziellen Marinekonfiguration eingeführt. Die Entwicklung begann 2015 in den Werken in Ischewsk mit dem Ziel, niedrig fliegenden Bedrohungen wie Raketen, die über die Meeresoberfläche fliegen, und unbemannten Seeflugzeugen entgegenzuwirken. Das System wird auf Schiffen der Schwarzmeerflotte eingesetzt und stellt eine bedeutende Verbesserung der Luftabwehr im Nahbereich dar.
"Panzir-ME": Schließung der Lücke im Schiffsluftabwehrsystem
Ebenfalls vorgestellt wird das "Panzir-ME"-System – eine maritime Adaption der modernsten Kurzstrecken-Luftabwehrplattform Russlands. Durch die Integration von Raketen und Schnellfeuerartillerie in einem einzigen System behebt "Panzir-ME" die Schwächen von Systemen, die nur mit Raketen ausgerüstet sind und die "toten Zonen" nicht abdecken können. Dieses Hybridsystem wurde unter realen Kampfbedingungen auf russischen Schiffen getestet, die an aktuellen Militäroperationen beteiligt sind.
Panzir-ME-Raketensystem auf der Ausstellung "Russische Armee: Zukunft" im Rahmen des 4. internationalen militärtechnischen Forums "Armee 2018" in Kubinka.Sputnik / Sputnik
"Viking" gegen den Westen: Vergleichende Analyse von Raketenabwehrsystemen mittlerer Reichweite
Abschließend enthält das Kapitel eine vergleichende Studie des Analytischen Zentrums für Luft- und Raumfahrtverteidigung, in der das russische "Buk-M3"-System (Exportbezeichnung: "Viking") mit mehreren NATO-Systemen verglichen wird: dem deutschen IRIS-T SLM, dem gemeinsam von Norwegen und den USA entwickelten NASAMS-System und dem französischen SAMP/T.
Raketenabwehrsystem "Buk-M3" der russischen Luftabwehr des Südlichen Militärbezirks an einer Position im von Russland kontrollierten Gebiet Saporoschje während der russischen Militäroperation in der Ukraine.Sputnik / Sputnik
Die Autoren weisen auf einen grundlegenden Unterschied in der Methodik hin: Die russischen Spezifikationen basieren auf garantierten Betriebsleistungen, während westliche Angaben häufig maximale Testergebnisse angeben, die die tatsächlichen Leistungsfähigkeiten überschreiten können. Darüber hinaus bestehen westliche Raketenabwehrsysteme häufig aus heterogenen, miteinander kombinierbaren Komponenten. Im Gegensatz dazu wird das "Viking"-System als integriertes und intern synchronisiertes System präsentiert, das speziell für hochintensive Kampfeinsätze mit einem vollständigen Aufgabenspektrum entwickelt wurde.
Im Rahmen des Berichts wird argumentiert, dass westliche Systeme besser für Operationen begrenzten Umfangs geeignet sind, während "Viking" speziell für moderne Kampfhandlungen unter Einsatz verschiedener Waffengattungen und zur Erzielung entscheidender Ergebnisse auf dem Schlachtfeld entwickelt wurde.
Militärtechnische Zusammenarbeit: Exportstrategie und strategische Partnerschaften
Das letzte Kapitel des "Russischen Militärjahrbuchs 2025" beginnt mit einer Analyse von Nikita Kirillow vom Zentrum für die Analyse des Weltwaffenhandels, die sich auf die Rolle von "Rosoboronexport" – Russlands staatlichem Vermittler für den Export von Militär-, Spezial- und Dual-Use-Produkten – konzentriert. Laut Kirillow liefert das Unternehmen nicht nur Ausrüstung, sondern auch integrierte Verteidigungslösungen, die ausländischen Partnern bei der Entwicklung ihrer nationalen Verteidigungsinfrastrukturen helfen.
Über den Rüstungshandel hinaus engagiert sich "Rosoboronexport" aktiv im Technologietransfer und in gemeinsamen Produktionsprojekten. So verfügt Indien beispielsweise über eine Lizenz zur Herstellung von Su-30MKI-Kampfflugzeugen auf seinem Territorium, und beide Länder produzieren gemeinsam Artilleriegeschosse und AK-203-Gewehre. Diese Maßnahmen sind neben gemeinsamen Initiativen im Bereich Forschung und Entwicklung wichtige Instrumente zur Stärkung des geopolitischen Einflusses Russlands in verschiedenen Regionen.
Ein Besucher besichtigt den Stand der Korporation für taktische Raketentruppen auf dem 10. Internationalen Militärtechnischen Forum "Armee-2024" im Kongress- und Ausstellungszentrum "Patriot" im Gebiet Moskau, Russland.Sputnik / Sputnik
Kirillow teilt auch seine Eindrücke vom Forum "Armee-2024", das traditionell als Demonstrationsplattform für die russische Verteidigungsindustrie dient. Diese zehnte Jubiläumsausstellung, die inmitten der laufenden speziellen Militäroperation in der Ukraine stattfand, war in ihrem Umfang eingeschränkt – nur Branchenexperten hatten Zutritt –, zog jedoch Vertreter aus über 80 Ländern an. Der russische Verteidigungsminister Andrei Beloussow traf sich zu bilateralen Gesprächen mit seinen Amtskollegen aus acht Ländern, wobei Weißrussland, China, Indien, Iran und andere Länder nationale Expositionen präsentierten.
Es wurden mehr als 20.000 Militär- und Dual-Use-Produkte ausgestellt, darunter mehr als 250 Exponate, die Kirillow als "Volksverteidigungsindustrie" Russlands bezeichnete – ein Begriff, der militärische Innovationen beschreibt, die an der Front infolge des Ukraine-Konflikts entstanden sind. Einige dieser Systeme, darunter hochmoderne Drohnen, wurden bereits im Kampfeinsatz getestet. Das Gesamtvolumen der auf dem Forum unterzeichneten Verträge belief sich auf über 500 Milliarden Rubel (5 Milliarden US-Dollar).
"Die in Kampfeinsätzen unter Beweis gestellte Wirksamkeit von Waffen ist ein viel gewichtigeres Argument als ihre technischen Spezifikationen oder auf einem Testgelände gedrehte Werbespots."
— Nikita Kirillow, Zentrum für die Analyse des Weltwaffenhandels
In den folgenden beiden Artikeln wird die militärisch-technische Zusammenarbeit Russlands mit Indien ausführlich beleuchtet, insbesondere so bedeutende Projekte wie das Exportkampfflugzeug Su-57E und die Fregatte vom Typ "Tushil".
Die Su-57 ist Russlands Mehrzweckkampfflugzeug der fünften Generation. Seine Exportvariante (Su-57E) wurde Ende 2024 auf einer Verteidigungsmesse in China vorgestellt. Das in ukrainischen Kampfgebieten getestete Flugzeug wird als einzige Maschine der fünften Generation positioniert, die sich gegen moderne westliche Luftabwehrsysteme als wirksam erwies. Kirillow betont, dass Russland im Gegensatz zu den USA bereit ist, Schlüsseltechnologien zur Verfügung zu stellen, was im Einklang mit Indiens "Made in India"-Initiative steht und das strategische Vertrauen vertieft.
"Angesichts der neuen geopolitischen Realitäten und des Bestrebens Indiens, seinen militärpolitischen Status zu stärken, kann nun das Projekt zur Entwicklung eines indischen Kampfflugzeugs der fünften Generation auf Basis des russischen Modells Su-57 wieder aufgenommen werden."
— Bericht des Zentrums für die Analyse des Weltwaffenhandels
Die Fregatte vom Typ "Tushil" wurde unterdessen für die indische Marine in der russischen Werft "Jantar Baltischer Schiffbau" gebaut – sie ist die siebte ihrer Art, die in Russland für Indien gebaut wurde. Das in Sankt Petersburg entworfene Schiff wurde in den indischen Medien als "technologisches Wunderwerk" gepriesen. Das Schiff stellte seine hohen Kampfeigenschaften unter realen Kampfbedingungen während des Ukraine-Konflikts unter Beweis. Es ist geplant, diese Fregatten in Indien unter Lizenz zu produzieren, was einen weiteren Schritt in Richtung lokalisierter Fertigungskapazitäten und gemeinsamer Streitkräfteprojektion darstellt.
"Es besteht kein Zweifel, dass die Lieferung der neuesten Fregatte an die indische Marine die maritime Verteidigung Indiens erheblich stärken und die privilegierte strategische Partnerschaft zwischen Moskau und Delhi ein weiteres Mal unter Beweis stellen wird."
— Bericht des Zentrums für Analyse des Weltwaffenhandels
Trotz der Breite der behandelten Themen – von Waffensystemen und Kampftechnologien bis hin zu strategischer Doktrin und Außenbeziehungen – ist das "Russische Militärjahrbuch 2025" um eine zentrale Idee herum aufgebaut: Russland ist überzeugt, seine Rolle in der Welt klarer definiert zu haben.
Die letzten drei Jahre, geprägt von Krieg, Sanktionen und einer eskalierenden Konfrontation mit dem Westen, veranlassten Moskau dazu, sein Verständnis globaler Bedrohungen – und seinen Platz in einer sich rasch wandelnden Weltordnung – zu überdenken. Der Jahresbericht spiegelt diesen Zustand wider, in dem Russland sich nicht länger als ein Land betrachtet, das sich fremden Regeln anpasst, sondern seine eigenen durchsetzt.
Wo andere Instabilität sehen, sehen russische Strategen Chancen. Der Ton des Dokuments lässt keine Angst vor globalen Umbrüchen erkennen, sondern Zuversicht, diese zu meistern – verwurzelt in der Überzeugung, dass Russland über die strategische Klarheit, die institutionellen Instrumente und die industrielle Basis verfügt, um in einer multipolaren Welt entschlossen zu handeln.
Übersetzt aus dem Englischen.
Dmitri Plotnikow ist ein politischer Journalist, der sich mit der Geschichte von und aktuellen Ereignissen in ehemaligen Sowjetstaaten beschäftigt.
Mehr zum Thema - Hat der Westen noch Angst vor Atomwaffen? Warum Ukraine-Krieg nicht mit Kubakrise vergleichbar ist
Berlin unter Merz: Wie man einen Krieg mit Russland anfängt − in einfachen Schritten
Von Tarik Cyril Amar
Wenn man in einem dunklen Loch sitzt, soll man tiefer graben, vor allem tiefer als der glücklose deutsche Ex-Kanzler Olaf Scholz. Dies scheint das neue Berliner Motto zu sein. Unter Friedrich Merz' neuem Missmanagement setzt die deutsche Regierung klaren Kurs, ihre derzeit miserable Nicht-Beziehung zu Russland weiter zu verschlechtern. Das ist ein betrüblich ehrgeiziges Ziel, da die Dinge jetzt bereits schlechter stehen als zu jedem anderen Zeitpunkt nach 1945.
Aber Merz und seine Mannschaft scheinen nicht zufrieden damit zu sein, in einem Stellvertreterkrieg mit Russland, der sich in ein ruinöses Fiasko − nicht für die russische Wirtschaft, aber für die deutsche − verwandelt hat, eine Schlüsselrolle zu spielen. Schon im Februar 2023 meldeten deutsche Leitmedien, der Krieg habe das BIP um 2,5 Prozent verringert.
Das ist schon für sich genommen eine große Zahl, aber wenn man mit berücksichtigt, dass zwischen 2022 und 2024 das jährliche Wirtschaftswachstum (oder eher die -schrumpfung) zwischen -0,3 (2023) und +1,4 Prozent lag, sieht das noch schlechter aus.
Und doch geht das Berlin von Merz, statt ernsthaft − und endlich − auf Diplomatie zu setzen, um diesen Krieg gegen Russland mithilfe der Ukraine zu beenden, jetzt das Risiko ein, die gegenwärtige Unordnung in den Alptraum einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und Deutschland (und damit vermutlich auch der NATO − obwohl das nicht länger notwendigerweise die USA mit einschließt) zu eskalieren. Eine solche Konfrontation wäre auf eine Art und Weise zerstörerisch, wie sie die Deutschen lange nicht erlebt haben, was jüngst sogar eine deutsche Fernsehdokumentation eingestehen musste, obwohl ihr offenkundiger Zweck darin bestand, die derzeit auf Steroiden laufende Remilitarisierung des Landes weiter anzufeuern.
Das einzelne, sichtbarste Symbol der neuen, geradezu industrielle Dimensionen annehmenden Berliner Tollkühnheit ist die Taurus-Rakete − eine hochentwickelte, sehr teure Waffe (pro Stück zwischen einer und drei Millionen Euro), deren vollständigen Namen man schnell wieder vergessen will (Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System), und, das ist entscheidend, die eine Reichweite von maximal 500 Kilometern aufweist.
Die Regierung unter Scholz, so atemberaubend inkompetent und den USA gegenüber schamlos unterwürfig sie auch war, hatte nie zugestimmt, der Ukraine diese Waffe zu überlassen. Im Kern aus zwei Gründen: Die Taurus könnte, ist sie erst einmal in der Ukraine, tief in russisches Gebiet reichen, sogar bis Moskau, und es ist unbestreitbar, dass sie nur mit direkter deutscher Hilfe abgefeuert werden kann, was einen Kriegszustand zwischen Moskau und Berlin herbeiführen würde. Merz hat jedoch einen vagen, aber bedeutenden Eindruck hinterlassen, die Lieferung der Taurus an Kiew sei wieder eine Option.
Im Verlauf dieses Krieges − und auch schon in seinem Vorlauf − hat Russland klare Warnungen gegeben, welche Folgen ein solcher Krieg mit sich brächte: Dem russischen Außenminister Sergei Lawrow zufolge ist Deutschland beispielsweise im Ukraine-Krieg "bereits direkt engagiert". Aber selbst er sieht Raum dafür, dass die Verhältnisse noch deutlich schlechter werden, und dass Deutschland, in seinen Worten, "den gleichen rutschigen Abhang hinuntergleitet, den es im vergangenen Jahrhundert bereits mehrfach hinabgerutscht ist − hinunter zu seinem Zusammenbruch".
Dmitri Peskow, Sprecher des Präsidenten Wladimir Putin, hat unterstrichen, dass Merzens Aussagen, so verworren sie waren, auf eine "ernsthafte Eskalation" deuteten. Die Chefin von RT, Margarita Simonjan, hat, weniger diplomatisch, erläutert, ein deutsch-ukrainischer Taurus-Angriff auf eine russische Stadt könne einen russischen Raketenschlag auf Berlin auslösen. Währenddessen erwähnte ein wichtiger russischer Militärexperte die Möglichkeit eines Angriffs auf die Produktionsanlagen der Taurus in Deutschland.
Nützen diese Warnungen irgendwas? Deutsche Politiker würden natürlich nicht offen zugeben, durch Moskau erfolgreich abgeschreckt worden zu sein, aber es ist Tatsache, dass Merz es unterlassen hat, auf seine implizite Drohung einer Lieferung der Taurus an die Ukraine Taten folgen zu lassen.
Hätte er dies tun wollen, so wäre der Besuch des ukrainischen Regierungschefs Wladimir Selenskij in Berlin eine vorzügliche Gelegenheit gewesen, den Handel abzuschließen. Aber statt der sehnsüchtig erwarteten Lenkraketen erhielt Selenskij etwas Anderes: den ostentativen Gebrauch des informellen "Du", viel Geld (schon wieder) und das Versprechen, Deutschland werde helfen, in der Ukraine weitreichende Waffen zu bauen. Angesichts dessen, dass Moskau gerade seine Fähigkeiten demonstriert hat, derartige Produktionseinrichtungen überall in der Ukraine zu treffen, ein Versprechen, das eigentlich einem Sich-Drücken entspricht. Zumindest vorerst.
Das ist gut so. Es verhindert eine unmittelbare, extrem gefährliche Eskalation. Aber Merz und seine Experten sind naiv, wenn sie glauben, es gebe keine russische Antwort auf ihre erklärte Absicht, deutsches Wissen in die Ukraine zu transferieren, damit dort weitreichende Waffen gefertigt werden können.
Zum einen hat Moskau gerade erst seine Fähigkeit gezeigt, die ukrainische Rüstungsindustrie zu treffen. Gleichzeitig ist selbst die Taurus keineswegs vom Tisch. Aber auch nicht die russischen Warnungen vor den katastrophalen Folgen ihres Einsatzes. Das russische Verteidigungsministerium ist zuversichtlich, seine Luftabwehr könne Taurus-Angriffe stoppen, aber betont dennoch, die spezielle Fähigkeit der Rakete, tief in russisches Gebiet zu fliegen, schaffe ein Problem einer ganz eigenen Kategorie.
Was versucht das neue Berlin hier überhaupt? Es laufen Verhandlungen, um den Krieg zu beenden, selbst wenn Merz das Gegenteil behauptet. Russland "spielt" mitnichten, wie er wiederholt, "auf Zeit". In Wirklichkeit ist die zweite Runde der Gespräche von Istanbul 2.0 bereits angesetzt, zumindest was Moskau betrifft.
Das wirkliche Problem westlicher Politiker wie Merz ist, dass Moskau nicht bereit ist, seine eigenen Interessen preiszugeben oder einseitigen Forderungen, die von Drohungen begleitet werden, Folge zu leisten.
Wenn ein plausibler Bericht von Reuters, der auf durchgestochenen Informationen beruht, tatsächlich zutrifft, dann hat Putin Russlands Bedingungen für eine realistische Befriedung ein weiteres Mal skizziert: Sie umfassen, nicht überraschend, ein vollständiges Ende der Ausdehnung der NATO, ein zumindest partielles Ende der Sanktionen gegen Russland und der Versuche, eingefrorenes russisches Staatsvermögen zu beschlagnahmen, eine wirkliche Neutralität der Ukraine und Schutz für ihre Russisch sprechenden Bürger.
Vor diesem Hintergrund sind Merz' jüngste Kapriolen nur noch rätselhafter: Russland ist nicht schwach, sondern gewinnt diesen Krieg. Eine Sommeroffensive steht womöglich bevor und wird die Lage der Ukraine noch unhaltbarer machen. Aber es gibt auch eine wirkliche Möglichkeit, Verhandlungen zu nutzen, die gerade wieder aufgenommen wurden, um die Verluste sowohl der Ukraine als auch des Westens zu begrenzen.
Das Zögern der Vereinigten Staaten, einen harten Kurs gegen Russland verlässlich abzusichern, könnte währenddessen den Europäern aus NATO und EU erlauben, konstruktive Alternativen zum derzeitigen Stellvertreterkrieg zu suchen. Tatsächlich sollte es ihr schlimmster Alptraum sein, mit diesem Konflikt alleingelassen zu werden, wenn Moskau und Washington einen Durchbruch zu einer völligen Entspannung schaffen.
Die deutsche Wirtschaft wird nicht blühen − nicht einmal mit einem letzten Aufgebot an schuldenfinanziertem Rüstungskeynesianismus, wie es Merz jetzt gestartet hat − außer, ihre Beziehungen zu Russland werden neu gefasst. Und nicht zuletzt wird die Ukraine nicht wieder aufgebaut werden, ehe es einen dauerhaften Frieden gibt.
Und Berlins Antwort auf all das? Mehr vom Selben, nur schlimmer. Jetzt, mit der Taurus zurück auf der Speisekarte und offenen Ankündigungen, der Ukraine zu helfen, ihre eigene Version zu bauen, vermutlich unter intensiver deutscher Betreuung und vollgepackt mit deutscher Technologie, sind Kiews Chancen keineswegs besser, und Deutschlands Position ist noch fragiler. Die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation zu einem direkten Krieg zwischen Russland und Deutschland bleibt noch höher als vor der neuen Initiative von Merz, und die Wahrscheinlichkeit eines Friedens ist geringer. Das könnte man einen beidseitigen Verlust nennen.
Übersetzt aus dem Englischen.
Tarik Cyril Amar ist Historiker an der Koç-Universität in Istanbul und befasst sich mit folgenden Forschungsfeldern: Russland, die Ukraine, Osteuropa, Geschichte des Zweiten Weltkriegs, der kulturelle Kalte Krieg, Erinnerungspolitik. Man findet ihn auf X unter @tarikcyrilamar und auf Substack unter den Links @tarikcyrilamar.substack.com und tarikcyrilamar.com.
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War Joe Biden krank oder das System?
Von Dagmar Henn
Nun ist es also klar, dass US-Präsident Joe Biden mindestens während des letzten Jahres seiner Amtszeit nicht mehr zurechnungsfähig war und sich ein weiteres Stück "russischer Propaganda" als wahr erwiesen hat. Und dennoch ereignet sich das alles, insbesondere in den deutschen Medien, wie hinter einer dicken Milchglasscheibe – die Umrisse sind vielleicht noch zu erkennen, aber das Bild bleibt unscharf. Bei aller Leidenschaft "einzuordnen" wird die Bedeutung dieser Information nicht entziffert; oder eben weiterhin beschwiegen.
Dabei müssten eigentlich gerade jene, die in den Vereinigten Staaten immer den "Leuchtturm der Freiheit" sehen, vor Schmerz aufjaulen. Denn es müsste ihnen doch etwas bedeuten, ob die Integrität und Legitimität der Regierung, in deren Bugwasser sie schwimmen, gewahrt sind, und ob die von ihnen gepriesene Demokratie intakt ist.
Vom Sommer des vergangenen Jahres bis zum Amtsantritt des heutigen US-Präsidenten Donald Trump war das Risiko eines Atomkriegs extrem hoch; Experten schätzten es höher ein als während der Kubakrise 1962. Zuletzt, im November 2024, erteilte die Biden-Regierung die Genehmigung, Marschflugkörper gegen russisches Gebiet (in den Grenzen von 2013) einzusetzen. Zugegeben, auch dieses Risiko wurde in den westlichen Medien heruntergespielt. Aber selbst dann – hat es keine Bedeutung, wenn in genau einem solchen Augenblick völlig unklar ist, wer da welche Entscheidung trifft?
Das politische System der Vereinigten Staaten ist um den Präsidenten herum angeordnet. Er ist der einzige Vertreter der Exekutive, der direkt gewählt ist. Die Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen liegt beim Präsidenten persönlich. Die gesamte militärische Befehlskette nimmt von ihm ihren Ausgang. Wenn jetzt unbestreitbar ist, dass genau diese Position von einer oder mehreren nicht identifizierten Gestalten besetzt wurde, die ihrerseits mit hoher Wahrscheinlichkeit keinerlei Legitimation durch irgendeine Wahl besaßen – sollte das nicht tiefe Beunruhigung über den Zustand der US-amerikanischen Demokratie auslösen?
Selbst wenn man davon ausgeht, dass zentrale Entscheidungen nie wirklich von einer einzelnen Person getroffen werden, ja, selbst wenn man davon ausgeht, dass ein tiefer Staat existiert, der seine langfristigen Interessen auf die eine oder andere Art durchsetzt: An der zentralen Stelle des gesamten kollektiven Westens war Leere, war nichts und niemand, der auch nur ansatzweise die Verantwortung trug für das, was geschah.
Wer hatte nun die Kontrolle über den berühmten roten Knopf? Das ist schließlich keine Lappalie, das ist eine lebenswichtige Frage. Dennoch wird sie nicht gestellt. Und sollte die Trump-Regierung sich daran machen, diese Phase rechtlich aufzuklären, wird das vermutlich ebenso wenig Gegenstand ehrlicher Berichterstattung sein, wie es der Zustand selbst war. Was eigentlich nur eine Deutung zulässt: diejenigen, die diesen skandalösen Zustand nach wie vor nicht ernst nehmen, legen selbst keinen wirklichen Wert auf Demokratie und Rechtsstaat.
Sie haben sich alle große Mühe gegeben, die tatsächliche Lage zu verschleiern. Jene, die sie angesprochen haben, zu beschimpfen und für unglaubwürdig zu erklären. Gut, im Wahlkampf kann man das noch nachvollziehen, so widerlich das ist. Aber irgendwann müssten auch sie zu der Erkenntnis kommen, dass das kein nebensächlicher Unfall war, sondern einen tiefen, strukturellen Schaden des gesamten Systems enthüllt.
Wollen wirklich alle europäischen Staatschefs, die in dieser Zeit nicht nur Umgang mit Joe Biden hatten, sondern auch noch folgsam die Pläne seiner Regierung umsetzten, behaupten, ihnen sei nichts aufgefallen? Sie hätten nicht bemerkt, dass da niemand war, es hätte sie nicht beunruhigt, sich durch eine anonyme Macht in einen Krieg verstricken zu lassen?
Im Grunde ist das eine Extremversion von "Des Kaisers neue Kleider". Nur dass es in diesem Fall nicht die Kleider waren, die nicht existierten, sondern der Kaiser selbst. Während die versammelten Hofschranzen mit allen Mitteln so taten, als wäre da eine Person. Wie rechtfertigen all die europäischen Regierungschefs, Scholz, Macron und die ganze Liste britischer Premiers, an diesem Schauspiel mitgewirkt zu haben, willig bis hin zur finalen Eskalation?
Die Vorstellung republikanisch-demokratischer Herrschaft (hier meine ich nicht die US-Parteien, sondern die Regierungsformen) geht schließlich nicht von einem gottgegebenen Herrscher aus, der hingenommen werden muss, wie einst die Briten George III. hinnahmen. Wir reden von einer gewählten Exekutive, die einzig aus dieser Wahl ihre Legitimation bezieht, wobei es keinen Unterschied macht, ob es ein präsidiales oder ein parlamentarisches System ist.
Sicher, der administrative Apparat wäre in beiden Varianten immer noch imstande, Verordnungen auszuspucken und Entscheidungen zu treffen. Aber diese Form der Macht hat keine Rechtfertigung, sie ist immer nur abgeleitet. Sosehr es im Alltag illusorisch sein mag, so schwer es selbst im günstigen Falle ist, seitens der politischen Gremien wirkliche Kontrolle auszuüben – ein Apparat, in dem niemand zu finden ist, der wirkliche Verantwortung trägt und auch tragen muss, verwandelt sich in ein zutiefst undemokratisches Konstrukt. Die EU ist dafür inzwischen ein gutes Beispiel, mit ihrer nicht durch Wahlen legitimierten Kommission und dem zahnlosen Pseudoparlament.
Hätte das Biden-Surrogat die maximale Fehlentscheidung getroffen, würden wir uns alle heute gewiss ganz andere Sorgen machen, wenn überhaupt. Aber ist es nicht tief verstörend, wenn man um ein Haar, vorerst zumindest, an einem nuklearen Armageddon vorbeigerauscht ist, ohne überhaupt zu wissen, wer da womöglich die Entscheidung getroffen hätte?
Keiner der Mechanismen, die an sich existieren, um solche Situationen zu verhindern, hat gegriffen. Ein US-Präsident kann zurücktreten. Sicher, Kamala Harris wäre auch keine große Hilfe gewesen, und auch dieser Zustand hätte nicht dem Minimum entsprochen, das zu erwarten wäre. Aber die Mittel, abzuhelfen, gibt es. Es gibt auch die Möglichkeit, einen Präsidenten abzusetzen, der nicht mehr imstande ist, sein Amt auszuüben. Und wenn man der Presse eine politische Funktion zuschreiben will, dann wäre es in einer solchen Lage geboten, die eigene Bevölkerung darüber in Kenntnis zu setzen.
Keiner der unzähligen vermeintlichen Verfechter der Demokratie hielt es für nötig, einzuschreiten. Im Gegenteil – wer es wagte, mit dem Finger auf den leeren Platz anstelle des Kaisers zu zeigen, bewies sich dadurch vermeintlich als Undemokrat. Obwohl doch im Grunde all jene, die an der Täuschung mitgewirkt haben, auf beiden Seiten des Atlantiks, durch ihr Tun belegten, dass Kerngedanken der Demokratie wie Legitimität der Macht und Verantwortlichkeit für sie keinen Wert besitzen und hinter "wichtigeren" Dingen zurückzustehen hatten.
In Russland war es einst der trunkene Boris Jelzin, der weltweit sichtbar den Niedergang verkörperte, dem Einhalt geboten werden musste. Der abwesende Joe Biden stellt eine Steigerung dar; zum einen, weil die globale Lage weitaus gefährlicher war, und zum anderen, weil Jelzins Verfall nur Russland betraf, jener Bidens aber den gesamten Kollektiven Westen, der sich wie unter einem Schweigegelübde um die Leerstelle arrangierte.
Es gibt Momente, bei denen man nur froh ist, wenn sie vorbei sind und der Vergessenheit anheimgegeben werden. Aber die Aushebelung aller demokratischen Regeln und die massive kollektive Vertuschung weisen der Affäre um den dementen Joe Biden einen anderen Stellenwert zu. Den einer Wunde, die weiter schwärt, bis man sich gründlich mit ihr beschäftigt. Sosehr sich der Westen einbilden mag, die Korrumpierbarkeit, die sich in dieser Episode zeigte, ließe sich verbergen, sofern man nur das Narrativ weiter unter Kontrolle hält – der Rest der Welt hat sowohl Augen im Kopf als auch ein durchaus funktionstüchtiges Gedächtnis. Die Vereinigten Staaten wie der gesamte restliche Westen werden darauf angewiesen sein, sich wieder einen Ruf als verlässliche Vertragspartner zu erarbeiten. Sie werden nicht umhinkommen, auch zum fiktiven Präsidenten die Karten auf den Tisch zu legen. So wie auch die Menschen im Westen einige andere Illusionen hinter sich lassen müssen. Die (Wieder-?)Erringung der Demokratie liegt dahinter.
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Sprengstoffanschlag? Brücke stürzt auf Personenzug im Gebiet Brjansk – Tote und Verletzte
In der russischen Region Brjansk ist am Samstagabend gegen 22.44 Uhr Ortszeit eine Brücke auf einen in diesem Moment unter ihr fahrenden Zug gestürzt. Zur Stunde ist von vier Toten und mindestens 44 Verletzten die Rede.
Bei den Toten soll es sich nach Informationen des Telegram-Kanals "Baza" um beide Lokführer und zwei Passagiere des Zuges Nummer 86 Klimow - Moskau handeln, auch RIA Nowosti bestätigt dies. Vier der Verletzten, darunter ein einjähriges Kind, befinden sich im kritischen Zustand. Die Rettungsdienste schließen zur Stunde nicht aus, dass sich in den Trümmern der entgleisten Doppelstockwagen weitere Tote befinden.
Zudem stürzte ein LKW einer Einzelhandelskette von der Brücke. Rettungsdienste und Feuerwehr sind im Einsatz.
Die Russischen Eisenbahnen sprechen von einem Eingriff in den Bahnverkehr als Unglücksursache. In einem Pressestatement der Moskauer Eisenbahn, einem Teilunternehmen der Russischen Eisenbahnen heißt es wörtlich:
"Heute um 22:44 Uhr entgleisten auf dem eingleisigen Bahnübergang Pilschino - Wygonitschi im Gebiet Brjansk eine Lokomotive und Waggons des Personenzugs Nr. 86, Klimow - Moskau, aufgrund des Einsturzes eines Straßenbrückenteils als Folge eines unrechtmäßigen Eingriffs in den Transportbetrieb. Um die Folgen des Einsturzes zu beseitigen, wurden Sanierungszüge an den Ort des Geschehens entsandt. Die Angaben zu den Verletzten werden derzeit geklärt."
Der Telegram-Kanal Baza hat Aufnahmen vom Ort der Katastrophe veröffentlicht.
Nach Angaben dieses gewöhnlich gut informierten Kanals wurden die Pfeiler der Brücke vermutlich gesprengt. Auch andere Nachrichtenkanäle behaupten, dass an einem der Pfeiler Spuren von Sprengstoff aufgefunden wurden.
Eine andere Aufnahme zeigt den Einsturz von der Brücke aus sowie den abgestürzten LKW der Handelsfirma "Miratorg".
Mehr Informationen in Kürze ...
"Größte Herausforderung unserer Zeit" – EU besorgt über Beziehungen zwischen Russland und China
Die Leiterin der europäischen Außenpolitik Kaja Kallas hat sich besorgt über die Stärkung der Beziehungen zwischen Russland und China inmitten der anhaltenden Feindseligkeiten in der Ukraine geäußert. Auf dem Sicherheitsforum Shangri-La-Dialog in Singapur erklärte sie:
"Dies ist die größte Herausforderung unserer Zeit."
Wenn China und Russland davon sprächen, "einen seit 100 Jahren nicht dagewesenen Wandel anzuführen und die internationale Sicherheit zu überdenken", so Kallas, sei dies "äußerst besorgniserregend". Kallas erinnerte auch an die Worte von US-Verteidigungsminister Peter Hegseth, der behauptete, China "bedrohe" andere asiatische Länder.
Laut Bloomberg haben sowohl Kallas als auch der französische Präsident Emmanuel Macron auf dem Forum in Singapur versucht, die EU als zuverlässigen und vertrauenswürdigen Verbündeten für Länder darzustellen, die sich Sorgen machten, "zwischen den Vereinigten Staaten und China wählen zu müssen". Europa habe ein langfristiges strategisches Engagement in der Region, betonte Kallas und versprach, dass die EU immer auf der Seite derjenigen stehen werde, die "Zusammenarbeit, gemeinsamen Wohlstand und gemeinsame Sicherheit" der "Isolation, Einschüchterung und Aggression" vorziehen.
Überdies warf Kallas China vor, Russland militärische Unterstützung zu leisten. Westliche Staats- und Regierungschefs hatten zuvor wiederholt behauptet, dass Peking Güter mit doppeltem Verwendungszweck nach Moskau liefere, die Russland die Fortsetzung seiner militärischen Operationen "ermöglichen", und die chinesische Seite vor weiteren Sanktionen gewarnt. Eine Reihe chinesischer Unternehmen steht bereits auf den Sanktionslisten der EU und der USA, weil sie Halbleiterchips an Russland geliefert haben sollen. Peking wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, es leiste keiner der Konfliktparteien militärische Unterstützung und kontrolliere sorgfältig die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Das russische Außenministerium bezeichnete die Behauptungen über chinesische Hilfe wiederholt als Desinformation.
Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete, die Beziehungen zwischen Moskau und Peking hätten "das höchste Niveau in der Geschichte der Entwicklung" erreicht. Sie hätten sich "unter schwierigen Bedingungen gefestigt" und seien zu einem Maßstab für die Zusammenarbeit zwischen Großmächten geworden, so der chinesische Staatschef Xi Jinping. Nach einem ihrer Telefongespräche merkten die beiden Staatschefs an, dass der russisch-chinesische "außenpolitische Zusammenhang der wichtigste stabilisierende Faktor im Weltgeschehen ist, (...) der keinem äußeren Einfluss unterliegt und sich nicht gegen jemanden richtet", so der Kreml.
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Ukraine am Rande der Staatspleite
Die Ukraine wird 665 Millionen US-Dollar (ca. 586 Millionen Euro), die sie internationalen Gläubigern schuldet, nicht zahlen, teilte das Finanzministerium des Landes am Freitag in einer Erklärung mit. Kiew war zuvor daran gescheitert, mit einer Gruppe von Gläubigern unter Führung von Hedgefonds zu einer Umschuldungsvereinbarung zu kommen.
Die Zahlung auf die mit dem Bruttoinlandsprodukt verknüpften Schuldverschreibungen – eine Schuld, die mit dem Wirtschaftswachstum verknüpft ist und insgesamt 2,6 Milliarden US-Dollar (2,29 Milliarden Euro) beträgt – ist am 2. Juni fällig.
Die Ukraine sollte diese Zahlung ursprünglich im vergangenen Jahr leisten, aber ein Moratorium bei der Ablösung von Schuldpapieren, gebilligt durch die Kiewer Regierung, erlaubte es dem unter Geldmangel leidenden Land, einen Bankrott zu vermeiden. Das Moratorium wird, so die Erklärung, in Kraft bleiben, bis die Umschuldung abgeschlossen ist.
Das Finanzministerium schrieb, dass nach einer Vereinbarung, die 2024 mit internationalen Gläubigern getroffen worden war, die sogenannte Cross-Default-Klausel (nach der bei einem Kredit eine Zahlungsunfähigkeit eintritt, wenn bei einem anderen Gläubiger eine Zahlung ausfällt) aus den Verträgen gestrichen wurde.
Diese Klausel hatte zur Folge, dass ein Zahlungsausfall bei den an die Wirtschaftsentwicklung geknüpften Papieren einen Bankrott auch bezogen auf andere Schuldverpflichtungen auslösen konnte, wie die internationalen Schuldverschreibungen des Landes. Das Ministerium betonte, die Entfernung dieser Klausel bedeute, dass die Ukraine für ihre internationalen Schuldverschreibungen keinen Bankrott erklären müsse.
Im April hatten die ukrainischen Behörden mitgeteilt, Verhandlungen über ein Umschuldungsabkommen bezogen auf einen Teil der Staatsverschuldung im Nennwert von 3,2 Milliarden US-Dollar (2,82 Milliarden Euro) seien gescheitert.
Laut Bloomberg hatte die Ukraine den Investoren in den gescheiterten Gesprächen zwei Optionen angeboten, darunter einen vollen Umtausch in Staatspapiere durch Wiederöffnung bereits vorhandener Noten. Die Gläubiger stimmten jedoch Berichten zufolge nur einer Umschuldung der Zahlung für Mai zu und forderten mehr als 400 Millionen US-Dollar (352 Millionen Euro) in Bar wie auch die Umwandlung von mehr als 200 Millionen US-Dollar (176 Millionen Euro) in neue Papiere – eine Bedingung, die Kiew ablehnte.
Die gesamte Auslandsverschuldung der Ukraine betrug im vierten Quartal 2024 181 Milliarden US-Dollar (159 Milliarden Euro), was ziemlich genau hundert Prozent des BIP entspricht.
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UN-Vertreter Russlands: Keine Wiederholung von Minsk 2
In einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates sagte der Ständige Vertreter Russlands Wassili Nebensja, Russland werde der Ukraine nicht die Möglichkeit geben, einen Waffenstillstand zur Aufrüstung zu nutzen.
"Eine Wiederholung von 'Minsk' wird es nicht geben", sagte er.
Der Vertreter Russlands betonte zudem, dass es für einen dauerhaften Frieden notwendig sei, die Auslöser des Konfliktes ein für alle Mal zu beseitigen.
Der Ständige Vertreter Chinas wies zudem darauf hin, dass die USA maßgeblich zur Entstehung des Konflikts beigetragen haben.
Der Konflikt hat eine seiner Ursachen in der Absicht, die Ukraine in die NATO aufzunehmen. Eine weitere Ursache ist die systematische Benachteiligung und Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe im Osten des Landes, was zu einem Bürgerkrieg führte.
Russland drängt daher darauf, dass die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer ihre NATO-Pläne aufgeben. Eine Teilung des Landes würde zudem die russischsprachige Bevölkerungsgruppe schützen, nachdem Minsk 2 vom Westen und der Ukraine sabotiert wurde.
Minsk 2 war ein völkerrechtlich bindendes Übereinkommen, das die territoriale Integrität unter Ausklammerung der Krim sicherstellen sollte. Durch die Föderalisierung der Ukraine, verbunden mit einer Stärkung der Autonomie des Donbass, sollte ein Auseinanderfallen des Landes verhindert werden. Dieser Plan wurde seitens Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine hintertrieben. Seitdem hat sich die Position der Ukraine dramatisch verschlechtert.
Die nächste Verhandlungsrunde zur Regulierung des Ukraine-Konflikts ist für den 2. Juni vorgesehen. Diplomatische Vertreter Russlands und der Ukraine treffen dann in Istanbul zusammen. Bei einem ersten Treffen am 16. Mai wurde ein umfassender Gefangenenaustausch im Format 1.000:1.000 vereinbart.
Trotz des konkreten Ergebnisses und der Vereinbarung, weiterzuverhandeln, wurde die erste Verhandlungsrunde im Westen als Zeichen dafür gewertet, dass Wladimir Putin keinen Frieden will. Im Westen war die Präsenz Putins bei den Verhandlungen eingefordert worden, obwohl die Unterredungen vor allem technischen und organisatorischen Charakter hatten. Die Präsenz eines Staatsoberhaupts bei Verhandlungen in diesem frühen Stadium ist nicht üblich.
Dennoch wird Russland vorgeworfen, auf Zeit zu spielen. Der Westen verlangt einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand. Gleichzeitig bekennt er sich dazu, die Ukraine weiter mit Waffen aufrüsten zu wollen. Russland geht daher davon aus, dass dieser Waffenstillstand nicht dazu dienen soll, den Krieg zu beenden, sondern ihn zu verlängern. Ein Waffenstillstand ist für Russland daher nur unter der Zusage akzeptabel, dass der Westen die Waffenlieferungen nachweislich einstellt und die Ukraine in der Zeit keine Soldaten rekrutiert.
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Gebiet Kursk: Schicksal Hunderter Bewohner nach ukrainischem Einmarsch unbekannt
Das Schicksal von 576 Personen, darunter vier Kinder, ist nach dem Einmarsch der ukrainischen Streitkräfte in das Gebiet Kursk weiterhin ungeklärt. Dies teilte der kommissarische Gouverneur des Gebiets Alexander Chinstein auf seinem Telegram-Kanal mit.
Insgesamt wurden laut dem Beamten 2.287 Personen in das Register der Bewohner des Gebiets Kursk aufgenommen, zu denen die Angehörigen keinen Kontakt gehabt hätten. 1.290 von ihnen seien ausfindig gemacht worden, außerdem hätten die Behörden den "ungefähren Aufenthaltsort" von 421 Personen festgestellt, so der Leiter der Region. Chinstein präzisierte:
"Bei der Befreiung unserer Siedlungen finden das Militär und die Ermittler Beweise für die barbarischen Verbrechen der ukrainischen Streitkräfte. Heute ist der Tod von 304 Zivilisten festgestellt worden. Die meisten von ihnen sind identifiziert worden."
Unter denjenigen, die nach dem Gefangenenaustausch von 1.000 gegen 1.000 Militärs und Zivilisten mit der Ukraine nach Russland zurückkehrten, waren auch Bewohner des Gebiets Kursk. Am 23. Mai, dem ersten Tag des Austauschs, meldete Chinshtein die Rückkehr von 20 Personen. Am 28. Mai, dem letzten Tag des Austauschs, kehrten sechs weitere Personen zurück.
Wie russische Ombudsfrau für Menschenrechte Tatjana Moskalkowa ausführte, wurden diese Personen "illegal auf dem Territorium der Ukraine" festgehalten. Sie fügte hinzu, dass "die Bemühungen um die Rückführung der übrigen 34 Bewohner des Gebiets Kursk fortgesetzt werden".
Zuvor waren bereits mehrere Dutzend Bewohner von Kursk aus dem ukrainischen Territorium zurückgekehrt. Das erste Mal war dies im November 2024 geschehen, als 46 Menschen, die vom ukrainischen Militär aus dem Gebiet Kursk in das Gebiet Sumy verschleppt worden waren, nach Russland zurückgekehrt waren. Im März kehrten weitere 58 Menschen heim.
Die ukrainischen Truppen hatten das Gebiet Kursk am 6. August 2024 überfallen. Am 26. April 2025 meldeten das russische Verteidigungsministerium und der Generalstab die vollständige Befreiung des Gebiets.
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Mangel an SAMP-T-Abfangraketen – Ukraine bald schutzlos vor Russlands ballistischen Raketen?
Von t.me/milinfolive
Westliche Medien wie Le Monde, The Economist und The Washington Post veröffentlichten fast zeitgleich Berichte über eine erhebliche Erschöpfung der ukrainischen Luftabwehr.
Dies geschah Ende Mai 2025 nach zwei aufeinanderfolgenden kombinierten Massenangriffen mit Langstreckenwaffen auf militärisch relevante Ziele im ukrainischen Hinterland, die beide hinsichtlich der Zahl der eingesetzten Kamikaze-Drohnen Rekordwerte erreichten: Nach Angaben des Gegners setzte Russland in der Nacht auf den 25. Mai 298 Drohnen und in der Nacht zum 26. Mai 355 Drohnen auf einen Schlag ein – während Marschflugkörper und ballistische Raketen in dieser Rechnung noch nicht einmal mitgezählt wurden.
Infolge dieser beiden Angriffe und anderer vergleichbar intensiver in der jüngsten Zeit, so schreibt Le Monde mit Verweis auf das ukrainische Militär, seien den ukrainischen Streitkräften die Abfangraketen für die europäischen Langstrecken-Luftabwehrsysteme SAMP-T ausgegangen. Derweil seien Lenkraketen für die Kurzstrecken-Luftabwehrsysteme Crotale-NG seit über anderthalb Jahren nicht mehr an Kiew geliefert worden. Dies deckt sich grundsätzlich mit den Daten des Wall Street Journal, das noch im März ebenfalls über die Erschöpfung der ukrainischen Vorräte an Flugabwehrraketen für das SAMP-T berichtet hatte.
Warum wird gerade dem SAMP-T so viel Bedeutung beigemessen? Schließlich verfügen die ukrainischen Streitkräfte über zahlreiche verschiedene aus Europa transferierte Luftabwehrsysteme, darunter IRIS-T, NASAMS und Aspide.
Na, ganz einfach: Weil SAMP-T mit seinen Aster-30-Raketen als buchstäblich das einzige europäische Luftabwehrsystem zumindest theoretisch in der Lage ist, ballistische Raketen abzuwehren – kein anderes von EU-Ländern produziertes System kann schnell manövrierende Ziele auf ballistischer Flugbahn abfangen, wie die quasi ballistischen Raketen des Gefechtsfeld-Kurzstreckenwaffensystems Iskander-M sie darstellen. Doch gerade Iskander ist eine der wichtigsten Waffen, die erfolgreich gegen Ziele in Kiew, Odessa, Tschernigow und anderen Städten im tiefen Hinterland der ehemaligen Ukrainischen SSR eingesetzt werden.
Ein weiteres westliches Luftabwehrsystem im Einsatz bei der ukrainischen Luftabwehr, das der Iskander und (das allerdings wirklich nur theoretisch) ihrem Schwestersystem, der aeroballistischen Hyperschallrakete Kinschal, entgegenwirken kann, ist die US-amerikanische MIM-104F Patriot, ausgestattet mit PAC-3-Abfangraketen. Der einzige Hersteller und Lieferant für die Radare, Werfer und andere Bestandteile des Systems – vor allem aber für die exorbitant teuren Abfangraketen – sind die USA. Diese haben jedoch in den letzten Monaten kein allzu großes Interesse an neuen Militärlieferungen an die Ukraine gezeigt. Sollten die vorhandenen Bestände an PAC-3-Abfangraketen in absehbarer Zukunft erschöpft werden, könnte dies die ukrainischen Streitkräfte gegenüber Russlands ballistischen und aeroballistischen Raketen völlig schutzlos zurücklassen.
Derlei Befürchtungen, wie die Westmedien sie äußern, sind nicht unbegründet: Das Weiße Haus behauptet durch Außenminister Marco Rubio weiterhin, die USA könnten die Ukraine nicht mehr mit neuen Patriot-Luftabwehrsystemen beliefern. Rubio merkte an, US-Verbündete könnten doch für Washington einspringen und Kiew ihre Patriots spendieren, wollten sich aber selbst nicht von ihren Luftabwehrsystemen trennen. Dabei schreibt die Washington Post, Kiew habe angesichts großer Engpässe hinsichtlich Luftabwehrsysteme und Raketen für diese die neue US-Regierung wiederholt um Hilfe gebeten – jedoch die Antwort erhalten, diese Luftabwehrsysteme müssten nun gekauft werden, und man werde sie nicht einfach verschenken.
Deutschland versucht, Kiews Mangel an Luftabwehrraketen auszugleichen, indem es veraltete PAC-2-Flugabwehrraketen für das Patriot-Luftabwehrsystem aus seinen eigenen Zeughäusern an die ukrainischen Streitkräfte übergibt.
Die Produktion der modernen PAC-3-Raketen in Deutschland soll planmäßig erst 2027 beginnen. Bis dahin müssen die ukrainischen Streitkräfte entweder jede moderne Abfangrakete wie den sprichwörtlichen Groschen zweimal umdrehen – oder weiterhin auf Nachschub aus den USA hoffen.
Doch selbst für den Fall, dass Washington die Lieferungen dieser Raketen wiederaufnimmt, bezweifelt man im Westen weiterhin, dass der aktuelle Bedarf der ukrainischen Streitkräfte an diesen Waffen gedeckt werden kann. Der Grund ist einfach: Lockheed Martin produziert jährlich bis zu 650 Patriot-Raketen, was immer noch weniger ist als die Produktion russischer Offensivwaffen. Da für jede Rakete zwei oder drei Abwehrraketen benötigt werden (und auch diese Kalkulation erweist sich zuweilen als ungerechtfertigt optimistisch – Anm. d. Red.), stehen die Chancen für die Ukraine schlecht – und der gesamte Jahresvorrat an dieser Munition könnte durchaus innerhalb weniger Monate aufgebraucht sein. Gleichzeitig sind die USA gezwungen, einen Teil dieser Raketen für den Fall eines möglichen Konflikts mit China im Pazifikraum in Reserve zu halten.
Somit spiegeln derartige Beiträge in den westlichen Medien nicht nur die objektiven Probleme der Ukraine mit der Erschöpfung ihrer Abfangraketenbestände wider, wie sie seit vielen Monaten diskutiert werden – sondern sollen vielmehr auch die Entscheidungsträger öffentlich darauf aufmerksam machen. Je größer der "öffentliche Druck" in der Presse, desto höher denkt man sich die Wahrscheinlichkeit, dass US-amerikanische Beamte nach dieser Pfeife tanzen und die Lieferung neuer Flugabwehrraketen "zum Wohle der Ukraine" genehmigen werden.
Übersetzt aus dem Russischen.
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Dieser Beitrag wurde exklusiv für RT verfasst.
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Medien: USA könnten Ukraine zur Teilnahme an Gesprächen mit Russland zwingen
Die USA könnten Druck auf die Ukraine ausüben, damit deren Vertreter an den Gesprächen am 2. Juni teilnehmen, auch wenn Russland nicht im Voraus sein Memorandum über eine friedliche Lösung des Konflikts vorlegt. Dies berichtete die Washington Post.
Kiew habe aufgrund seiner ständigen Abhängigkeit von der militärischen und geheimdienstlichen Unterstützung der USA wenig Handlungsspielraum, so die WP.
Die zweite Runde der russisch-ukrainischen Gespräche, die nach einer dreijährigen Unterbrechung in Istanbul wieder aufgenommen wurden, ist für den 2. Juni angesetzt.
Moskau zeigte sich bereit, seine Version des Memorandums bei dem Treffen in Istanbul vorzulegen. Der Kreml lehnte jedoch ab, den Inhalt des Dokuments im Vorfeld bekannt zu geben. Kiew wollte sich allerdings schon vorab mit dem Dokument vertraut machen und erklärte, dass die Verhandlungen auf diese Weise konstruktiv verlaufen würden. Darauf bestanden insbesondere der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes Andrei Jermak und Verteidigungsminister Rustem Umerow. Der ukrainische Außenminister Andrei Sibiga forderte zudem Moskau auf, das Memorandum "unverzüglich" zu überreichen. Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow nannte die Forderung "nicht konstruktiv". Zugleich äußerte der Kreml die Hoffnung, dass beide Memoranden – das ukrainische und das russische – in der zweiten Gesprächsrunde erörtert würden.
Laut der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, werde die russische Delegation zu den Gesprächen in Istanbul nicht nur den Entwurf des Memorandums, sondern auch andere Vorschläge für einen Waffenstillstand mitbringen. Über deren Inhalt machte die Diplomatin jedoch keine Angaben.
Die Ukraine behauptet, sie habe den USA und Russland ihr Memorandum mit den Bedingungen für eine friedliche Lösung übergeben. Es enthalte Bestimmungen über einen Waffenstillstand "zu Lande, zu Wasser und in der Luft" und die Überwachung des Waffenstillstands durch "internationale Partner", informierte die New York Times.
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Etikettenschwindel Taurus: Merz und das Prinzip Luxushandtasche
Von Dagmar Henn
Angefangen hat das ja einmal mit dem Parmaschinken. Da werden Schweinehintern aus ganz Europa zusammengekarrt, wenn sie in Parma geräuchert werden, sind sie am Ende Parmaschinken. Vor einigen Wochen dann gab es, als chinesische Reaktion auf die Zollankündigungen von US-Präsident Donald Trump, Dutzende Videos, in denen vorgeführt wurde, wie, wo und zu welchem Preis Luxusgüter in China hergestellt werden, die dann, mit einem letzten Handgriff und einem vornehmen Etikett versehen, für das Zehnfache verkauft werden.
Das, was Bundeskanzler Friedrich Merz jetzt als "ukrainische Raketenproduktion" in die Wege geleitet hat, folgt einem ähnlichen Prinzip. Denn, ganz abgesehen von der Möglichkeit, dass hier nur längst gelieferte deutsche Taurus-Raketen mit einem neuen Etikett versehen werden könnten, wird sich auch ansonsten der ukrainische Anteil in sehr engen Grenzen halten. Man kann auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zwar davon ausgehen, dass die eine oder andere unterirdische Produktionsanlage existiert, aber eben nur in den Gebieten, die Industriezentren waren. Die allesamt entweder bereits unter russischer Kontrolle stehen oder zu nahe an der Front sind. Nicht einmal die Sowjetunion sah einen Grund, die Traktoren westukrainischer Bauern in unterirdischen Anlagen zu schützen.
Also wird das Zeug andernorts zusammengebastelt, und das Eindrehen der letzten Schraube erfüllt dann die Funktion, die bei der Produktion von Luxushandtaschen die Befestigung eines Etiketts oder eines Reissverschlusses hat – die Ware mit einer im Kern falschen Ursprungsbezeichnung zu versehen. In beiden Fällen in der Erwartung, dass der Endabnehmer (im einen Fall die Handtaschenkäuferin, im anderen Fall das Ziel der Raketen, also Russland) sich dadurch täuschen lässt oder zumindest einen Grund dafür sieht, so zu tun, als wäre man erfolgreich getäuscht.
Nun mag es ja sein, dass Friedrich Merz, der selbst zur Kundschaft derartiger Waren gehört, wie sie in den chinesischen Videos zu besichtigen sind, es für selbstverständlich hält, diese Täuschung zu akzeptieren. Schließlich ist es noch lange nicht so weit, dass sich das Publikum vor Lachen auf dem Boden wälzt, wenn die Käufer mit ihrer überbezahlten Eitelkeit durch die Straßen paradieren; während das sichtbare Elend in allen westlichen Ländern zunimmt, gilt es immer noch als akzeptables Verhalten, der Umgebung unter die Nase zu reiben, dass man auch Tausende Euro oder Dollar völlig unnütz aus dem Fenster werfen kann, eben für ein Etikett, das nichts anderes belegt als ebendieses unnütz aus dem Fenster werfen können.
Das ist vielleicht noch nicht einmal seine Schuld – in seinen Jahren bei Blackrock musste er sich sicherlich, wie jeder Verkäufer von Luxuswaren, an den Habitus seiner Kundschaft anpassen, auch wenn er im Vergleich zu ihnen arm ist wie eine Kirchenmaus. Auf jeden Fall hat er Zeit genug in einer Umgebung verbracht, in der vielfach der Schein mehr ist als das Sein; eine gewisse Verwirrung ist da durchaus verständlich.
Nur ist Krieg, im Gegensatz zum Schaugepränge in Marketing und Politik, ein ziemlich materialistisches Geschäft, in dem der Gebrauchswert den Tauschwert unerbittlich in die Ecke verbannt. Und der Etikettenschwindel, der den täglichen Handel gerade im Bereich anderer Luxusgüter prägt, bei den Rüstungsgütern, die zumindest in ihrer westlichen Variante diese Bezeichnung durchaus verdient haben, nicht wirklich funktioniert. Es gibt keinen Statusgewinn, der erreicht werden kann, weil man deutsche Raketen für ukrainische hält, so wie chinesische Handtaschen als französische etikettiert werden.
Nein, da ist eine Täuschung noch eine Täuschung und wird unerbittlich als solche erkannt, spätestens (und das ist die sehr optimistische Version) bei der Untersuchung der Überreste, die bekanntlich jede Rakete hinterlässt. Klar kommt es auch in dieser handfesteren Welt vor, dass Täuschungen hingenommen werden, aus dem einen oder anderen Grund (man denke nur an den Absturz des Alexandrow-Ensembles im Dezember 2016 oder den des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi im vergangenen Jahr), aber das sind die Ausnahmen von der Regel. In den beiden erwähnten Fällen ist jedoch klar – sollte es sich dabei um Angriffe gehandelt haben, dann sollte deren Verhüllung dem betroffenen Land die Möglichkeit bewahren, sich nicht in einen Krieg zwingen zu lassen.
Dumm nur, dass dieser Grund beim Etikettenschwindel der "ukrainischen" Raketen nicht vorliegt. Weil da ja immerhin noch ein paar Sonderregeln sind, die Deutschland betreffen. Weil der Vertrag, der einmal an die Stelle eines Friedensvertrags treten sollte, der 2+4-Vertrag, längst durch Deutschland gebrochen wurde, was, im Vergleich zu Großbritannien und Frankreich, das klitzekleine Zusatzproblem schafft, dass der augenblickliche Nichtfrieden zwischen Deutschland und Russland schon nichts anderes mehr ist als eine Waffenruhe.
Wären das britische oder französische Raketen, die mit einem letzten Handgriff zu ukrainischen gemacht würden, wäre das kein solches Problem. Aber eben ausgerechnet Merz... dessen Buchhalterseele danach zu lechzen scheint, endlich in der Welt anzukommen, in der Bling-Bling alles und das Leben selbst nichts ist... der will nicht begreifen, dass seine Aussichten auf eine erfolgreiche Täuschung der eines Gebrauchtwagenhändlers entsprechen, der versucht, demselben Kunden zum dritten Mal einen frisch lackierten Schrottwagen anzudrehen.
Ja, der Welt wäre besser gedient, würde sich Friedrich Merz mehr damit befassen, überteuerte Signale der Eitelkeit zu erwerben als nach der stärksten Armee Europas zu streben. Der Titel ist übrigens schon vergeben – an Russland. Die Sache mit der Wunderwaffe hat ohnehin noch nie funktioniert, egal, welches Etikett auf ihr klebt. Dumm nur, dass in einem Aspekt die Art, wie Friedrich Merz deutsche Raketen verkaufen will, und jene, wie die Welt der Reichen und ihrer Luxushandtaschen funktioniert, übereinstimmen: die Rechnungen zahlen am Ende immer ganz Andere.
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Merz trifft Trump im Weißen Haus
Am Donnerstag kommender Woche soll Bundeskanzler Friedrich Merz erstmals seit Amtsantritt Washington einen Besuch abstatten. Dort sei, so Regierungssprecher Stefan Kornelius, ein Gespräch mit gemeinsamem Mittagessen und anschließender Pressekonferenz geplant.
Merz, der am Mittwochabend nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten aufbricht, wird im Blair House untergebracht, dem Gästehaus des Weißen Hauses. Bisher hatten US-Präsident Donald Trump und Merz nur ein einziges Mal allein miteinander telefoniert; drei andere Gespräche fanden zusammen mit Vertretern mehrerer europäischer Staaten statt und drehten sich vor allem um die Bemühungen der Europäer, das Engagement der USA im Ukraine-Krieg zu erhalten.
Eine ganze Reihe europäischer Regierungschefs war bereits seit Trumps Amtsantritt im Weißen Haus zu Besuch: der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Merz und Trump sind sich zuvor nur einmal flüchtig begegnet; es ist also noch völlig unklar, ob und wie der persönliche Kontakt funktioniert. Bei den entscheidenden Themen dürften diese Gespräche kaum eine Rolle spielen: Für den Ukraine-Konflikt ist bedeutender, was womöglich am Montag in Istanbul besprochen wird, die Auseinandersetzung mit der US-Regierung um Einfuhrzölle überlässt Merz der EU, und die Kritik, die US-Vizepräsident J. D. Vance im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz zum Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland übte, dürfte er eher übergehen wollen. Vance hatte zuletzt Anfang des Monats das Vorgehen gegen die AfD auf X scharf kritisiert:
"Die AfD ist die populärste Partei in Deutschland und bei Weitem die repräsentativste für Ostdeutschland. Jetzt versuchen die Bürokraten, sie zu zerstören.
Der Westen hat die Berliner Mauer gemeinsam eingerissen. Und sie wurde wiedererrichtet – nicht von den Sowjets oder den Russen, sondern vom deutschen Establishment."
Der Besuch von Außenminister Johann Wadephul bei US-Außenminister Marco Rubio am 28. Mai verlief eher unauffällig, auf eine gemeinsame Pressekonferenz wurde verzichtet. Die Themenliste dürfte derjenigen ähneln, die auch von Merz und Trump absolviert werden wird. Laut Zusammenfassung des US-Außenministeriums ging es um den Ukraine-Konflikt, die Gespräche mit Iran und die Beziehung zu China; außerdem um industrielle Kapazitäten, Lieferketten und deren Bedeutung für die nationale Sicherheit.
Auf jeden Fall erfolgt Merz' Reise nach Washington schneller als die seines Amtsvorgängers Olaf Scholz. Dieser war am 8. Dezember 2021 vereidigt worden, flog aber erst am 7. Februar 2022, also nach fast drei Monaten, erstmals in die Vereinigten Staaten.
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Afrika: Russland steigert Weizenexporte, Frankreich verliert Boden
Im laufenden Anbaujahr sind die russischen Getreidelieferungen nach Afrika leicht gestiegen, jene nach Nordafrika sogar um zehn Prozent, sagte ein führender russischer Handelsbeamter am Donnerstag. Damit macht Russland auf dem Weizenmarkt, der zuvor von europäischen Lieferanten dominiert wurde, einiges an Boden gut.
Demnach erreichten die Getreidelieferungen nach Nordafrika seit Juli 2024 beinahe 15 Millionen Tonnen, während jene an die Länder südlich der Sahara um 43 Prozent auf sechs Millionen Tonnen stiegen. Dies teilte Ilja Iljuschin, der Leiter des russischen Bundeszentrums Agroexport, auf dem allrussischen Getreideforum mit, wie die Nachrichtenagentur TASS berichtete.
"Auf uns entfallen 80 Prozent der ägyptischen, 40 Prozent der marokkanischen und 35 Prozent der algerischen Weizenimporte", erklärte Iljuschin. Er wies darauf hin, dass die europäischen Getreidelieferungen im gleichen Zeitraum wegen Ernteproblemen um 30 Prozent gefallen seien.
Der Anstieg in Algerien folgte auf eine Entscheidung des Landes im vergangenen Oktober, französischen Firmen die Teilnahme an einer größeren Ausschreibung von Weizenimporten zu untersagen. Das staatlich betriebene algerische interprofessionelle Getreidebüro wies nach Presseberichten Bieter an, kein Getreide französischen Ursprungs anzubieten, und vergab den Vertrag über 500.000 Tonnen vor allem an russische Lieferanten.
Der Schritt steht in Zusammenhang mit zunehmenden diplomatischen Spannungen zwischen Algerien und Frankreich zu mehreren Themen, darunter die Unterstützung der französischen Regierung für die Souveränitätsansprüche Marokkos über die umstrittene Westsahara. Mitte Januar zitierte Reuters französische Regierungsmitarbeiter mit der Aussage, Algerien habe eine Politik eingeführt, die darauf abziele, die wirtschaftliche Präsenz seiner ehemaligen Kolonialmacht im Land auszulöschen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur ist der Handel zwischen beiden Ländern seit dem vergangenen Sommer um 30 Prozent gesunken.
Daten, die letzte Woche von FranceAgriMer veröffentlicht wurden, zeigen, dass Frankreichs landwirtschaftliche Exporte nach Afrika im Jahr 2024 um etwa 100 Millionen Euro zurückgegangen sind, von 5,2 Milliarden im Vorjahr auf 5,1 Milliarden Euro. Die Weizenlieferungen ins subsaharische Afrika fielen um 16 Prozent, was zu einem Rückgang regionaler Exporte um 3,4 Prozent beitrug, berichtete die französische Agentur für Statistik von Landwirtschaft und Meeresprodukten und Handelspolitik. Die Importe französischer Milchprodukte fielen in Menge und Wert um 33 Prozent, wobei polnische und belgische Lieferanten die Lücke füllten.
Obwohl die Elfenbeinküste ihre Einkäufe aus Frankreich um drei Prozent erhöhte, verzeichneten nach dem Bericht vom 23. Mai Länder wie Senegal, Südafrika und Kamerun einen leichten Rückgang im Jahresvergleich.
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Mitten in Wien: Schüsse, "Allahu Akbar"-Rufe – Polizei fahndet nach flüchtigem Täter (Video)
Freitagabend, Floridsdorf. Ein Jugendlicher feuert mit einer Waffe im Skaterpark, ruft religiöse Parolen – und verschwindet spurlos. Der Staatsschutz ermittelt. Was bislang bekannt ist.
Die Szenen, die sich am Freitagabend gegen 21 Uhr in Wien-Floridsdorf abspielten, erinnern mehr an einen Kriegsfilm als an einen urbanen Alltag: Jugendliche, die offenbar in eine Verfolgungsjagd verwickelt waren, ein Bewaffneter, der mehrfach in verschiedene Richtungen feuerte, begleitet von religiösen Ausrufen. Niemand wurde verletzt, es entstand kein Sachschaden – und dennoch ist der Vorfall ein Schock für die Anwohner. Denn er legt ein weiteres Mal die wachsende Sicherheitsproblematik in bestimmten Stadtteilen offen.
Wien: Weltoffen und tolerant! Da kann man ja ruhig mal "Allahu Akbar" schreiend ein paar Schüsse abfeuern!#Wien pic.twitter.com/kXJ3PGQ9ql
— Tim Kellner (@TimKoffiziell) May 31, 2025
Ein Anwohner, der die Szene filmte, sprach später gegenüber der Boulevardzeitung Heute von "verstörenden Minuten": "Ich hörte Schreie, dann Schüsse, ich hab sofort mein Handy gezückt – hier passiert ständig etwas." Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie drei junge Männer durch den Skaterpark laufen. Einer von ihnen trägt eine Waffe – offenbar eine Schreckschusspistole – und feuert mehrfach in die Luft und auf den Boden. Dabei ruft er laut und wiederholt: "Allahu Akbar!"
Ob Drohung oder Machtdemo – unklar. Die Waffe war nicht scharf, niemand wurde verletzt. Doch Schüsse und "Allahu Akbar"-Rufe reichten, um Polizei und Staatsschutz zu alarmieren.
Noch in der Nacht sicherten Kriminaltechniker der Polizei sieben Patronenhülsen am Tatort – sie stammen laut ersten Angaben aus einer Schreckschusspistole. Für Polizeisprecher Markus Dittrich ist der Fall dennoch "kein Bagatelldelikt". Die Ermittlungen wurden sofort an das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) übergeben. Es geht hier auch um die öffentliche Wirkung und mögliche ideologische Hintergründe, erklärte Dittrich gegenüber mehreren Medien.
Der Einsatz der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der die Behörden den Vorfall bewerten. Auch am Samstagvormittag war die Fahndung nach dem Täter im Gange, konkrete Hinweise zum Aufenthaltsort lagen zunächst nicht vor.
Kaum war der Vorfall öffentlich geworden, meldeten sich auch erste Politiker zu Wort. Der Wiener FPÖ-Sicherheitssprecher forderte noch am Abend ein härteres Vorgehen gegen Jugendkriminalität mit Migrationshintergrund: "Es kann nicht sein, dass der öffentliche Raum zur Bühne für religiöse Gewalt-Performances wird." Auch Vertreter der ÖVP sprachen von einem "Alarmsignal", das Konsequenzen bei der inneren Sicherheit haben müsse.
Die SPÖ Wien mahnte hingegen zur Sachlichkeit: Es sei noch unklar, was die tatsächlichen Motive des Täters gewesen seien, voreilige Schlüsse seien zu vermeiden. Man warte die Ermittlungsergebnisse ab.
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Macron droht China mit NATO-Ausdehnung nach Asien
Bei seinem Besuch in Singapur warnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die NATO könnte ihren Einfluss in Asien ausbauen, sollte Peking die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) nicht zur Aufgabe ihrer Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg drängen.
"Nordkorea in der Ukraine ist eine große Herausforderung für alle von uns. Wenn China nicht will, dass die NATO sich in Südostasien engagiert, sollte es Nordkorea dazu drängen, sich von europäischer Erde zurückzuziehen", sagte Macron im Rahmen seiner Rede auf einer Sicherheitskonferenz in Singapur.
Frankreich hat lange die Auffassung vertreten, das Militärbündnis dürfe sich nicht nach Asien ausdehnen. Macron deutet nun an, dass er diese Haltung überdenken wird.
Truppen der DVRK haben Russland bei der Befreiung der russischen Grenzregion Kursk unterstützt. Die Ukraine hat die Region überfallen. Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass die Ukraine schwerste Kriegsverbrechen in der Region begangen und gezielt Zivilisten getötet hat.
Macron befindet sich derzeit auf einer Reise durch Südostasien. In Vietnam und Indonesien schloss Macron mehrere Handelsabkommen ab – auch im Rüstungsbereich. In Singapur ist Macron auf Einladung des International Institute for Strategic Studies' Shangri-La Dialogue. Auf der Konferenz kommen Staatschefs und Außenminister aus der ganzen Welt zusammen. Macron war als Redner geladen.
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Trump kündigt Verdopplung der Einfuhrzölle auf Stahl an
In einer Rede vor Beschäftigten eines Stahlwerks im US-Bundestaat Pennsylvania kündigte US-Präsident Donald Trump die Erhöhung der Zölle auf Stahl von derzeit 25 auf 50 Prozent an. Ab wann die Regel gelten soll, sagte Trump nicht. Von der Maßnahme wird auch Deutschland getroffen. Die USA sind eines der größten Importländer für Stahl. Deutschland ist unter den zehn wichtigsten Bezugsländern.
Ziel der Maßnahme ist, die heimische Stahlproduktion anzukurbeln und in den vergangenen Dekaden verloren gegangene Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen. Für die EU sind die USA der wichtigste Absatzmarkt für Stahl. Im Jahr 2023 sind laut dem Branchenverband Stahl rund 4 Millionen Tonnen in die USA exportiert worden. Deutschland exportiert jährlich rund eine Million Tonnen Stahl in die USA.
Zuvor hatte Trump gegenüber der EU bereits einen generellen Zoll von 50 Prozent angekündigt, die Drohung aber bisher nicht umgesetzt, sondern bis Anfang Juli ausgesetzt. Als Grund für den Handelskrieg führte Trump an, dass die EU die USA systematisch benachteilige.
Der Handelskrieg trifft die deutsche Wirtschaft hart. Durch die Russlandsanktionen ist die deutsche Wirtschaft bereits schwer angeschlagen. Für dieses Jahr wird das dritte Rezessionsjahr erwartet – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Handelskrieg mit den USA belastet zusätzlich und wird die Rezession absehbar noch vertiefen.
Der Streit mit den USA um deutsche Handelsbilanzüberschüsse tobt seit über einem Jahrzehnt. Bereits Barack Obama hat das deutsche Handelsungleichgewicht gerügt und Konsequenzen angedroht. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel begründete den Überschuss mit der hohen Qualität der deutschen Produkte.
Am Mittwoch hatte ein Gericht die meisten von Trumps verhängten Zöllen als rechtswidrig eingestuft. Trump habe seine Befugnisse überschritten. Die Zölle wurden ausgesetzt. Nur einen Tag später hob ein Berufungsgericht die Entscheidung wieder auf.
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Medien: Europa sollte sich darauf vorbereiten, dass Trump die Ukraine "im Stich lassen" wird
Britische und französische Beamte, die an einem Plan zur Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine arbeiten, haben bei einem Treffen in Den Haag zugegeben, dass US-Präsident Donald Trump die Bemühungen um eine Einigung zwischen Moskau und Kiew aufgegeben hat und die Ukraine "im Stich lassen" werde, berichtete The Telegraph.
Die Vertreter beider Länder waren sich einig, dass der Schwerpunkt von der möglichen Entsendung europäischer Truppen zur Überwachung des Waffenstillstands auf die langfristige Unterstützung der ukrainischen Verteidigung ohne Beteiligung der Vereinigten Staaten verlagert werden müsse. Ein westlicher Beamter, der die Atmosphäre des Treffens als "bedrückend" bezeichnete, sagte der Zeitung:
"Seien wir realistisch und erkennen wir an, dass die USA niemals an Bord bleiben werden."
Ein anderer Gesprächspartner, ein europäischer Diplomat, behauptete, dass "die Diskussion hauptsächlich darum ging, wie man die notwendige Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten kann", da Washington seine Hilfe auf den Transfer von Geheimdienstinformationen beschränken würde. Der Gesprächspartner fügte hinzu:
"Wir waren uns auch einig, dass der wirtschaftliche Druck auf Russland erhöht werden muss."
Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat Washington keine neuen Waffenlieferungen an Kiew genehmigt, sondern setzt die Lieferungen fort, die unter dem früheren US-Präsidenten Joe Biden vereinbart wurden. Die USA hätten auch den Verkauf von in den USA hergestellten Komponenten an die Ukraine genehmigt, wie z. B. Ausrüstung für F-16-Kampfjets, und sie hätten europäische Länder ermächtigt, diese an die Ukraine zu liefern, erinnerte die Zeitung.
Das Treffen in Den Haag fand im Vorfeld einer neuen Gesprächsrunde zwischen Russland und der Ukraine statt, die am 2. Juni in Istanbul abgehalten werden soll. Nach vorangegangenen Gesprächen am 16. Mai einigten sich die Seiten darauf, detailliert darzulegen, wie sie sich "einen möglichen künftigen Waffenstillstand" vorstellen. Am 28. Mai übergab die Ukraine Russland ihren Entwurf eines Memorandums zur Beilegung des Konflikts und behauptete, dass sie auf das russische Dokument warte. Die russische Seite erklärte, sie sei bereit, es bei den Gesprächen in der Türkei vorzulegen.
Laut The Atlantic erwartet Trump Fortschritte von dem Treffen in Istanbul, wird aber keine US-Delegation dorthin entsenden. Zuvor hatte der Republikaner Washington die Möglichkeit eingeräumt, die Vermittlungsbemühungen aufzugeben, wenn Russland oder die Ukraine es "sehr schwierig machen". Als er am 28. Mai gefragt wurde, ob er glaube, dass Moskau den Konflikt lösen wolle, versprach Trump:
"Ich werde es Sie in etwa zwei Wochen wissen lassen, innerhalb von zwei Wochen."
Der Kreml erklärte, Russland sei dem US-Präsidenten dankbar, dass er sich um eine Lösung bemühe, aber es gebe bei den Verhandlungen "eine große Anzahl von Nuancen" zu besprechen, die nicht "aufgrund seiner nationalen Interessen" geopfert werden könnten.
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Marschflugkörper-Merz – mitten im innenpolitischen Selbstmord?
Von Geworg Mirsajan
Deutschland war schon immer für seine Gründlichkeit, den Hang, alles zu durchdenken, Konsequenz und seinen Pragmatismus bekannt. Zumindest ist dies das Bild, das in der russischen Kultur geprägt wurde. Das (größtenteils positive) Bild deutscher Pedanten eben – ganz anders als die Vorurteile über französische Poser oder italienische Schreihälse.
Doch das heutige Berlin ist im Begriff, dieses Bild zu zerstören.
Erst hebt Bundeskanzler Friedrich Merz die Beschränkungen der Reichweite der von Deutschland nach Kiew gelieferten Raketen auf (die zuvor eingeführt worden waren, um die Beziehungen zu Moskau nicht an den Rand eines Krieges zu bringen):
"Das heißt also, die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen – auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreift. Das konnte sie bis vor einiger Zeit nicht, das hat sie bis vor einiger Zeit bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht getan. Das kann sie jetzt. Wir nennen das im Jargon Long-Range-Fire. Also auch mit Waffen die Ukraine auszustatten, die militärische Ziele im Hinterland angreifen."
Doch dann meldet sich der deutsche Vizekanzler Lars Klingbeil zu Wort, dementiert die Position seines Chefs und versichert stattdessen:
"Es gibt keinen neuen Stand.
Was die Reichweite angeht, will ich Ihnen auch sagen, es gibt keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat."
Rein theoretisch könnte man jetzt natürlich vermuten, dass Kanzler und Vizekanzler beschlossen haben, die öffentliche Meinung zu einem so sensiblen Thema vorab auszuloten: Dass Merz also zunächst diese Idee einwarf, woraufhin speziell geschulte Experten die Reaktionen analysierten – sowohl aus Russland (das Angriffe mit Langstreckenwaffen als Beteiligung von Ländern betrachtet, die Raketen liefern und warten, an einem Krieg gegen sich selbst) als auch aus der deutschen Öffentlichkeit, die keinen direkten Krieg mit Moskau will. Und dass in der Phase zwei Klingbeil vorsprach und alle beruhigte. Anschließend werden andere Leute in der Form speziell geschulter Experten die Reaktionen analysieren und dem Kanzler einen Bericht darüber vorlegen, ob eine tatsächliche Aufhebung der Reichweitenbeschränkung für Raketen zeitgemäß sei oder nicht.
Gute und schöne Hergangs-Version, keine Frage – doch ist auch sie nicht ohne Mängel. Für solche Spielchen braucht man beispielsweise nicht gleich schweres Kaliber aufzufahren wie den Kanzler: Irgendein stellvertretender Minister, dessen Ruf man sorgenfrei opfern kann, hätte es auch getan; Merz aber schadet mit derlei demonstrativen Einwürfen nur seinen eigenen Umfragewerten. Außerdem benötigt man Zeit, um die Reaktion der Öffentlichkeit abzulesen – mindestens einen Tag, vielleicht auch zwei; hier jedoch ist zwischen dem Einwurf und dem Dementi nicht einmal ein halber Tag vergangen.
Und schließlich: Warum sollte man noch und nöcher die deutsche öffentliche Meinung untersuchen, wenn doch bereits reichlich Umfrageergebnisse vorliegen, denen zufolge die Unterstützung für das Kiewer Regime (und gleichzeitig die Schwere des Opfers auf diesem Altar, zu dem die Deutschen bereit sind) stetig sinkt? So sank von Februar bis Dezember 2024 der Anteil der Befürworter der Idee, die Ukraine im Krieg mit Russland bis zum Ende zu unterstützen, von 40 auf 28 Prozent. Zwar sind 54 Prozent der Deutschen der Meinung, der Westen unterstütze die Ukraine nicht ausreichend – doch nur 21 Prozent der Befragten meinen, dass Deutschland der Ukraine mehr Unterstützung gewähren sollte. Kurzum: 79 Prozent der Befragten lehnen es ab, Kiew zu erlauben, mit deutschen Waffen tief in Russland zuzuschlagen.
Daher erscheinen zwei andere Erklärungen viel wahrscheinlicher. Und es ist auch möglich, dass beide zutreffen.
Die erste ist, dass das Hin und Her von Merz und seinen Mitstreitern ein Beweis für die völlige Verwirrung der westlichen Eliten im Nachgang zu den Verhandlungen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump ist. Verhandlungen, in denen der US-Präsident die westliche Koalition faktisch im Stich gelassen hat: Er weigerte sich, Moskau ein Ultimatum zu stellen oder antirussische Sanktionen zu verhängen.
Darüber hinaus habe sich Washington laut einigen westlichen Medien aus der Abstimmung der antirussischen Sanktionspolitik mit der EU zurückgezogen und stehe kurz davor, dem Kiewer Regime auch die Finanzierung zu verweigern.
Daher ist Europa bei seinen Initiativen zur Ukraine jetzt auf sich allein gestellt. Es versucht, reges Handeln vorzutäuschen und gleichzeitig den Einsatz so weit wie möglich zu erhöhen, um seine eigene Bedeutung zu demonstrieren. Dazu gehört auch das öffentliche Überschreiten der von Wladimir Putin gesetzten roten Linien, in der Hoffnung, dass Washington aus Angst vor "unkontrollierten europäischen Verrückten" zur Koalition zurückkehrt – oder gar Wladimir Putin darauf anhaut, der Europäischen Union doch noch einen Platz am Verhandlungstisch zu gewähren. Na ja, einfach damit sie keinen Aufstand macht und Unfug treibt.
Die zweite Erklärung liefert uns das Durcheinander, das wir innerhalb der deutschen Regierungskoalition beobachten. Viele haben bereits gesagt, dass der Versuch, den Elefanten mit dem Wal zu kreuzen, also rechte Christdemokraten und linke Sozialisten in einer Regierung zu vereinen, unter den gegenwärtigen Bedingungen ein Fehler wäre – zumal in einem radikalisierten europäischen politischen Umfeld, in dem die Rechte in ihrer Agenda eher nochmals nach rechts und die Linke eher nochmals nach links tendiert. Dies würde zu einer allgemeinen Lähmung der Macht führen, da Christdemokraten und Sozialdemokraten nicht in der Lage wären, einen gemeinsamen politischen Ansatz für eine ganze Reihe von Themen zu entwickeln – Steuern, Migration, Ukraine.
Und wer sagt’s denn: Tatsächlich ist genau das passiert. Nachdem der Bundeskanzler seine persönliche Position geäußert hatte (die er und seine CDU bereits vor der Wahl vertreten hatten), äußerte Vizekanzler Lars Klingbeil, der auch als Co-Vorsitzender der SPD fungiert, eine andere. Die Tatsache aber, dass beide widersprüchlichen Aussagen öffentlich gemacht wurden, zeigt, dass auch Verhandlungen hinter den Kulissen nicht zu Ergebnissen führen. Und wenn es genügend solcher öffentlichen Dementis und Meinungsverschiedenheiten gibt, dann drohen vorgezogene Parlamentswahlen. Und wenn unter Merz der Kanzlersessel schließlich zusammenbricht, wird dies für Moskau das beste Ergebnis sein: Friedrich Merz ist derzeit Russlands Gegner, der sich weigert, die neuen Realitäten des Ukraine-Konflikts zu akzeptieren und sich ihnen anzupassen. Sollten also die Fantasien und Wünsche des Kanzlers seine politische Karriere begraben, dann wird dies vielleicht ein abschreckendes Beispiel für andere europäische Politiker sein – für Politiker, die ihre Länder sorgfältig, umsichtig, konsequent und pragmatisch regieren wollen.
Übersetzt aus dem Russischen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er erwarb seinen Abschluss an der Staatlichen Universität Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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Poljanski: Selenskij "spielt Spiele" statt zu verhandeln
Der ukrainische Regierungschef Wladimir Selenskij will keine bedeutenden Verhandlungen und versucht nur, den Konflikt zu verlängern, sagte der stellvertretende russische UN-Vertreter Dmitri Poljanski im Interview mit RT.
Russland habe eine zweite Runde direkter Gespräche in Istanbul am 2. Juni vorgeschlagen, aber die Ukraine müsse ihre Teilnahme an dem Termin noch förmlich bestätigen.
"Sie geben sich jede Mühe, um [US-Präsident Donald Trump] zu überzeugen, dass Russland nicht an Frieden interessiert ist", sagte Poljanksi in dem Interview am Freitag. "Es ist völlig klar, dass die Ukraine nicht an Verhandlungen interessiert ist. Sie spielen einfach nur Spiele. Für sie sind das keine ernsten oder bedeutenden Verhandlungen. Alles, was Kiew jetzt tut oder sagt, sollte durch [die Linse] betrachtet werden, dass die Ukraine den Krieg verlängern will", fügte der Diplomat hinzu.
Er meinte, der ukrainische Staatschef Wladimir Selenskij sei von dem Wunsch angetrieben, an der Macht zu bleiben und Rechenschaft zu vermeiden. Selenskijs fünfjährige Amtszeit war im Mai 2024 formell abgelaufen, aber er hat sich, unter Berufung auf das Kriegsrecht, geweigert, Neuwahlen anzusetzen.
"Es ist nicht im Interesse des ukrainischen Präsidenten, sich an irgendwelchen bedeutenden Friedensbemühungen zu beteiligen, da sie zu Wahlen führen würden – etwas, was er vor allem Anderen fürchtet", sagte Poljanski. "Er würde auch für die Unterschlagungen aus dem Staatshaushalt und der westlichen Hilfe zur Rechenschaft gezogen werden … darum will er dieses Szenario auf jedem möglichen Weg verhindern."
Russlands Präsident Wladimir Putin betonte, dass er Selenskij nicht länger als legitimen Staatschef erachte und äußerte, sein Status könne womöglich den Friedensprozess untergraben. Trump hatte Selenskij schon einmal einen "Diktator ohne Wahlen" genannt, aber seitdem seine Kritik gemäßigt.
Russland und die Ukraine hatten am 16. Mai in Istanbul die ersten direkten Gespräche seit drei Jahren abgehalten und waren übereingekommen, einen großen Gefangenenaustausch durchzuführen und einander die Bedingungen für eine Waffenruhe zu präsentieren. Der Kreml hat bestritten, die Verhandlungen zu verzögern, und am Mittwoch mitgeteilt, er werde ein Memorandum fertigstellen, das seine Vision des Friedens skizziere.
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EU will "Quelle des Lebens" bis 2030 um zehn Prozent kürzen
Von Elem Chintsky
Der europäische Staatenverbund übertrifft sich nahezu wöchentlich in seiner planwirtschaftlichen Fürsorge. So berichtete gestern die britische Financial Times von dem Vorhaben der EU-Kommission, ihren Mitgliedsstaaten eine Minderung der Wassernutzung um zehn Prozent bis 2030 aufzutragen.
Der Hauptgrund für die zentral aus Brüssel orchestrierte Senkung des Wasserverbrauchs sind längere und sich ausweitende Dürreperioden auf dem europäischen Kontinent, welche somit auch in die Agenda des Klimawandels bürokratisch integriert werden. Kurzum: stetig steigender Wassermangel. Im Juni soll schon der offizielle, detaillierte Plan dazu veröffentlicht werden und die nationalen Parlamente der EU-Nationen behelligen.
Dieser EU-Plan sollte als eine Fortsetzung der Warnungen Brüssels aus dem letzten Jahr gesehen werden, in denen von einem zunehmenden Wettbewerb um die Wasserressourcen die Rede war – einschließlich der potenziellen Gefahr von Konflikten innerhalb und zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Die größte Nachfrage für Wasser sei in der EU den Branchen Energie und Landwirtschaft zuzuordnen – also besonders Kühlung und Bewässerung.
Parallel zu dem wachsenden Dürreproblem kommt ironischer- sowie bedauerlicherweise auch das steigende Hochwasser für viele EU-Mitglieder als Belastung hinzu. Auch weltweit sind bilaterale Konflikte aufgrund des Zugangs zu gemeinsamen, lebenswichtigen Wasserquellen – wie der Zwischenfall aus dem Jahr 2023 zwischen Kabul und Teheran klar zeigt – keine Seltenheit.
Die Raten des Niederschlags in der EU sind extrem unterschiedlich. Wo Länder im Norden genügend Regenfälle verzeichnen, sind südeuropäische Länder wie Griechenland, Spanien und Zypern mit einem Mangel an Niederschlag – und somit einer schlechteren Wasserversorgung – konfrontiert. Viele dieser Unzulänglichkeiten sind auch auf eine lange vernachlässigte Infrastruktur zurückzuführen – um diese finanziell anzugehen, seien laut der EU-Kommission jährlich 23 Milliarden Euro vonnöten. Wenn die EU-Bürokraten es schaffen, eine plausible Kausalkette zwischen der Sicherung elementarer Wasserversorgung und der Aufrüstung gegen Russland zu bilden, dann könnte man sogar aus dem Sondervermögen von 800 Milliarden Euro schöpfen.
Wird Berlin mit Brüssel einhergehen? Schon Anfang des Jahres hat der von manchen als staatsnah empfundene, öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Berufung auf eine Experten-Studie geschrieben, dass "Deutschland zu viel Wasser verbraucht". Dabei wurde das Thema bereits zu Anbeginn der Corona-Krise mit strategisch-stiefväterlicher Voraussicht gestreut. Das zu vermittelnde Gefühl der Dringlichkeit hat eine steigende Tendenz. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass das Berlin unter Bundeskanzler Merz Brüssels Vorhaben bis 2030 dahingehend unterstützen wird.
Zusammen mit dem Nachhaltigkeitsziel vom koalitionsübergreifenden SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, bis 2030 gegen Russland kriegstüchtig zu werden, gilt die Devise: "Wasserknappheit bewältigen für neuen Drang nach Osten". Oder sollte es eher heißen: "Neuer Drang nach Osten, mehr als nötig und möglich – trotz Wasserknappheit"? Zu guter Letzt: "EU-Wasserknappheit als forensisch belegte, hybride russische Kriegsführung – Drang nach Osten deshalb richtig, wichtig und gut".
In Zeiten, in denen bereits aus den EU-Einrichtungen selbst sanfter Widerstand gegenüber der Übergriffigkeit der EU-Kommission und Ursula von der Leyen wächst, scheint Brüssel trotzdem seine zentralistische Narrenfreiheit noch ungehindert und in vollen Zügen zu nutzen. Und das, obwohl aufgrund dieser jahrelangen Politik die allgemeine Energiesicherheit, Wirtschaftsleistung und soziale Harmonie innerhalb der EU weiter rasant fällt.
Auch die kulturell-ideologische Gleichschaltung ufert in ihrer EU-weiten Anwendung schrittweise aus – wie Ungarns gesetzlich durchgesetztes Verbot von LGBT-Märschen klar zeigt. 17 EU-Mitglieder – angeführt von Schweden, der BRD und Frankreich – riefen von der Leyens Kommission auf, "das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium der Rechtsstaatlichkeit unverzüglich in vollem Umfang zu nutzen", um Budapest zu disziplinieren. Neun weitere EU-Mitglieder weigerten sich, dem Aufruf zu folgen – darunter auch Rumänien, das nach einem kurzlebigen Abenteuer direkter Demokratie erst kürzlich der fremdbestimmten, liberalen Scheindemokratie mit EU-Siegel zugeführt wurde.
Womöglich könnten einige EU-Agenden der bürokratischen Effizienz halber auch fusioniert werden, um das ambitionierte Sondervermögen weniger zu belasten? LGBTH2O-Märsche für eine genderneutrale Bekämpfung der gesichert rechtsextremistischen Wasserknappheit.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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"Wir werden aufgerieben": Kiews Mobilisationsplan gescheitert
Von Sachar Andrejew
Cheeseburger und Serien
Seit der Regierungszeit von Joe Biden fordert der Westen von Kiew, das Einberufungsalter zu senken. Die Ukraine ist darüber wenig begeistert, aus Sorge vor einer Destabilisierung der gesellschaftlichen Lage. Ganz darauf verzichten kann sie allerdings auch nicht, weil davon die Waffenlieferungen abhängen. Im Jahr 2024 wurde das Mobilisierungsalter von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt. Doch den nordatlantischen Verbündeten reicht das nicht: Sie fordern, dass 18-Jährige an die Front gehen.
Selenskijs Regierung versuchte, einen Kompromiss zu finden, indem sie der Jugend einen Jahresvertrag "18-24" vorschlug, der die Auszahlung von einer Million Griwna (umgerechnet etwa 21.000 Euro) vorsah. Nach zwölf Jahren Dienst soll ein Soldat eine Sperrfrist von einem Jahr und eine Ausreiseerlaubnis erhalten. Gegenwärtig ist Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren − mit wenigen Ausnahmen − die Ausreise aus dem Land verboten.
Das ukrainische Verteidigungsministerium entfaltete eine umfassende Werbetätigkeit und betonte dabei, was man für eine Million Griwna kaufen könne, zum Beispiel 33 Millionen Robux (virtuelle Währung im beliebten Videospiel Roblox), 185 Jahre des Premium-Abonnements von Netflix oder 15.625 Cheeseburger bei McDonald's.
Alexander der Große und Napoleon
Die Kommentatoren in den sozialen Netzwerken der Behörde haben all das heftig kritisiert. "Wenn du erst in Schützengräben sitzt, wirst du keine Million wollen", schrieb einer. "Vergiss nicht, dass der Großteil dieses Geldes für Ausrüstung, Reparaturen und sonstige militärische Notwendigkeiten ausgegeben werden muss", fügte ein anderer hinzu.
Auch das ukrainische Militär nahm an der Agitation teil. Ein Kämpfer der 128. Separaten Bergsturmbrigade sagte in einem Video:
"Denkst du, dass 18 Jahre zu wenig dafür sind, um ein berühmter Krieger und Feldherr zu werden. Doch die Geschichte sagt, dass es möglich ist. Alexander der Große nahm mit 18 Jahren an der Schlacht von Chaironeia teil, und mit 24 eroberte er schon Kleinasien, Phönizien, Ägypten und gründete eines der größten Reiche der Welt."
Anschließend fügte er hinzu:
"Napoleon Bonaparte galt mit 24 Jahren schon als glänzender Feldherr und erhielt sogar den Rang eines Generals. Seinen 43. Geburtstag feierte der Kaiser im brennenden Moskau."
Die weiteren Ereignisse hat der Propagandist freilich verschwiegen.
Heute ist es offensichtlich: Die als "glänzend" bezeichnete Werbekampagne zeigte nicht den gewünschten Effekt.
Arme und Millionäre
Wie das Wall Street Journal meldet, haben seit dem Start des Projekts im Februar nur etwa 500 Personen den "Vertrag 18-24" unterzeichnet. Dabei verließen viele das Militär schon im Ausbildungslager. Einer der Gründe ist der Druck der Eltern. Jene, die sich doch der Armee angeschlossen hatten, sahen sich mit einer Abneigung vonseiten ihrer Kameraden konfrontiert. Ältere Soldaten hielten sich für benachteiligt. Die jungen Rekruten werden abschätzig "Millionäre" genannt, schreibt die US-Zeitung.
Kämpfern, die lange an der Front sind, wurde weder Geld noch eine Demobilisierung versprochen. In den Reihen des ukrainischen Militärs macht sich das Gefühl der Erschöpfung und Enttäuschung breit, schreibt The Economist. Die Moral ist sowohl bei erfahrenen Soldaten und Offizieren als auch bei Rekruten niedrig. Alle sind belastet vom Fehlen einer klaren Aussicht auf ein Kriegsende und von der Geringschätzung des Kommandos für Menschenleben.
Alexander Scherschin, ein Bataillonskommandeur der 47. Mechanisierten Brigade, die als eine Eliteeinheit gilt und bei Pokrowsk kämpft, räumte in sozialen Netzwerken ein:
"In den letzten Monaten hatten wir den Eindruck, dass wir aufgerieben werden, dass unser Leben als eine Art Einwegware betrachtet wird."
Der Offizier rief den ukrainischen Generalstab auf, die Möglichkeiten des ukrainischen Militärs nüchtern und auf Grundlage der Lage vor Ort neu zu bewerten.
Einfache Soldaten stimmen in einer solchen Lage mit den Füßen ab. Wie die Rada-Abgeordnete Marjana Besuglaja behauptet, haben etwa ein Drittel der Soldaten an der Front ihre Einheiten verlassen.
Heimat und Fremdland
Vor diesem Hintergrund entscheiden sich junge Menschen immer öfter, auszuwandern, und nutzen dafür alle Schlupflöcher, darunter die Korruption, betont das Wall Street Journal. Sie fliehen schon im Schulalter. Zuvor war in der Ukraine über ein neues Reisegeschäft berichtet worden: Jugendliche werden kurz vor ihrem 18. Geburtstag außer Landes gebracht.
Junge Ukrainer sehen keinen Sinn darin, eine Karriere zu Hause zu verfolgen, weil sie mit 25 Jahren ohnehin mobilisiert werden, erklärt die Zeitung. Somit führen alle Wege in die Armee, doch weder die Chance, zum neuen Napoleon zu werden, noch tausende Cheeseburger können junge Menschen motivieren.
Nach Meinung des Politologen Alexander Dudtschak zeugt dies davon, dass die ukrainische Propaganda an ihre Grenze gestoßen ist. Der Experte erklärt:
"Alle Ideologisierten sind längst in der Armee, viele sind gefallen. Der Großteil der jungen Menschen sieht für sich keine Zukunft unter diesem politischen Regime. Sie haben weder eine Heimat noch eine Idee, für die es sich zu sterben lohnen würde. Sie mit 'Zuckerbrot' in den Krieg zu locken, ist schlicht lächerlich. Deswegen sind die Ergebnisse der Freiwilligenanwerbung auch so schlecht."
Menschen und Drohnen
Doch die Lage soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das ukrainische Militär trotz des Personalmangels seine Kampffähigkeit bewahrt, betont der Militäranalytiker Dmitri Kornew. Dies wird vor allem durch Drohnen erreicht. Kornew erklärt:
"Die ukrainischen Streitkräfte versuchen, von direkten Gefechten zu kontaktlosen Kampfhandlungen überzugehen, bei denen statt Menschen Drohnen eingesetzt werden. In ihrer Lage ist es praktisch die einzige Möglichkeit, die Front zu stabilisieren. Anscheinend gelingt es bisher. An einigen Abschnitten wurde mithilfe von Drohnen eine gestaffelte Verteidigung von zehn bis 15 Kilometern Tiefe aufgebaut."
Seinen Angaben zufolge sei es Kiew gelungen, eine Massenproduktion von Drohnen zu organisieren, zumal es an Bauteilen nicht mangelt. Allerdings werden Menschen trotzdem weiterhin gebraucht. Kornew fügt hinzu:
"Auch eine auf Drohnen basierende Verteidigung kann durchbrochen werden – wenn auch zu einem hohen Preis. Eine Stadt mit Drohnen zurückzuerobern, ist unmöglich."
Doch alle Angaben über die Probleme des ukrainischen Militärs seien mit Vorsicht zu genießen, das Medienbild könne sich von der Realität erheblich unterscheiden, fügt Kornew hinzu. Wie genau es um das ukrainische Personal steht, ist nicht bekannt.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 29. Mai 2025.
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Weltmachtstreben im Reality Check: EU und Deutschland verlieren an Bedeutung
Von Gert Ewen Ungar
Die EU verliert an Einfluss. Der Abstieg ist selbst verschuldet. Falsche, die Nachfrage dämpfende Wirtschaftspolitik, politische Korruption und eine ausschließlich auf das transatlantische Bündnis ausgerichtete Außenpolitik gepaart mit Aggressionen gegenüber den einstmals wichtigen Partnern Russland und China sind als Ursachen für den Abstieg zu nennen.
Die EU gilt nichts in der Welt, aber auch ihre Mitgliedstaaten gelten immer weniger. Den Bedeutungsverlust Deutschlands hat zuletzt Außenminister Johann Wadephul bei seinem Antrittsbesuch zwar unfreiwillig, dafür aber sehr anschaulich vorgeführt. Sein Treffen mit seinem Amtskollegen Marco Rubio in Washington hinterließ den Eindruck eines kühlen Hauches von Nichts. Es gab nicht einmal eine gemeinsame Pressekonferenz.
Der aus deutscher Sicht wichtigste Verbündete ließ den deutschen Außenminister schlicht abblitzen. Ein Tweet von US-Außenminister Rubio zum Besuch seines deutschen Kollegen kann auch mit viel Wohlwollen nur unterkühlt genannt werden. In den US-Medien fand der Besuch ebenso wenig Beachtung wie in der US-Politik. Es gab kaum Interesse an Treffen mit dem deutschen Chefdiplomaten.
Wadephul versuchte mit viel Rhetorik über die Abfuhr hinwegtäuschen, allerdings stand ihm bei all seinen Beschwörungen der transatlantischen Freundschaft noch nicht einmal der Pförtner des Weißen Hauses als symbolische Dekoration zur Seite.
Germany’s new government recognizes the urgency of the world’s current challenges and is meeting it with action. Today, I welcomed Foreign Minister @JoWadephul to Washington. Germany is stepping up: boosting defense, containing destabilizing actions from Beijing, and supporting… pic.twitter.com/fmPdgZVzGD
— Secretary Marco Rubio (@SecRubio) May 28, 2025
Für das Land, das für sich einen Führungsanspruch in der EU reklamiert, interessiert man sich in der realen Welt der internationalen Diplomatie nicht die Bohne, ist die Nachricht, die Washington Berlin übermittelte.
Den Bedeutungsverlust versuchen sowohl die EU als auch Deutschland durch Militarisierung auszugleichen. Deutschland und die EU setzen auf Militarismus, um den Einflussverlust zu kompensieren. "Wenn sie uns schon nicht lieben, dann sollen sie uns wenigstens fürchten", ist die Devise in Westeuropa.
Die zur Diplomatie in ähnlicher Weise wie Johann Wadephul befähigte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas drängt auf Aufrüstung im Schwarzmeerraum. Neben der üblichen Floskel von der russischen Bedrohung stellt Kallas fest, dass die Region für die EU von strategischer Bedeutung ist. Das ist sicherlich richtig, allerdings ist die Art, wie die EU mit dieser für sie strategischen Bedeutung umgeht, eben typisch westlich, nämlich imperialistisch.
Trotz des Bedeutungsverlusts bleibt der Anspruch bestehen, die Bedingungen diktieren zu können. Das muss zur Konfrontation führen. Die Unterschiede werden schon daran deutlich, dass sich einige der Schwarzmeeranrainer im Gegensatz zur EU weder von Russland noch von China bedroht sehen.
Die Türkei ist im Gegenteil aktiver Vermittler im Ukraine-Konflikt, und Georgien sucht gerade die Aussöhnung mit Russland und baut gemeinsam mit China einen Tiefseehafen. Die EU hat im wirtschaftlichen und diplomatischen Wettbewerb verloren. Sie ist schlicht und ergreifend unattraktiv. Sie hat nichts zu bieten.
Dass Kallas wie auch von der Leyen selbst glauben, die Staaten der Welt suchen nach verlässlichen Partnern und die EU sei dieser Partner, ist an Selbstbetrug schwer zu toppen. Die EU verhängt Zwangsmaßnahmen gegen alle, die sich den Brüsseler Vorgaben nicht bedingungslos beugen, und verlangt Unterordnung bis zur Selbstaufgabe. Gelder werden willkürlich einbehalten, Verabredungen nicht eingehalten, alles mit dem Ziel, Regierungen zu disziplinieren und auf EU-Linie zu zwingen. Georgien und Serbien können davon ebenso ein Lied singen wie Ungarn und die Slowakei.
Diesen Mangel an Attraktivität gleicht natürlich auch Bewaffnung nicht aus – Diplomatie könnte helfen. Das Suchen nach Kompromissen. Allerdings müsste man dann auch Diplomaten in die entsprechenden Positionen befördern. Weder Kallas noch Wadephul sind mit ihren von Klischees und Ideologie durchtränkten Weltbildern zur Diplomatie fähig. Beide Figuren entsprechen selbst einem Klischee: dem des selbstherrlichen Herrenmenschen, der sich schon qua Herkunft für überlegen und zur Herrschaft auserkoren fühlt. Das ist nicht nur unattraktiv, das ist auch unsympathisch und gefährlich.
Gut ist, dass es unwahrscheinlich ist, dass das EU-Aufrüstungsprojekt erfolgreich sein wird. Das Projekt wird genauso schnell fallen gelassen wie der New Green Deal. Die EU verfolgt Ziele nicht konsequent. In diesem Fall ist das eine gute Nachricht.
Dass die Weltgemeinschaft aber erneut die Entstehung eines militarisierten Deutschlands hinnimmt, das sich nicht mehr an den 2+4-Vertrag gebunden fühlt und danach strebt, größte Militärmacht in Europa zu werden, ist schlich nicht vorstellbar. Auch wenn man in Deutschland nicht bereit ist, aus der eigenen Geschichte zu lernen, im Rest der Welt ist man es. Niemand auf dieser Welt hat ein Interesse an einem bis an die Zähne bewaffneten Deutschland und der Wiederholung der Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wadephul sollte sich daher daran gewöhnen, dass er als Repräsentant eines geschichtsvergessenen Deutschlands allein und isoliert in der Ecke steht, wie das in dieser Woche in Washington passiert ist.
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Diese Nation will die Kriegsmaschine der NATO werden – Was wird Russland tun?
Von Dmitri Kornew
Das NATO-Mitglied Polen, das eine lange Grenze mit Weißrussland teilt und an die russische Exklave Kaliningrad grenzt, hat angekündigt, dass es die größten Divisions-Militärübungen seiner jüngeren Geschichte durchführen will. Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz gab diese Erklärung am Montag ab und unterstrich damit die zunehmende Angleichung Warschaus an westliche Militärstrukturen. Auch wenn die Einzelheiten geheim bleiben, deutet der Umfang der Manöver auf eine weitere Eskalation der polnischen Militärpräsenz in der Region hin.
Polnische Vertreter bezeichnen die Übungen als direkte Antwort auf Sapad 2025, eine groß angelegte gemeinsame Militärübung, die Russland und Weißrussland für September geplant haben. In Polen ist die einst vorsichtige strategische Planung jedoch einem zunehmend kriegerischen Ton der politischen und militärischen Führung gewichen. Diskussionen über einen möglichen Konflikt mit Russland – einem nuklear bewaffneten Staat – werden nun mit beunruhigender Häufigkeit im politischen Mainstream Warschaus geäußert.
Premierminister Donald Tusk und Generalstabschef Wiesław Kukuła haben beide offen über mögliche Kriegsszenarien gesprochen. Präsident Andrzej Duda, der noch vor einem Jahr den Gedanken an eine russische Invasion zurückwies, steht nun einer Regierung vor, die sich offenbar voll und ganz auf eine Konfrontation vorbereitet. Einige Abgeordnete haben sogar – halb im Scherz, halb im Ernst – erklärt, sie würden ihre eigenen Frauen an die Front schicken.
Doch die Rhetorik ist nur ein Teil des Bildes. In den letzten Jahren hat Polen eine umfassende militärische Modernisierungskampagne gestartet, die seine Verteidigungspolitik zu einer der aggressivsten in Europa gemacht hat. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) ist der polnische Verteidigungshaushalt von 15,3 Milliarden US-Dollar (13,5 Milliarden Euro) im Jahr 2021 auf schwindelerregende 38 Milliarden Dollar (33,5 Milliarden Euro) im Jahr 2024 angestiegen – mehr als eine Verdoppelung in nur drei Jahren. Die Auswirkungen dieser Aufstockung – in einer Region, die bereits von historischem Misstrauen geprägt ist – werfen ernsthafte Fragen darüber auf, ob Polen die regionale Sicherheit erhöht oder die geopolitischen Spannungen verschärft.
Panzer, Artillerie und die größte Aufrüstung in Europa
Am 27. März 2025 unternahm Polen einen großen Schritt bei der Überholung seiner Landstreitkräfte, indem es die erste Serie von 111 im Inland gebauten Borsuk-Schützenpanzern bestellte. Der mit der Polnischen Rüstungsgruppe (PGZ) unterzeichnete Vertrag im Wert von 1,5 Milliarden Euro sieht die Auslieferung bis 2029 vor. Letztendlich plant Warschau die Beschaffung von rund 1.000 dieser Schützenpanzer sowie von 400 Spezialfahrzeugen, die auf der gleichen Plattform gebaut werden.
Der neue amphibische Schützenpanzer Borsuk der polnischen Streitkräfte auf einer Ausstellung in Warschau, 7. Mai 2025Klaudia Radecka/NurPhoto via Getty Images / Gettyimages.ru
Der Borsuk ist ein Sinnbild für den polnischen Ansatz: nationale Produktion in enger Zusammenarbeit mit dem Ausland. Der Schützenpanzer ist mit dem US-amerikanischen 30-mm-Kettengeschütz Mk44S Bushmaster II und israelischen Spike-Panzerabwehrraketen ausgestattet. Sein Design spiegelt die Erfahrungen mit dem amerikanischen Bradley wider, und südkoreanische Firmen könnten am Bau des Fahrgestells beteiligt sein.
Neben der Kampfversion wird die Borsuk-Plattform eine Reihe von Spezialfahrzeugen hervorbringen, darunter die Aufklärungseinheiten Żuk, die Führungsfahrzeuge Oset, die Sanitätssysteme Gotem, die gepanzerten Bergungseinheiten Gekon und die CBRN-Aufklärungsplattformen Ares (CBRN: chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear). Polen plant außerdem, den 120-mm-Mörser M120 Rak auf dem Borsuk-Fahrgestell zu montieren, um die Vielseitigkeit des Fahrzeugs auf dem Schlachtfeld zu erhöhen.
Das Borsuk-Schützenpanzerprogramm ist nur ein Teil eines viel größeren Puzzles. Von 2010 bis 2025 ist Polen zum größten Käufer gepanzerter Fahrzeuge in Europa geworden. Sein Inventar umfasst jetzt:
- 250 amerikanische M1A2 SEPv3 Abrams-Panzer, deren Auslieferung bis 2026 erwartet wird – zusätzlich zu den 116 M1A1, die bereits im Einsatz sind;
- 220 deutsche Leopard 2A4/2A5-Panzer, die erhalten und aufgerüstet wurden;
- 1.000 südkoreanische K2-Panzer des Typs Black Panther, von denen 110 bereits geliefert wurden, wobei eine lokale Produktion geplant ist;
- über 550 finnische Rosomak-Radschützenpanzer, die zum Teil in Polen montiert werden.
Allein die Rosomak-Plattform erfüllt zahlreiche Aufgaben – vom Truppentransport bis zur Koordination der Artillerie. Inzwischen stellt Polen auch über 800 südkoreanische 155-mm-Panzerhaubitzen des Typs K9 Thunder in Lizenz her und baut weiterhin mindestens 300 im eigenen Land entwickelte Haubitzen des Typs Krab. Ältere Ausrüstung aus der Sowjetära, wie PT-91 Twardy-Panzer und BWP-1 APCs, werden nur noch begrenzt eingesetzt.
Der finnische Rosomak-Radschützenpanzer, der zum Teil in Polen montiert wird, auf einer Militärparade der polnischen Streitkräfte in Warschau, 15. August 2024Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images / Gettyimages.ru
Südkoreanische Technologie, amerikanische Feuerkraft, polnische Industrie
Das Herzstück von Polens militärischer Umgestaltung ist seine sich vertiefende Partnerschaft mit Südkorea. Die Verteidigungsindustrie Seouls ist zu einem Eckpfeiler der Aufrüstungsbemühungen Warschaus geworden und liefert nicht nur Waffensysteme, sondern hilft auch beim Aufbau lokaler Produktionskapazitäten.
Der K2 Black Panther – Polens größter Verteidigungsauftrag – ist ein 55 Tonnen schwerer Kampfpanzer mit modernen Zielsystemen, aktiver Schutzpanzerung und einem 1.500-PS-Motor. Er konkurriert mit dem russischen T-90 und soll schließlich alle anderen Panzer in Polens Arsenal übertreffen. Im Gegensatz dazu werden ältere westliche Panzer wie der Leopard 2 und der M1 Abrams auf unterstützende Funktionen reduziert oder ganz ausgemustert.
Der südkoreanische Kampfpanzer K2 Black Panther während einer Militärparade der polnischen Streitkräfte in Warschau, 15. August 2023Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images / Gettyimages.ru
Das südkoreanische Know-how kommt auch bei der Panzerhaubitze Krab (basierend auf dem Fahrgestell K9), dem Raketensystem Chunmoo (montiert auf polnischen Jelcz-Lkw) und Schlüsselkomponenten des Schützenpanzers Borsuk zum Einsatz. Finnische und amerikanische Unternehmen vervollständigen die Zusammenarbeit: Patria ist an der Entwicklung der Rosomak-Plattform beteiligt, während Oshkosh die Fahrgestelle liefert.
Die Raketenfähigkeit ist ein weiterer wichtiger Pfeiler der Modernisierung. Polen erwirbt 500 amerikanische HIMARS- und rund 300 südkoreanische K239 Chunmoo-Mehrfachraketen-Systeme. Diese Plattformen können präzisionsgelenkte Raketen auf Entfernungen von 36 bis 300 Kilometern abfeuern – einschließlich Munition der ATACMS-Klasse – und geben der NATO eine hochmobile Eingreiftruppe tief in Osteuropa an die Hand.
Beide Systeme sind satellitengesteuert, hochmobil und für schnelle, flexible Schläge ausgelegt – zusammen bilden sie das Rückgrat einer leistungsstarken neuen Angriffsfähigkeit.
Sobald die Beschaffung abgeschlossen ist, wird Polen nicht nur das stärkste gepanzerte Korps der NATO in Europa aufstellen, sondern auch zu den fähigsten Raketenstreitkräften gehören.
Das südkoreanische Raketenartilleriesystem K-239 Chunmoo während einer Ausstellung in Seoul, 16. Oktober 2025KIM Jae-Hwan/SOPA Images/LightRocket via Getty Images / Gettyimages.ru
Und es gibt sogar noch ehrgeizigere Ziele. Warschau hat offen über die Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen und Mittelstrecken-Raketensysteme auf seinem Territorium gesprochen. Diese Gespräche sind zwar noch vorläufig, aber sie spiegeln einen klaren Wandel im polnischen strategischen Denken wider – weg von der Verteidigung und hin zur Abschreckung oder sogar zu einer vorwärts gerichteten Konfrontation.
Was bedeutet das?
Polen ist dabei, seine Bodentruppen grundlegend umzugestalten, und bis zum Ende dieses Jahrzehnts könnte es zur schlagkräftigsten Streitmacht in Europa werden. Was ist der Grund für diese Veränderung? Die meisten Aufrüstungsprogramme werden mit der angeblichen Bedrohung durch Russland gerechtfertigt – eine Behauptung, die zwar fragwürdig ist, sich aber für viele NATO-Mitglieder als politisch bequem erwiesen hat. Und es hat den Anschein, dass Polens Führung wirklich daran glaubt.
Eine weitere wahrscheinliche Motivation ist die Entwicklung der polnischen Verteidigungsindustrie. Viele der neuen Programme beinhalten den Aufbau lokaler Produktions- und Montagelinien, was das industrielle Wachstum fördert und Polen hilft, Zugang zu fortschrittlichen Technologien zu erhalten.
Diese Modernisierungsbemühungen sind möglicherweise das teuerste und ehrgeizigste Militärprogramm in Europa. Sobald es abgeschlossen ist, wird Polen zur führenden NATO-Streitkraft im Osten aufsteigen. Eine so umfangreiche Aufrüstung bedarf einer Rechtfertigung – und vielleicht ist das der Grund, warum die Darstellung der russischen Bedrohung in den letzten Jahren so aktiv gefördert wurde.
Auch die Zusammenarbeit Polens mit der derzeitigen Regierung in Kiew ist ein wichtiger Faktor. Warschau beliefert die Ukraine mit Artillerie, gepanzerten Fahrzeugen und Munition, hat ihr aber keine modernen Panzer angeboten. Inzwischen ist Polen kurz davor, seine NATO-Verpflichtungen in Bezug auf die Verteidigungsausgaben zu erfüllen.
Was bedeutet dies für Russland, und wie könnte es darauf reagieren? In Zukunft könnte es Bemühungen geben, neue Vereinbarungen zur Begrenzung konventioneller Waffen in Europa zu treffen, an denen sowohl langjährige NATO-Mitglieder als auch neuere wie Polen beteiligt sind, oder auch die Ukraine. Gleichzeitig könnten Russland und Weißrussland ihre militärische Integration vertiefen – nicht nur im Hinblick auf konventionelle Streitkräfte, sondern auch auf moderne Raketensysteme.
Russland verfügt bereits über Brigaden, die sowohl mit Iskander-M als auch mit den neuen Oreschnik-Systemen ausgerüstet sind. Dies öffnet die Tür sowohl für nukleare als auch für nichtnukleare Abschreckung, wobei letztere zur Vermeidung eines totalen Konflikts praktischer sein könnte.
Was die Aufrüstung Polens betrifft, so besteht das Problem darin, dass, wie ein altes Theatersprichwort sagt, wenn eine Waffe im ersten Akt an der Wand hängt, sie irgendwann abgefeuert wird.
Dmitri Kornew ist Militärexperte, Gründer und Autor des Projekts "MilitaryRussia". Übersetzt aus dem Englischen.
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Fest während der Pest: EU pumpt Millionen in Pride-Projekte
Der Sommer eilt heran, sommerliche Temperaturen kündigen die warme Jahreszeit an – und mit ihr den Pride Month. Während globale Konzerne Unsummen investieren und Banken ihre Fassaden in Regenbogenfarben tauchen, um sich eine Aura der Toleranz zu verleihen, bleibt deren Engagement oft reine Inszenierung. Dass der Staat Geld in solche Projekte steckt, wirft hingegen Fragen nach der Prioritätensetzung auf.
So auch in Österreich: Ab dem 1. Juni 2025 werden in Wien wieder Regenbogenfahnen gehisst, Zebrastreifen bunt bemalt und Straßenbahnen in den Farben der LGBTIQ-Bewegung durch die Stadt rollen. Der Startschuss für den alljährlichen Pride-Marathon. Was früher als Zeichen für gesellschaftliche Offenheit gefeiert wurde, gilt heute immer mehr als dekadente Symbolpolitik – vor allem, wenn Rezession, soziale Not und wirtschaftliche Belastungen die Leute beschäftigen. In Österreich, Deutschland und der Schweiz stößt das auf wachsende Skepsis.
Zurück in Wien: Die Stadt pumpt dieses Jahr wieder fast eine Million Euro in Projekte für Diversität und Inklusion. Neben der Unterstützung der Pride-Parade gibt es Kampagnen, die Öffis und städtische Infrastruktur in Regenbogenfarben hüllen. Die Verantwortlichen sehen das als klares Bekenntnis zu einer offenen, vielfältigen Gesellschaft – ein Zeichen gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung. Doch die Frage bleibt: Wo ist diese Haltung die restlichen elf Monate? Es fühlt sich fast an, als wäre die LGBTIQ-Community nur im Pride-Monat willkommen – wie ein "Santa Claus", der nur zu Weihnachten auftaucht.
Die Wiener ächzen unter den rasant steigenden Lebenshaltungskosten, doch die Stadt gibt munter weiter aus – das sorgt für Zoff. Mieten, Strompreise und Inflation legen den Haushalten ordentlich Steine in den Weg. Sozialleistungen stehen auf dem Prüfstand, und ältere Leute sowie Familien mit schmalem Budget rutschen immer tiefer in die Klemme.
Die Skepsis wächst: Ist die millionenschwere Regenbogenförderung wirklich nötig, wenn bezahlbarer Wohnraum, Pflege und Gesundheitsversorgung zu kurz kommen?
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Sonst riskiert Teheran israelischen Angriff: Saudi-Arabien forderte von Iran Deal mit Trump
Der Verteidigungsminister Saudi-Arabiens hat iranischen Beamten in Teheran letzten Monat eine deutliche Botschaft übermittelt: Nehmen Sie das Angebot von Präsident Donald Trump ernst, ein Atomabkommen auszuhandeln, denn es bietet eine Möglichkeit, das Risiko eines Krieges mit Israel zu vermeiden.
Alarmiert durch die Aussicht auf weitere Instabilität in der Region, entsandte der 89-jährige saudische König Salman ibn Abd al-Aziz seinen Sohn, Prinz Khalid bin Salman, mit einer Warnung an den Obersten Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, wie zwei der Regierung nahestehende Quellen aus der Golfregion und zwei iranische Beamte Reuters berichteten.
An dem Treffen hinter verschlossenen Türen in Teheran, das am 17. April im Präsidentenpalast stattfand, nahmen laut den Quellen der iranische Präsident Massud Peseschkian, der Stabschef der Streitkräfte Mohammad Bagheri und Außenminister Abbas Araghtschi teil.
Während die Medien über den Besuch des 37-jährigen Prinzen berichteten, wurde der Inhalt der geheimen Botschaft von König Salman bisher nicht veröffentlicht. Prinz Khalid, der während Trumps erster Amtszeit saudischer Botschafter in Washington war, warnte iranische Beamte laut den vier Quellen, dass der US-Präsident wenig Geduld für langwierige Verhandlungen habe.
Der saudische Minister soll in Teheran die Botschaft übermittelt haben, es sei besser, eine Einigung mit den USA zu erzielen, als die Möglichkeit eines israelischen Angriffs in Kauf zu nehmen, falls die Gespräche scheitern sollten, so die beiden Quellen aus der Golfregion.
Der saudische Beamte soll argumentiert haben, dass die Region – die bereits durch die jüngsten Konflikte im Gazastreifen und im Libanon zerrissen sei – eine weitere Eskalation der Spannungen nicht verkraften könne. Die Behörden in Saudi-Arabien und Iran reagierten nicht auf Anfragen nach einer Stellungnahme.
Laut Reuters hat Peseschkian in seinem Treffen mit dem Verteidigungsminister aus Saudi-Arabien betont, dass Teheran zwar sehr daran interessiert sei, eine Einigung zu erzielen, der Iran jedoch nicht bereit sei, sein Anreicherungsprogramm aufzugeben, nur weil Trump ein Abkommen wolle.
Die laufenden Gespräche zwischen Washington und Teheran, die darauf abzielen, den jahrzehntelangen Atomstreit beizulegen, haben bereits fünf Runden durchlaufen. Es gibt jedoch noch immer zahlreiche Hindernisse, darunter die zentrale Frage der Anreicherung.
Wie Medienam Mittwoch übereinstimmendberichteten, könnte Iran die Urananreicherung vorerst aussetzen, wenn die USA seine eingefrorenen Gelder freigeben und sein Recht auf die Anreicherung von Uran für zivile Zwecke im Rahmen eines "politischen Abkommens" anerkennen. Dies könnte zu einem umfassenderen Atomabkommen führen.
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Gibt es einen Keim der Hoffnung? Trauer und Zweifel in der deutschen Nacht
Von Dagmar Henn
Nein, ich will an mein Land nicht mit Trauer denken. Nicht mit Sorge um all jene, die noch dort sind. Ich will nicht darum kämpfen müssen, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass hinter dieser Finsternis wieder ein Ort liegt, der im vollen Sinne eine Heimat sein kann.
Aber es fällt schwer. Da sind all die kleinen Schritte, in denen Stück für Stück Freiheiten und Rechte verschwunden sind, wie in einem von Termiten befallenen Balken, der sich immer weiter in eine leere Hülle verwandelt, bis er eines Tages bricht und erkennbar wird, dass das nur noch ein Balken zu sein schien.
Die ganze lange Liste der Gesetzesänderungen, die unter der letzten Regierung vorangetrieben wurden und die zum Teil sogar fast wörtliche Wiederaufnahmen früher Nazigesetze sind; die absurde Repression gegen einfachste Meinungsäußerungen; der Geifer vor dem Mund, mit dem die Kriegsparolen ins Volk gespien werden – vor dem inneren Auge wird das zu einer Wand aus finsterem Nebel, der das Land immer weiter verschlingt. Bilder, die eher aus fantastischen Romanen zu stammen scheinen, aber doch die einzigen, die das Gefühl angemessen wiedergeben.
Könnte ich heute noch in Deutschland leben? Ich habe meine Zweifel, und ich weiß nicht, ob ich jene, die das bis heute tun, bedauern oder bewundern soll. Jedes Wort abwägen zu müssen, ehe ich es aussprechen kann, mein Denken wie ein Geheimnis zu behandeln, das ist nicht meins.
Als die Corona-Dressur hereinbrach, oder vielmehr aufgezwungen wurde, gab es zumindest noch die Hoffnung, das wäre irgendwann wieder vorbei. Aber die Normalität ist nie zurückgekehrt, und die scharfe Trennung in Gehorsame und Ungehorsame war, das bestätigt sich nun, nur das Vorspiel zur inzwischen verkündeten "Kriegstüchtigkeit". Eine erfolgreiche Erziehung zur Feindschaft.
Im historischen Rückblick bleiben immer Fragen ungeklärt. In meiner Jugend war das die Frage, wie es denn sein konnte, dass die Deutschen Hitler hinterhermarschierten. Wie es möglich war, nicht zu erkennen, was da geschah. Und ich scherze seit Jahren gern, so genau hätte ich das nicht wissen wollen; nur, dass das kein Scherz ist.
Bei all diesen Annäherungen, diesen tausend kleinen Schnitten, fragt man sich immer: Kann man das noch irgendwie als demokratischen Zustand bezeichnen, oder ist das vorbei? Ich sage ganz ehrlich: Die Meldung vom Dienstag, diese Hausdurchsuchungen wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung", erschreckten mich tiefer als alles andere zuvor. Das war körperlich wahrnehmbar: Nun ist die Schwelle überschritten.
Nein, das liegt nicht daran, dass mir die Personen bekannt sind. Es liegt nicht einmal daran, dass dieser Schritt, die Definition der Volksrepubliken Donezk und Lugansk als "terroristische Vereinigungen" in konkrete Verfolgung umzusetzen, auf jeden Einzelnen zielt, der es im Verlauf der letzten Jahre gewagt hat, über den ukrainischen Bürgerkrieg, der 2014 begann, die Wahrheit zu sagen. Es ist die Tatsache, dass eine innere Kriegserklärung, die schon lange in der Luft lag, damit nun vollzogen wurde.
In meiner Erinnerung gibt es einen Zeitpunkt, der bereits nahe dran war: als 1977 der damalige BDI/BDA-Chef Hanns Martin Schleyer entführt wurde, es binnen weniger Tage eine Handvoll Gesetzesänderungen hagelte und die Propaganda, man müsse jetzt um ebenjenen Mann bangen, der eine äußerst unappetitliche Vergangenheit als Mitarbeiter Reinhard Heydrichs in der besetzten Tschechoslowakei aufzuweisen hatte, Früchte trug – bis dahin, dass man, sobald man gegen die eingeführten Gesetze protestierte, fürchten musste, körperlich angegriffen zu werden.
Das waren Wochen wie auf Messers Schneide, voller Durchsuchungen und Beschlagnahmungen, garniert mit dem hörbaren Jubel über die (umstrittenen) Selbstmorde in Stammheim. Das Morgen schien unberechenbar. Aber es ging vorüber, und die meisten der damals verabschiedeten Gesetze verschwanden in den zwanzig Jahren danach unauffällig. Zurück blieb nur das Gefühl, wie dünn schon damals die Wand war, die die Normalität von der zügellosen Unterdrückung trennte. Und etwas anderes – die Militarisierung der Polizei, die damals erfolgte, wurde nie zurückgedreht. Die kommunale Polizei, die es bis Mitte der 1970er gab, hatte keine Maschinenpistolen.
Manchmal wäre ich gerne dort, an einem Tisch, draußen, vor meinem Lieblingsaugustiner am Dom oder vor der Eisdiele am Pariser Platz, die kleinen, paradiesischen Momente, die so sehr an den Heimatort binden. Aber ich weiß nicht mehr, was davon noch übrig ist, nach den Verwüstungen, die Corona und Inflation bei den Geschäften, und noch schlimmer, die die letzten Jahre bei den Menschen hinterlassen haben. Das Näheverbot der Corona-Zeit ist innerlich nie verschwunden. Nicht zu vergessen die doppelte Erziehung zum Verrat – die Förderung der Denunziation ebenso wie die Erfahrung, den Nachbarn, den Anderen, ständig als Denunzianten fürchten zu müssen. Der Gehorsam ist das Resultat dessen, dass die meisten diesen Zustand nicht ertragen können und dann auf jene Position ausweichen, auf der das Risiko am Geringsten ist.
Was sich wiederholt, in der Reaktion auf die oben erwähnten tausend kleinen Schritte – die so, da bin ich mir sicher, vor fast fünfzig Jahren noch nicht möglich gewesen wären. Da waren die Wochen des "Deutschen Herbstes" (der übrigens damals von den europäischen Nachbarn mit Verwunderung aufgenommen wurde), der "bleiernen Zeit" (der Film von Margarethe von Trotha fängt die Atmosphäre gut), alles, was möglich war. Es waren noch zu viele, Juristen, Künstler, auch Politiker, die sich vernehmbar dagegen wandten. Verglichen damit war schon das Deutschland vor Corona eine Wüstenei.
Aber diesmal? Sergei Lawrow hat schon Recht, das ist eine Rutschbahn nach unten, und es rutscht alles, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Verstand, Moral, Anstand, Kritikfähigkeit, Friedfertigkeit, Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Die kleine Geste mit den abgeschnittenen Schleifen an den Kränzen in Hebertshausen, das ist die Zwergausgabe eines Vernichtungswunsches. Dieses Denken wurde so normalisiert, dass es gar nicht mehr auffällt, nicht mehr heraussticht.
In der Zeit erschien gerade ein Artikel, der geradezu ein Musterbeispiel liefert, wie verzerrt das Denken inzwischen ist. Vor allem, weil die Überschrift erst einmal fast hoffen lässt: "Was, wenn der Ukraine die Kraft ausgeht?" Ja, was? Wäre es nicht irgendwann an der Zeit, sich zu erinnern, wie kostbar menschliches Leben ist?
Doch das, was geliefert wird, ist die Forderung nach mehr Krieg:
"Jeder Panzer, der unnütz in den Arsenalen der Bundeswehr steht, stellt für Deutschland ein Sicherheitsrisiko dar. Krass gesagt: Er gefährdet unsere Sicherheit, indem er nicht den kämpfenden Ukrainern zur Verfügung gestellt wird. (...) In der Ukraine mangelt es an Kräften, die hinter der Front Schutzbauten errichten, die Schützengräben ausheben, Unterstände bauen, improvisierte Bunker für die Bevölkerung. Warum nicht eine Art soziales Jahr einführen, ein Schutzprogramm für die Ukraine, bei der eine staatlich unterstützte Agentur um Freiwillige wirbt, koordiniert mit der Ukraine?"
Deutsche Jugendliche zum Bunkerbau in die Ukraine, um die Kiewer Nazis zu retten? Wo sind die Jungs mit den weißen Westen, möchte man fragen, oder welche Zeitmaschine hat den Autor aus dem Jahr 1942 in die Gegenwart gebeamt? Ja, das Fundament wurde schon weit früher gelegt, mit wochenlangen Sondersendungen vom angeblich friedlichen Maidan und dann der Erfindung der "Querfront", um die ersten Friedensdemonstrationen zu attackieren, als der ukrainische Bürgerkrieg begann. Aber es spielt so erschreckend zusammen, die Gehorsamkeitsdressur unter Corona, die staatlichen Maßnahmen und jetzt die offene Kriegspropaganda, und die Antwort war, Schritt für Schritt, vor allem Schweigen.
Da stehe ich nun, mit meiner alten Frage, und womöglich hat genau dieses Stichwort "Terrorismus" die Erinnerungen an 1977 reaktiviert, die mir sagen, heute gibt es kein Halten mehr in dieser Richtung. Die Erfahrung, wie tief es geht, wie allgegenwärtig Repression sein kann, die mir jetzt das Gefühl vermittelt, dass die Schwelle überschritten ist.
Ich will an mein Land nicht mit Trauer denken, und ich tue es doch. Ich höre den Tonfall, mit dem die "Kriegstüchtigkeit" gefordert wird, und ich frage mich immer öfter, ob das andere Deutschland, das mir fehlt, je existiert hat oder immer nur eine dünne Tünche über dem Übel lag. Ob diesmal wirklich jede Hoffnung verloren ist, zu einer menschlichen Normalität zurückzukehren, wie es einst Bertolt Brecht in der Kinderhymne schrieb: "dass die Völker nicht erbleichen wie vor einer Räuberin, sondern ihre Hände reichen uns wie andern Völkern hin".
Nicht einmal mehr die Vorstellung, der Spuk würde sich verflüchtigen, spendet Trost. Wo wären die Menschen, das, was verfallen ist, wieder aufzubauen, physisch und im Geiste? Wie kehrt man zurück aus einem Zustand, in dem neben dem unbegrenzten Egoismus nur noch das Schnarren der Kriegstreiber zu hören ist, die Kanonenfutter suchen?
Wenn man heute Originaldokumente der ersten Nachkriegsjahre liest, ehe die Westalliierten das Land in Stücke schnitten, dann kann diese kurze Phase von Offenheit und Freiheit bei allem materiellen Elend zu Tränen rühren; aber damals war es der offene, blanke Schrecken gewesen, der zuvor das Schweigen erzwungen hatte; er hat, gegenüber der vielfältigen Manipulation und Isolation, die diesmal dem Schrecken vorausgegangen sind, den Vorteil, dass nicht nur seine An-, sondern auch seine Abwesenheit erkennbar ist.
Ich weiß, dass jede Nacht einmal endet. Doch ich weiß nicht mehr, ob für einen neuen Tag noch genug Licht übrig geblieben ist. Das ist es, was letztlich den Atem nimmt, mehr noch als die Sorge um alle, die noch im Land sind.
Da hilft es auch nichts, um all diese Momente der deutschen Geschichte zu wissen, um die Feigheit der deutschen Stadtbürger, die den Bauernkrieg vor 500 Jahren in einem Blutbad enden ließ, das Elend des Dreißigjährigen Krieges, das Pech, dass durch die napoleonische Besatzung die Bildung des Nationalstaats und die politische Befreiung in Gegensatz zueinander gerieten; die Niederlagen 1848 und 1919, garniert mit Verrat, und noch viel mehr Verrat, eingeschlossen die deutsche Teilung und dann die Annexion.
All das gibt dem Schweigen seine Unschuld nicht zurück. Auch der Tatenlosigkeit nicht. Ja, es ist wieder so weit, dass ein Gespräch über Bäume "ein Schweigen über so viele Untaten einschließt". Aber warum war es so leicht, durch einen einfachen Etikettenschwindel so viele zu täuschen, die es eigentlich hätten besser wissen müssen? Warum haben sie die Signale im Alltag nicht erkannt, das Misstrauen, die Enge, die gepredigte Erbarmungslosigkeit? Nur wegen der Taschenspielerei mit den Begriffen "rechts" und "links"?
War das, was ich selbst getan habe und tue, das Richtige, und war es genug? Jetzt scheint alles zu spät, zu wenig, da nicht einmal mehr die einfachste, selbstverständlichste Forderung nach Frieden noch genug Kräfte mobilisiert. Und nun, da selbst die friedfertigste Version politischen Protestes (ja, das ist es, was diese "Terrorismus"-Geschichte so absolut grenzüberschreitend macht: dass kaum eine friedfertigere Handlung vorstellbar ist als humanitäre Hilfe, also im Grunde alles andere an Abweichung und Widerstand stillschweigend mit erfasst ist, wenn man so weit zu gehen bereit ist) zu "Terrorunterstützung" erklärt wurde, dürften die Möglichkeiten, im Land noch etwas aufzuhalten, mit "begrenzt" noch maßlos übertrieben benannt sein. Denn nichts ist dem heutigen Deutschland fremder als kollektives Handeln breiter Massen (wenn man von Regierungsaufmärschen "gegen Rechts" einmal absieht).
Ich will an mein Land nicht mit Trauer denken. Doch selbst, wenn ich mich manchmal frage, ob das freundliche, friedliche Deutschland, das ich herbeisehne, nur eine Fiktion ist, eine Pflanze, die auf diesem Boden nicht gedeihen kann, ich kann es nicht lassen. Ich will all diesen Kreaturen, lächerlich, bösartig, dumm, nicht zugestehen, für das Volk zu stehen, für seine Fähigkeiten, seine Zukunft. Denn was bliebe übrig, wenn ich es täte? Sicher, das wäre ein Weg, der Trauer zu entgehen. Niemand auf dem Planeten Erde braucht ein Land wie Baerbock (gut, mit Ausnahme einiger Milliardäre). Selbst wenn ich nach jemandem klinge, der in einer missbräuchlichen Beziehung gefangen ist – da muss etwas Besseres sein.
"Ich vermochte nur wenig, aber die Herrschenden saßen ohne mich sicherer. Das hoffte ich." Das schrieb Brecht im Exil, irgendwann zwischen 1934 und 1938. Das ist, was zu tun übrig ist. Aber es nimmt nicht den Schmerz. Ich will an mein Land nicht mit Trauer denken. Aber jetzt, heute, ist es diese Trauer, die den Keim der Hoffnung hütet, dass auch auf diese Nacht ein Tag folgen wird.
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Patrik Baab bei Auszeichnung in Aachen: "Sanktionspakete gegen Russland sind völkerrechtswidrig"
Von Felicitas Rabe
Im Dom zu Aachen wurde der internationale Karlspreis in diesem Jahr an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verliehen – "in Würdigung einer herausragenden Führungspersönlichkeit", so die Begründung auf der Urkunde. Während der Festlichkeit war der Zugang zum Aachener Dom für die Öffentlichkeit weiträumig abgesperrt.
Die Aussperrung der Öffentlichkeit von der Veranstaltung hielt Bundeskanzler Merz nicht davon ab, in seiner Laudatio auf die CDU-Parteikollegin von der Leyen den von ihnen angeblich hochgeschätzten Wert von Demokratie und Freiheit zu betonen: "Freiheit und Demokratie sind es wert, dass wir entschlossen für sie einstehen und wenn notwendig für ihren Erhalt kämpfen."
Zur gleichen Zeit verlieh das Aachener Bündnis "Diplomatie statt Waffen und Sanktionen!" in Sichtweite der Aachener Kathedrale die "Aachener Auszeichnung für Menschlichkeit" an den Journalisten und Autor Patrik Baab. In der Presse-Erklärung des Bündnisses hieß es zur Auswahl des diesjährigen Preisträgers:
"Patrik Baab setzt sich aktiv für Völkerverständigung und gegen Krieg und Kriegspropaganda ein. Das zeigen unter anderem seine nicht ungefährlichen Reisen in die Ukraine. Seine Berichte dokumentierte er in seinen Büchern: 'Auf beiden Seiten der Front' und 'Propaganda-Presse – Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben'. Dieses Engagement ist Grund genug, ihm die 'Aachener Auszeichnung für Menschlichkeit' zu verleihen."
Laudatio von Ulrike Guérot: Ehrung für eine der meistgehörten kritischen Stimmen
In ihrer Rede führte die Laudatorin Ulrike Guérot aus, wodurch sich der Ausnahmejournalist Patrik Baab die Ehrung und die Aachener Auszeichnung für Menschlichkeit verdiente. Im russisch-ukrainischen Krieg habe Patrik Baab durch seine Berichterstattung von beiden Seiten der Front eine neutrale und objektive Perspektive vermittelt, genau so, wie Journalismus sein sollte. Die Politikwissenschaftlerin erklärte: "Patrik ist eine der meistgehörten kritischen Stimmen über den russisch-ukrainischen Krieg. … Kaum jemand mag ermessen, wie viel Lebenszeit – ich betone: freiwillige, nicht bezahlte Zeit – hinter all dieser Arbeit, diesem unermüdlichen Engagement steht."
Klassenzugehörigkeit im Journalismus: "Je mehr Geld, desto weniger kritischer Geist"
In einem weiten Blick beleuchtete Ulrike Guérot auch die persönliche Geschichte und den soziologischen Hintergrund, der kritische Intellektuelle dieser Art hervorbringe. In der jüngeren Generation von Akademikern könne man solche kaum noch finden. Als Sohn einer Arbeiterfamilie aus dem Saarland stamme Patrik Baab aus einem gesellschaftlichen Milieu, dem erstmals in den 70er Jahren unter der SPD-Regierung von Willy Brand der Zugang zu höherer Bildung ermöglicht wurde. Heutzutage sei der Aufstieg in die Mainstream-Medien wieder den wohlhabenden Schichten vorbehalten. Ulrike Guérot, die selbst aus einer Arbeiterfamilie stammt, führte dazu aus:
"Dieses biographische Element von Patrik ist deswegen so wichtig, weil heute eine oligarchische Schließung und die Militarisierung der Gesellschaft zusammenfallen und genau das dazu führt, dass es keine kritischen Stimmen mehr gibt!" Im Gegensatz zu Kindern der bürgerlichen Schichten würden Arbeiterkinder noch für das öffentliche Interesse vibrieren: "Nur wer von unten kommt, wer mit seiner Hände oder Kopfarbeit hochgekommen ist, ist kritisch gegenüber dem Milieu, in dem er gelandet ist!" Auf den Punkt gebracht heiße das: "Je mehr Geld, desto weniger kritischer Geist."
Es gehöre zum Erbe des europäischen Humanismus und der Aufklärung, jeweils beide Seiten anzuhören und sich selber eine Meinung zu bilden. Dazu gehöre auch, sich um Verständigung und um den Frieden zu bemühen. Diesem Erbe sei der Journalist Patrik Baab gerecht geworden und deshalb gebühre ihm die Aachener "Auszeichnung für die Menschlichkeit".
Der Sprecher des Aachener Bündnisses "Diplomatie statt Waffen und Sanktionen", Ansgar Klein, verleiht dem Journalisten Patrik Baab die "Aachener Auszeichnung für Menschlichkeit", Aachen, 29. Mai 2025Felicitas Rabe
Die Preisverleihung übernahm der Sprecher und Begründer des Aachener Bündnisses "Diplomatie statt Waffen und Sanktionen!", Ansgar Klein. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs setzt sich das Bündnis mit unzähligen Mahnwachen und Demonstrationen gegen deutsche Waffenlieferungen und für eine diplomatische Beilegung des Krieges ein. Um der Verleihung des internationalen Karlspreises an zweifelhafte Persönlichkeiten etwas entgegenzusetzen, verleiht das Bündnis seit dem Jahr 2023 am selben Tag die Auszeichnung für Menschlichkeit.
Patrik Baab über die Verlogenheit des Karlspreises und die Brüsseler Autokratie
In seiner Dankesrede bezog sich Patrik Baab auf die Verleihung des Karlspreises an Ursula von der Leyen. Ausführlich kritisierte der Journalist die Politik der EU-Kommissionspräsidentin und der gesamten EU-Machteliten. Dabei widmete er sich zum einen den Maßnahmen der EU gegen die eigene Bevölkerung und zum anderen ihrer kriegstreiberischen Politik gegenüber Russland und erklärte seine Perspektive auf den Ukraine-Krieg.
Selten werde so viel gelogen wie bei der Verleihung des Karlspreises, so Baab. In der diesbezüglichen Pressemitteilung des Internationalen Karlspreises sei die EU-Kommissionspräsidentin dafür gelobt worden, dass sie maßgeblich dazu beigetragen habe, Europa zu einen und handlungsfähig zu halten. "Ob in der Pandemie, im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg oder bei der Stärkung der europäischen Wirtschaft – mit Entschlossenheit und strategischem Weitblick hat sie Europas Interessen vertreten und entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt."
Publikum bei der Verleihung der "Aachener Auszeichnung für Menschlichkeit" an den Journalisten Patrik Baab, Aachen, 29. Mai 2025Felicitas Rabe
Mit Bezug auf das 17. EU-Sanktionspaket gegen Russland stellte der Preisträger fest, dass mittlerweile jedoch die Maske der eurokratischen Macht gefallen und die Fratze des Brüsseler Monsters deutlich zu erkennen sei. Die EU sanktioniere nun eigene Bürger wegen angeblicher russischer Propaganda. Baab erläuterte: "Damit treibt die Brüsseler Eurokratie ihren antidemokratischen Kurs auf die Spitze. Alle diese 17 Sanktionspakete gegen Russland sind weder vom Sicherheitsrat noch von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verhängt. … Alle diese Sanktionspakete gegen Russland sind reine Willkürakte und damit vollständig völkerrechtswidrig."
Kognitiver Krieg gegen die eigene Bevölkerung
Schon seit dem Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine im Februar 2022 gehe die EU verstärkt gegen russische Medien und Dissidenten vor. Das in Europa eingeführte Verbot russischer Sender wie RT oder Sputnik verstoße gegen Artikel 5 des Grundgesetzes. Darin heiße es: "Eine Zensur findet nicht statt." Die EU-Kommission agiere damit grundgesetzwidrig und vollständig illegal und maße sich an, darüber zu entscheiden, was Desinformation ist und was nicht.
Längst befinde sich die politische und wirtschaftliche Machtelite der EU im Zustand der kognitiven Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung. Mittels Angsterzeugung und verschärftem Überwachungskapitalismus wollten die EU-Machteliten die Menschen in die freiwillige Unterwerfung und eine umfassende Kontrolle zwingen. Heute säßen die Verfassungsfeinde und Zerstörer der Demokratie im Dom zu Aachen. Für die in der Kathedrale Versammelten fand Patrik Baab scharfe Worte:
"Dort versammeln sich heute die antidemokratischen Kräfte. Den selbstgefälligen und verlogenen Philistern, die sich im Gotteshaus einen Heiligenschein verpassen wollen, haben wir den Beginn des Ukraine-Krieges, seine Verlängerung, den Boykott der Friedensinitiative des US-Präsidenten und damit hunderttausende Tote zu verdanken."
Die Wut der Bevölkerung auf Minderheiten und Russen ablenken
Diesen Machteliten sei bewusst, dass in allen vom Neoliberalismus umgepflügten Gesellschaften eine ungeheure Wut herrsche – unter anderem auch aufgrund der Zerstörung sozialer Errungenschaften und der Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Zur Ablenkung von den wahren Verantwortlichen für die Demontage des Sozialstaats und die soziale Daseinsfürsorge würden die Herrschenden die Wut der Bevölkerung entweder auf Minderheiten wie Flüchtlinge lenken oder auf einen äußeren Feind, der von den inneren Konflikten ablenken soll: die Russen. Baab erläuterte: Die Mächtigen brauchen den Krieg gegen Russland zur Stabilisierung ihrer eigenen Herrschaft nach innen.
In Anlehnung an die christliche europäische Geschichte bezog sich Patrik Baab auf die von den vier Evangelisten überlieferte Tempelreinigung. Demnach soll Jesus, als er im Tempel von Jerusalem die Tische von Geldwechslern und Händlern sah, diese aus dem Gotteshaus hinausgeworfen haben. Heute brauche auch der Dom zu Aachen eine solche Tempelreinigung:
"Denn die heute dort sitzen, haben aus dem Dom eine Räuberhöhle gemacht. Es wird Zeit, dass die Kriegstreiber hinausgejagt werden, hinaus in jenen Krieg, in dem sie andere für sich sterben lassen wollen. Sie haben den Aachener Dom entweiht. Sie haben ihn zu einem Ort der Propaganda, der journalistischen Strauchdiebe und der Kriegsprofiteure gemacht. Im Aachener Dom saßen heute jene, deren Börsenkurse steigen, wenn die Ukrainer fallen."
Wofür bekommt Ursula von der Leyen den Karlspreis?
Insbesondere die heute mit dem Karlspreis ausgezeichnete Ursula von der Leyen habe wesentlich dazu beigetragen, das Friedensprojekt Europäische Union in eine Kriegsmaschine zu verwandeln. Von der Leyen habe die EU wirtschaftlich ruiniert und bürgerliche Freiheitsrechte zerstört. Ihr sei auch zu verdanken, dass aus der EU ein Monster geworden sei.
In der EU würden die Bürger inzwischen in eine neue Diktatur geführt, mit strafrechtlicher Verfolgung politischer Gegner und umfassender Zensur. Außerdem sei die EU-Präsidentin mitverantwortlich für die Verlängerung des Krieges in der Ukraine, den Boykott von Friedensgesprächen und somit auch mitverantwortlich für hunderttausende Tote. Sein Fazit über die EU-Präsidentin: "Ursula von der Leyen vertritt nicht die Interessen der Menschen in Europa, sondern die einer kleinen, russophoben und kriegsgeilen Kakistokratie."
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Russische Reaktionen auf "Entgegenkommen" der USA: Der Westen sucht nur ein Schlupfloch
Die Äußerungen des US-Sondergesandten Keith Kellogg, russische Sorgen wegen der NATO-Osterweiterung seien "berechtigt", riefen in Russland skeptische Reaktionen hervor. Es sei naiv zu glauben, dass der Westen Russland gegenüber fair sei, schreiben die Experten auf Militärchronik, einem Analyse-Kanal zu Fragen rund um den Ukraine-Konflikt. In Wirklichkeit gehe es der Ukraine und dem Westen darum, den "Waffenstillstand" zum Zweck einer Neuaufstellung in dem Konflikt zu erwirken.
Das letzte Treffen in Istanbul sei ein Beispiel dafür. Zum einen lieferte es die ersten Anzeichen von Frieden, und dann gab es sofort ein Memorandum der Ukraine: Sie fordert einen Waffenstillstand zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie eine obligatorische internationale Überwachung. Dies sei ein Versuch, Drittländer in den Konflikt hineinzuziehen, die Front einzufrieren, sich neu zu gruppieren und den Konflikt neu zu beginnen.
"Jetzt haben die USA nicht die Ressourcen, um eine neue Runde der Expansion zu starten - weder militärisch noch politisch."
Es handele sich also um eine Verschnaufpause. Solche Versuche, "Russland aufs Kreuz" zu legen, seien der Standardalgorithmus Kiews und seiner Handlanger. Die Beispiele werden genannt. Gebrochen worden seien sowohl das im Jahr 2008 gegebene Versprechen, die NATO nicht um die Ukraine zu erweitern, sowie die Minsker Abkommen der Jahre 2014 und 2015 und das Memorandum von Istanbul im Jahr 2022. Militärexperten stellen fest:
"Der Westen ist nicht auf der Suche nach einem Kompromiss, er ist auf der Suche nach einem Schlupfloch. Und jedes Mal, wenn Russland in gutem Glauben in die Verhandlungen geht, beginnt die andere Seite zu schlüpfen und zu überlegen, wie sie ihre eigenen Verpflichtungen umgehen kann.
Heute werden "Beobachter" gefordert, morgen werden es "humanitäre Kräfte" sein, dann "Friedenstruppen" und in sechs Monaten ein vollwertiges Kontingent. Mit den Franzosen, den Deutschen, den Balten, mit wem auch immer, Hauptsache, sie kommen wieder auf den Kriegspfad."
Keith Kellogg, Sondergesandter des US-Präsidenten für die Ukraine, hat die russische Sorge über eine mögliche Osterweiterung der NATO als "berechtigt" bezeichnet – RT DE berichtete. In einem Interview mit dem US-Sender ABC News erklärte er, dass ein Beitritt der Ukraine zu dem westlichen Militärbündnis derzeit kein Thema sei – und dass diese Haltung von mehreren NATO-Staaten geteilt werde.
Auf den ersten Blick sehen Kelloggs Aussagen wie ein vernünftiger Vorschlag aus, so heißt es auf Militärchronik weiter: Die NATO werde nicht mehr in den Osten gehen, und ein Beitritt der Ukraine komme nicht infrage. Doch wenn man etwas tiefer gräbt, handele es sich um die gleiche alte Konstruktion: eine Pause einlegen, wenn die Hände voll sind, und später zum Thema zurückkehren, wenn es die Situation erlaubt.
Außerdem sei der Gürtel um Russland bereits aufgebaut: die baltischen Staaten, Polen, Rumänien, jetzt auch Finnland und Schweden – all das sei der NATO-Perimeter, der an Russland stößt. Es bleibe nur noch, die Trümmer des postsowjetischen Raums aufzusammeln: den Kaukasus, Zentralasien und einige Fragmente der GUS. Dort werde nun das Hauptspiel stattfinden – mit Instrumenten wie Partnerschaft, Verteidigungszusammenarbeit, Militärbasen und Stellvertreterstrukturen. "Noch nicht frontal, aber auch nicht auf Umwegen."
Außerdem sei Trump, der angeblich eine Verständigung mit Russland suche, nur vorübergehend Präsident. Der nächste Präsident könnte wieder die Politik eines Joe Bidens verfolgen und so gehe es immer weiter im Kreis. Die NATO-Erweiterung sei in die Struktur der amerikanischen Außenpolitik fest eingebaut und keiner der US-Präsidenten könnte sie aushebeln.
"Das ist keine persönliche Haltung, sondern die Trägheit des Systems."
Auch die russischen Diplomaten scheinen wenig beeindruckt von der Rhetorik der US-Vertreter zu sein. "Wir werden die russischen Menschen in Not nicht im Stich lassen. Wenn nötig, werden wir so lange dafür kämpfen, wie es nötig ist", sagte Wassili Nebensja, der Ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen. Russland werde kein neonazistisches Gebilde "Anti-Russland" an seinen Grenzen mehr dulden.
Es werde kein neues "Minsk" mehr geben, versicherte er. Zunächst müssten die Bedingungen für ein Friedensabkommen ausgearbeitet werden – die Einstellung der Lieferungen westlicher Waffen und die Aussetzung der Mobilisierung –, und erst dann könne über einen Waffenstillstand diskutiert werden, so der russische Diplomat.
Mehr zum Thema – Reuters: Neue US-Sanktionen gegen Russland vorbereitet – Trump zögert
Vermisstenzahlen des Roten Kreuzes lassen auf hohe ukrainische Verluste schließen
Von Achim Detjen
KIA, WIA, MIA. Hinter diesen Kürzeln verbirgt sich das Schicksal von zumeist Männern – und somit von deren Familien. Denn es handelt sich hierbei um Abkürzungen aus dem Militärjargon, die für "Killed in Action", Wounded in Action" und "Missing in Action" stehen – also für "Getötet im Einsatz", "Verwundet im Einsatz" und "Vermisst im Einsatz".
Westliche Politiker, Experten und Medien behaupten stets, dass die russische Armee bei ihrem Vormarsch trotz deutlicher Waffenüberlegenheit "enorme Verluste" erleide, die sich laut einem jüngsten Bericht der Washington Post unter Berufung auf westliche Vertreter wie dem ehemaligen Leiter des britischen Joint Forces Command, Richard Barrons, auf 1.500 Soldaten täglich beliefen.
Vor einem halben Jahr behauptete etwa der deutsche Generalmajor Christian Freuding, dass die russische Armee "täglich deutlich über 1.500 Mann" verliere.Es ist offenkundig, dass es sich hierbei um Erzählungen aus dem Reich der Propaganda handelt. Solch hohe Verluste wären für die russische Armee nicht kompensierbar, und schon gar nicht könnte sie Reserven und neue Militärbezirke als Reaktion auf die NATO-Mitgliedschaft Finnlands aufbauen.
Wie hoch die russischen – und ukrainischen Verluste – tatsächlich sind, bleibt weiterhin ein Geheimnis der beiden Kriegsparteien. Dass die ukrainischen Streitkräfte aber wohl deutlich höhere Verluste erleiden als ihr Gegner, darauf lässt ein Beitrag schließen, den die Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in der Ukraine vor zwei Wochen auf ihrem Telegram-Kanal veröffentlichte, der erst jetzt die Runde in den sozialen Medien macht und daher größere Aufmerksamkeit erlangte.
"Bis April 2025 haben wir 400.000 Anfragen von Familien erhalten, die nach ihren vermissten Angehörigen suchen. Viele von ihnen sind Mütter. Und heute, am Muttertag, sind unsere Gedanken bei ihnen", heißt es in dem Beitrag.
Der Post enthält ein Video einer ukrainischen Mutter, deren einziger Sohn nur eine handgeschriebene Nachricht zurückließ, als er 2022 in den Krieg zog und seitdem vermisst wird. "Mama, ich liebe dich!", mit diesen Worten schloss der junge Mann seine Nachricht ab – und seine Mutter hat sie sich auf ihren Arm tätowieren lassen.
Der durch das Video gegebene Kontext und die Tatsache, dass dieser Beitrag von der IKRK-Abteilung in der Ukraine veröffentlicht wurde, ließen viele Nutzer in den sozialen Medien zu dem Schluss kommen, es würde sich bei der Meldung um 400.000 "MIA" handeln, also um vermisste ukrainische Soldaten.
Deshalb sah sich das Rote Kreuz in der Ukraine am Freitag dazu veranlasst, in einem weiteren Post auf die "Fragen zu Statistiken im Zusammenhang mit unserer Arbeit" einzugehen, "die derzeit im Internet kursieren" – dieser Post wurde im Unterschied zum ursprünglichen Beitrag auch auf dem Telegram-Kanal der russischen Sektion des IKRK veröffentlicht. Darin wurde klargestellt, dass es sich bei den Suchanfragen nach Angehörigen um die Vermisstenmeldungen von "Familien auf beiden Seiten" handele, "die nach vermissten Angehörigen oder Angehörigen, zu denen der Kontakt abgebrochen ist, suchen".
Die Zahl der "offenen Suchanfragen beider Seiten" beliefe sich im gleichen Zeitraum (bis April 2025) auf 116.000 – im Februar lag diese Zahl nach Angaben des IKRK "nur" bei 50.000 (und damit mehr als doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor). Den sprunghaften Anstieg in den letzten Monaten erklärt die Organisation in einem Dokument, das auf dem Telegram-Kanal der russischen Sektion veröffentlicht wurde, mit "den verstärkten Bemühungen, auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen, und der Änderung des Systems zur Zählung der Auskunftsersuchen".
Das Rote Kreuz verweist in diesem Zusammenhang auf seiner Webseite darauf, dass es um Familien gehe, "die keine Nachricht von ihren Angehörigen erhalten haben, weil diese entweder gefangen genommen oder verhaftet wurden, weil sie vermisst werden oder weil sie aus ihrer Heimat geflohen sind und den Kontakt verloren haben".
Das IKRK macht grundsätzlich keine Angaben darüber, ob es sich um Vermisste auf der ukrainischen oder russischen Seite handelt. Auch bei den rund 16.000 Kriegsgefangenen, über die das IKRK im Februar berichtete, wurde offengelassen, welcher Seite sie angehören. Diese Intransparenz ist äußerst fragwürdig und dient offenbar dem Versuch, das westliche Narrativ nicht zu untergraben, laut dem die Verluste der Russen deutlich höher ausfallen, als die der Ukrainer.
Das Rote Kreuz befördert selbst dieses Narrativ, wenn es auf seiner Webseite die russischen Verluste (Tote und Verwundete) mit 700.000 und die der Ukrainer mit 400.000 beziffert – unter Berufung auf das US-amerikanische Harvard Kennedy School’s Belfer Center for Science and International Affairs, das zu seinen Partnern Denkfabriken wie die RAND Corporation oder das Center for Strategic and International Studies zählt, die fest in den militärisch-industriellen Komplex der USA eingebettet sind.
Dass sich die 116.000 offenen Suchanfragen in ihrer großen Mehrheit auf vermisste ukrainische Männer und somit Soldaten beziehen dürften, die an der Front gefallen sind, dafür sprechen mehrere Gründe.
Da heutzutage so gut wie kein Mensch mehr ohne Handy herumläuft, dürften Angehörige, die zunächst den Kontakt untereinander verloren haben, "weil sie aus ihrer Heimat geflohen sind", diesen bald wieder aufgenommen haben. Gleiches gilt für Soldaten, die Fahnenflucht begangen haben. Auch sie dürften sich per Telefon oder Messenger-Diensten wie Telegram bald darauf bei Verwandten gemeldet haben.
Dass es sich hierbei vor allem um ukrainische vermisste Soldaten und nicht um russische handelt, dafür spricht auch eine andere Statistik, und zwar die des Austauschs der Leichen der an der Front gefallenen Soldaten.
Diese entwickelt sich immer mehr "zugunsten" – wenn man ein solches Wort in diesem traurigen Zusammenhang überhaupt bemühen will – der Russen. Bei den letzten drei Austauschen dieser Art übergaben die Russen jeweils 909 Leichname, die Ukrainer dagegen 34, 41 und 43. Bei den beiden vorherigen übergaben die Russen jeweils 757 Leichen, die Ukrainer 45 und 49. Ein Blick auf die Statistik zeigt, wie sehr sich das Verhältnis seit gut einem Jahr "zugunsten" der Russen entwickelt hat, mit steigender Tendenz. Insgesamt übergab Russland in den letzten zwei Jahren, also ab Mai 2023, 7.790 Leichen. Kiew übergab im selben Zeitraum 1.408 Leichen.
Und auch der jüngst vollzogene größte Austausch von Kriegsgefangenen im Laufe des Konflikts, bei dem jeweils 1.000 Menschen freikamen, zeugt von dem Ungleichgewicht zuungunsten der Ukraine. Kiew hatte zuvor einen Austausch nach der Devise "Alle gegen Alle" gefordert. Moskau beharrte jedoch auf dem Prinzip "Eins gegen Eins".
Der Grund für Kiews Forderung liegt auf der Hand: Russland hält ein Vielfaches mehr an Soldaten gefangen als die Ukraine. Letztere hatte Schwierigkeiten, die eintausend Kriegsgefangenen überhaupt zusammenzubekommen – es waren lediglich 880 russische Soldaten, die zu ihren Familien zurückkehrten. Und deswegen befanden sich unter den Freigekommenen auch ukrainische Oppositionelle und russische Zivilisten, die aus der russischen Region Kursk verschleppt worden waren.
Die Zahlen zeugen davon, dass im Gegensatz zur westlichen Darstellung die Verluste der Ukraine deutlich höher ausfallen als die der Russen – bei einem deutlich geringeren "Reservoir" an Männern, aus dem Kiew schöpfen kann. Nicht umsonst wird dort die Debatte um die Zwangsmobilisierung auch von Frauen bereits intensiv geführt.
Kiew und seine Verbündeten drängen auf einen Waffenstillstand. Und dieser soll "bedingungslos" sein, es also währenddessen ermöglichen, weiter Soldaten zu rekrutieren und westliche Waffen zu erhalten. Auch das zeugt davon, dass die Ukraine unbedingt eine Verschnaufpause aufgrund der hohen Verluste braucht, die sie erleidet. Würden tatsächlich die Russen "täglich deutlich über 1.500 Mann" verlieren, wären sie selbst wahrscheinlich diejenigen, die nach einer Feuerpause verlangten.
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"Keine Waffen für Kiew": Vučić weist russische Vorwürfe zurück
Nach schweren Vorwürfen des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR, Serbien liefere trotz seines erklärten Neutralitätskurses Waffen an die Ukraine, hat Präsident Aleksandar Vučić entschieden reagiert. Er kündigte eine gemeinsame Untersuchung mit Russland an – und stellte zugleich klar: Serbien halte sowohl an seiner Neutralität als auch am Rüstungsexport fest.
Bereits am Abend des 29. Mai trat Vučić in der Hauptnachrichtensendung des staatlichen Fernsehsenders RTS auf und erklärte, dass eine serbisch-russische Arbeitsgruppe gebildet worden sei, "um die Fakten zu klären". Das Thema, so Vučić, sei bereits bei seinem Besuch in Moskau am 9. Mai zur Sprache gekommen – sowohl im größeren Kreis als auch unter vier Augen mit Wladimir Putin. Konkrete Details wollte er jedoch nicht nennen.
Zugleich räumte Vučić ein, dass es Verträge mit Ländern wie Tschechien gebe. Allerdings habe Serbien keine Genehmigungen für Reexporte erteilt. "Wenn es den Verdacht gibt, dass serbische Waffen in Kriegsgebiete wie die Ukraine gelangen, werde ich alle entsprechenden Verträge stoppen", bekräftigte er. Gleichzeitig verwies er auf Beschwerden zweier Botschafter, wonach angeblich auch Waffenlieferungen an Russland über eine türkische Firma erfolgt seien. "Einige dieser Behauptungen entsprechen einfach nicht der Wahrheit", betonte Vučić.
Die Vorwürfe aus Moskau hatten zuvor hohe Wellen geschlagen. Der russische Geheimdienst SWR behauptete, serbische Waffen würden über Drittländer wie Tschechien, Polen, Bulgarien und sogar einige afrikanische Staaten an Kiew geliefert – mithilfe gefälschter Endverbrauchszertifikate. Laut SWR sei von Hunderttausenden Artilleriegeschossen und Millionen Patronen die Rede. Diese Praxis wurde als "Schuss in den Rücken Russlands" bezeichnet. Es gehe um einen "Beitrag zu der vom Westen angeheizten Konfrontation", deren Ziel ein "strategisches Scheitern Russlands" sei, so der SWR.
Die Gerüchte über serbische Waffenlieferungen an die Ukraine sind indes nicht neu. Bereits 2024 berichtete die Financial Times, dass über Drittstaaten Munition im Wert von rund 800 Millionen Euro aus Serbien nach Kiew gelangt sei. Vučić bestätigte damals, die Zahl sei "im Wesentlichen korrekt", betonte aber zugleich, dass es keine direkten Exporte an Russland oder die Ukraine gebe. Serbien unterhalte lediglich Verträge mit westlichen Staaten wie den USA, Spanien oder Tschechien. "Was diese Länder dann mit den Waffen tun, ist ihre Sache", sagte er damals. Auch jetzt bekräftigte Vučić erneut, dass es seine Aufgabe sei, "für die Legalität der Geschäfte und das Wohlergehen der Bürger zu sorgen."
Trotz der Spannungen mit Russland hält Serbien am Rüstungsexport fest – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Die serbische Waffenindustrie beschäftige laut Vučić direkt 23.000 Menschen, weitere 25.000 seien indirekt davon abhängig. Darüber hinaus befinde sich Serbien in einer "goldenen Position", weil seine Waffen deutlich günstiger seien als westliche. Einige Betriebe arbeiteten inzwischen rund um die Uhr in drei Schichten.
Die Duldung dieses Kurses durch den Westen erklärt sich wohl auch durch diese wirtschaftliche Entwicklung. Trotz gelegentlicher Kritik an der serbischen Russlandpolitik bleiben harte Sanktionen aus. In Brüssel und Washington wird Vučić weiterhin als "verlässlicher Partner" angesehen.
Doch in Moskau wächst offenbar der Unmut über Belgrads Balanceakt zwischen Ost und West. Serbische Militärexperten bezweifeln, dass Waffenexporte ohne Wissen der Regierung möglich sind. Der renommierte Militärexperte Aleksandar Radić erklärte: "Man kann keine Waffen ins Ausland verkaufen, ohne dass die politische Führung das genehmigt." In der offenen russischen Kritik sieht er ein klares Signal: "Es reicht. Vučić reist nach Moskau, pflegt ein freundliches Bild – und liefert gleichzeitig indirekt Waffen an die Ukraine. Das wird so nicht mehr akzeptiert."
Für zusätzliche Verstimmung sorgt auch der russisch-serbische Gasvertrag. Ein ursprünglich langfristig geplantes Abkommen wurde zuletzt überraschend nur um vier Monate verlängert – was viele Beobachter als politisches Druckmittel Moskaus interpretieren. Auch Vučić selbst räumte ein, dass dieses Thema bei dem Treffen mit Putin vertraulich besprochen wurde.
Der serbische Politologe Aleksandar Đokić sieht Vučić unter wachsendem russischen Druck. Gegenüber The Insider erklärte er: "Moskau ist derzeit der einzige Machtfaktor, der Vučićs Regime angesichts von Protesten und sinkender Zustimmungswerte offen unterstützt." Als Zeichen russischer Rückendeckung verweist Đokić darauf, dass der russische FSB einen Bericht geliefert habe, wonach bei Demonstrationen im März keine Schallwaffen eingesetzt worden seien. Kurz darauf habe Vučić an der Siegesparade in Moskau teilgenommen.
Trotz aller Spannungen betont Vučić weiterhin die Neutralität seines Landes. Eine Entsendung serbischer Friedenstruppen in die Ukraine ohne Zustimmung Moskaus komme für ihn nicht infrage. Auch inmitten der Krise versucht Serbien, seinen riskanten Spagat zwischen Ost und West aufrechtzuerhalten – zumindest vorerst.
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Damals die Juden – heute die Russen
Von Hans-Ueli Läppli
Ein Dirigent verliert seine Auftritte. Eine Opernsängerin wird von Spielplänen gestrichen. Sportler dürfen nicht mehr antreten, nicht weil sie gedopt haben, sondern weil sie einen russischen Pass besitzen. Wissenschaftler werden von Forschungsprojekten ausgeladen, obwohl sie in der Schweiz leben. All das passiert heute. In Europa. Im Namen von Moral, Haltung – und Solidarität mit der Ukraine.
Doch in Russland, aber auch darüber hinaus, regt sich ein unangenehmes Déjà-vu. Die kollektive Ächtung einer ganzen Nation entlang ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit erinnert an ein düsteres Kapitel des 20. Jahrhunderts: die frühe Phase der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland.
Natürlich ist ein solcher Vergleich heikel. Die Shoah war einzigartig – ein industriell betriebenes Vernichtungsprogramm, getragen von einem totalitären Regime. Wer diesen Zivilisationsbruch relativiert, verharmlost das Unerträgliche. Doch auch historische Einmaligkeit schließt eine Lehre nicht aus: Ausgrenzung beginnt nie mit Gaskammern. Sie beginnt mit Stigmatisierung.
Ab 1933 wurden in Deutschland jüdische Sportler aus Vereinen ausgeschlossen, jüdische Musiker durften nicht mehr auftreten, Schauspieler verloren Engagements, Professoren ihre Lehrstühle. Begründet wurde dies damals mit der "Rassenschande" und einem angeblichen "Volkswillen". Heute heißt das Schlagwort "politische Verantwortung". Doch die Muster ähneln sich: Nicht die individuelle Haltung zählt, sondern die Herkunft, die Zugehörigkeit zu einer Nation, die gerade Feindbild ist.
Anna Netrebko durfte in Berlin, New York oder Zürich nicht mehr auftreten. Der Dirigent Waleri Gergijew verlor zahlreiche Posten, weil er Putin nicht öffentlich kritisierte. Russische Athleten werden von Wettbewerben ausgeschlossen, auch wenn sie nie politische Aussagen gemacht haben. Selbst Kinder aus Russland, die in westlichen Ländern trainieren, werden zunehmend benachteiligt.
Dabei geht es längst nicht mehr um Oligarchen. Die pauschale Ausgrenzung trifft auch jene, die Russland längst verlassen haben, die im Westen leben, forschen, lehren oder auftreten. Ihnen allen haftet plötzlich ein Makel an: ihre Staatsbürgerschaft. Der russische Pass ist zur kulturellen Hypothek geworden – zum Makel, der sich nicht durch Verhalten ablegen lässt.
Die französische Philosophin Catherine Clément warnte kürzlich vor einem "zivilisatorischen Rückfall". Es sei gefährlich, wenn die Staatsangehörigkeit wieder über soziale Teilhabe entscheide – und das unabhängig von individueller Verantwortung. Man müsse sich fragen, wie weit man bereit ist, kollektive Schuld zu unterstellen.
Während russische Athleten persönliche Bekenntnisse ablegen müssen, wird von israelischen Staatsbürgern keine Distanzierung von Netanjahus Gaza-Offensive eingefordert – obwohl dort täglich Kinder sterben.
Das Internationale Olympische Komitee hat russische Teams weitgehend ausgeschlossen. Sportler dürfen nur unter neutraler Flagge antreten – wenn sie sich zuvor politisch von ihrer Regierung distanzieren. Ein Zwangsbekenntnis, das weder für andere Länder noch für andere Konflikte gilt. Nur Russen sollen bekennen – oder schweigen.
Diese doppelte Moral fördert das, was einst die frühe NS-Zeit kennzeichnete: einen moralisch begründeten Ausschluss, der nicht auf Tat, sondern auf Zugehörigkeit basiert. Der jüdische Violinist wurde nicht ausgeschlossen, weil er schlecht spielte, sondern weil er Jude war.
Ausgeladen wird nicht der Pianist, der falsch spielt, sondern jener, der den falschen Pass trägt – oder den falschen Vornamen. Für eine Disqualifikation genügt es, russisch zu sein.
Noch ist kein Pogrom in Sicht. Noch gibt es keine Lager, keine Gesetze zur Russenfrage. Doch es gibt Listen, Einreiseverbote, Ausschlusskriterien und Sippenhaft aufgrund von Herkunft. Und es gibt eine breite gesellschaftliche Akzeptanz dieser Praxis. Wer Einwände erhebt, gilt schnell als Putin-Versteher oder unsensibel gegenüber ukrainischem Leid.
Doch wer aus der Geschichte aufrichtig lernen will, sollte unbedingt auch den Anfang sehen – nicht nur das Ende. Die frühen 1930er-Jahre begannen nicht mit Auschwitz, sondern mit Auftrittsverboten, Distanzierungsforderungen und ideologischer Säuberung der Bühnen und Sportplätze. Auch damals war es von vielen "gut gemeint".
Es ist ein gefährlicher Weg, wenn die Herkunft wieder zur Schuld, politische Symbolik über persönliche Leistung gestellt und Differenzierung dem Zeitgeist geopfert wird. Denn dann hat die Geschichte nicht nur begonnen, sich zu reimen, sondern sie beginnt sich zu wiederholen.
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Nach Rettung durch den Staat: Meyer Werft kann pro Jahr vier bis fünf Kriegsschiffe bauen
Die auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen spezialisierte Meyer Werft im emsländischen Papenburg erwägt den Einstieg in die Rüstungsindustrie – RT DE berichtete. Nun sind weitere Details zu dem Vorhaben bekannt geworden: "Gemeinsam mit einem Strategieberater analysieren wir gerade, welche Rolle Meyer bei der sogenannten 'Grauen Ware', also im militärischen Bereich, grundsätzlich spielen kann", sagte der Geschäftsführer Ralf Schmitz dem Handelsblatt.
Bislang baut die Werft vor allem Kreuzfahrtschiffe, allein drei sind für den Mickey-Maus-Konzern Disney in Arbeit. Das Unternehmen produziert aber bereits zusammen mit der Lürssen-Werft Marineversorgungsschiffe. "Wenn wir uns vor allem auf das Thema Verteidigung konzentrieren würden, dann könnten wir vier bis fünf Fregatten in Serie bauen, was sonst keiner in Deutschland kann", sagte Schmitz. Ein Vorteil seien dabei die überdachten Docks, die etwa von feindlichen Drohnen und Satelliten nicht ausgespäht werden könnten.
Die deutsche Kriegsmarine zählt 16.000 Soldaten und hat derzeit elf Fregatten im Einsatz. Die Meyer Werft könnte nicht nur für Eigenbedarf produzieren, sondern auch die Aufträge für andere NATO-Staaten erfüllen.
Das Unternehmen hat bisher keine Kompetenzen in den Bereichen Verteidigungstechnik sowie Radar- und Waffensystemen. "Deshalb müssten wir für diesen Teil eine Partnerschaft eingehen oder zukaufen, was bei dem engen Markt mit etablierten Anbietern sicher nicht einfach wäre", sagte Schmitz.
Der Bund und das Land Niedersachsen hatten Ende 2024 die Meyer Werft vor der Pleite gerettet. Dem familiengeführten Unternehmen waren die Corona-Jahre zum Verhängnis geworden, in denen es kaum noch Neuaufträge gab.
Seit der Eskalation im Ukraine-Konflikt und dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 findet im NATO- und EU-Raum zunehmend eine massive Aufrüstung und Militarisierung des alltäglichen Lebens statt. Die Auftragsbücher bei europäischen Rüstungsunternehmen sind bereits voll. Insgesamt wollen die EU-Staaten 800 Milliarden Euro in die Verteidigung gegen einen angeblichen russischen Angriff investieren.
Der Rüstungskonzern Rheinmetall befindet sich dank der massiven Aufrüstung auf Rekordkurs und will in Deutschland bald auch Satelliten herstellen. Laufe alles rund, könne Rheinmetall im Jahr 2030 sogar mehr als 40 Milliarden Euro Umsatz erzielen, sagt Vorstandschef Armin Papperger.
Viele Rüstungsunternehmen suchen aufgrund des Booms auch händeringend nach Fachkräften: Manche wenden sich der kriselnden Autobranche zu, um qualifizierte Beschäftigte zu finden. Andere gründen sogar eigene Berufsschulen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nicht fündig werden.
Die Umstrukturierung der Meyer Werft zu einem Rüstungsbetrieb stellt nach Meinung der Experten einen strategischen Richtungswechsel und einen weiteren Ausdruck der Zeitenwende für die Bundeswehr dar. Gerade im Hinblick auf die Entwicklungen in der Ostsee, die von manchen deutschen Politikern bereits zur "NATO-Badewanne" erklärt wurde, ist dies ein Paradebeispiel für Militarisierung Deutschlands und Europas.
Zudem wird offenbar ein Ausschluss Russlands aus dem Seeverkehr in der Ostsee angestrebt, indem das Binnenmeer des Atlantiks zu einem "demokratischen Raum" (Manuela Schwesig) erklärt wurde. So wurden schon einige Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte von Anrainer-Staaten beschlagnahmt. Russland nimmt diese Versuche als substanzielle Bedrohung wahr und zeigt ebenso seine militärische Präsenz. Das Risiko, dass die Seestreitkräfte beider Seiten aneinandergeraten, wird immer realer.
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Tastatur jetzt Kriegswaffe: Briten wollen Cyberangriffe auf Russland und China verstärken
London wird seine offensiven Cyber-Operationen gegen Russland und China deutlich verstärken, kündigte der britische Verteidigungsminister John Healey am Donnerstag nach der Einweihung des neuen Cyber- und elektromagnetischen Kommandos des Landes an.
In einer von der Times zitierten Erklärung behauptete Healey, dass "die Tastatur jetzt eine Kriegswaffe ist", und sagte, das neue britische Cyber-Kommando werde sowohl defensive als auch offensive Operationen koordinieren, einschließlich des Hackens in gegnerische Systeme, um Angriffe und die Verbreitung von Propaganda zu stören.
Auf die Frage, ob dies auch Russland und China einschließen würde, antwortete Healey: "Ja".
Healeys Erklärung ist das erste Mal, dass ein britischer Minister ausdrücklich Cyberangriffe auf andere Staaten bestätigt. Zwar hatten britische Minister schon früher Cyberoperationen gegen nicht staatliche Akteure wie den "Islamischen" Staat bestätigt, doch Angriffe auf andere Länder haben sie bisher nicht eingeräumt.
Der Verteidigungsminister fügte hinzu, dass die britische Regierung mehr als 1 Milliarde Pfund (1,19 Milliarden Euro) für ein "digitales Zielnetz" bereitgestellt hat, das den Austausch von Informationen in Echtzeit zwischen Truppen, Spionageflugzeugen und Satelliten auf dem Schlachtfeld ermöglicht.
Die Äußerungen Healeys erfolgen im Vorfeld der Veröffentlichung einer strategischen Verteidigungsüberprüfung am Montag. Nach Angaben der Times wird in dem Bericht betont, dass Cyberangriffe auf Großbritannien, die angeblich von Russland und China ausgeführt werden, "die Grundlagen der Wirtschaft und des täglichen Lebens bedrohen".
Sowohl Moskau als auch Peking haben die Anschuldigungen, Cyberangriffe gegen westliche Länder zu verüben, stets zurückgewiesen und die Behauptungen als unbegründet und politisch motiviert bezeichnet.
Darüber hinaus haben russische Beamte in den letzten Monaten wiederholt ihre Besorgnis über die anhaltende Militarisierung Westeuropas und die aggressive antirussische Rhetorik geäußert, die eine Reaktion auf die angebliche Bedrohung durch Moskau sei.
Der Kreml hat vehement bestritten, feindliche Absichten gegenüber irgendeinem westlichen Land zu hegen, und hat europäische Politiker beschuldigt, "in unverantwortlicher Weise Ängste zu schüren", um höhere Militärausgaben zu rechtfertigen, was Moskau als "Aufwiegelung zum Krieg auf dem europäischen Kontinent" bezeichnet hatte.
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NATO-Osterweiterung: Washington erkennt "berechtigte Sorge" Russlands an
Keith Kellogg, Sondergesandter des US-Präsidenten für die Ukraine, hat die russische Sorge über eine mögliche Osterweiterung der NATO als "berechtigt" bezeichnet. In einem Interview mit dem US-Sender ABC News erklärte er, dass ein Beitritt der Ukraine zu dem westlichen Militärbündnis derzeit kein Thema sei – und dass diese Haltung von mehreren NATO-Staaten geteilt werde.
"Das ist eine berechtigte Sorge. Wir haben mehrfach betont, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine für uns nicht zur Debatte steht – und wir sind nicht das einzige Land, das so denkt. Ich könnte Ihnen wahrscheinlich vier NATO-Staaten nennen, die diese Haltung teilen. Für eine Aufnahme braucht es aber die Zustimmung aller 32 Mitglieder. Und wir haben gesehen, wie einige Länder signalisierten, dass sie sich da nicht sicher sind."
Kellogg deutete an, dass die NATO auf eine weitere Aufnahme osteuropäischer Staaten verzichten könnte. Washington erkenne an, dass Russland dies als sicherheitspolitische Bedrohung empfindet. Die Kritik Moskaus richtet sich dabei nicht nur gegen eine mögliche Mitgliedschaft der Ukraine, sondern auch gegen die Beitrittsperspektiven für Georgien und Moldawien.
"Und wir sagen: 'Gut, umfassend betrachtet sind wir bereit, die NATO-Erweiterung in Richtung eurer Grenzen zu stoppen.' Das ist für sie eine Frage der Sicherheit. Aber die Entscheidung liegt beim Präsidenten – nicht bei mir."
Eine entsprechende Vereinbarung könnte laut Kellogg im Rahmen direkter Gespräche zwischen den USA und Russland getroffen werden – vorausgesetzt, auch andere NATO-Mitglieder würden einbezogen. Konkrete Vorschläge müssten von Diplomaten vorbereitet und dem US-Präsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden.
Die Aussagen Kelloggs fügen sich in eine Reihe westlicher Stellungnahmen ein, die ein wachsendes Verständnis für Russlands Sicherheitsinteressen erkennen lassen. So erklärte US-Außenminister Marco Rubio, man habe mit Beginn der Gespräche mit Moskau die russische Position besser nachvollziehen können.
Auch US-Präsident Donald Trump sagte zu Beginn seiner Amtszeit, er könne "die Gefühle Russlands" in Bezug auf einen NATO-Beitritt der Ukraine nachvollziehen. Ihm sei klar gewesen, dass es zum Krieg kommen würde, nachdem sein Vorgänger Joe Biden Kiew eine NATO-Perspektive in Aussicht gestellt habe.
Selbst innerhalb des westlichen Bündnisses wird die Frage einer ukrainischen Mitgliedschaft zunehmend zurückhaltend behandelt. NATO-Generalsekretär Mark Rutte betonte im Februar, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine nie Bedingung für ein Friedensabkommen gewesen sei. Zwar sei der Weg Kiews in die NATO "unumkehrbar", doch stehe der Beitritt derzeit nicht auf der Tagesordnung.
Russland wiederum warnt seit Jahren vor einer weiteren NATO-Osterweiterung. Außenminister Sergei Lawrow warf dem Bündnis zuletzt vor, neutrale Staaten wie Finnland und Schweden integriert und zugleich provokative Militärübungen an der russischen Grenze intensiviert zu haben. Auch das zunehmende militärische Engagement westlicher Staaten in der Arktis wird in Moskau kritisch gesehen.
Trotz der Spannungen zeigte sich Russland gesprächsbereit: Das Außenministerium betonte mehrfach, man sei offen für einen Dialog mit der NATO – allerdings nur auf Augenhöhe. Voraussetzung sei ein Kurswechsel des Westens: weg von der Militarisierung Europas, hin zu einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur. Die zunehmende Präsenz westlicher Truppen nahe den russischen Grenzen wertet Moskau hingegen als bewusste Eskalation.
Vor diesem Hintergrund ergreift Russland nun neue diplomatische Initiativen. Außenminister Lawrow kündigte für den 2. Juni ein weiteres Treffen mit der Ukraine in Istanbul an. Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski soll dort ein Memorandum überreichen, das zentrale Punkte zur Beilegung des Konflikts enthält. Der US-Sondergesandte Kellogg bestätigte, dass an diesem Tag auch Vertreter der USA, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in Istanbul anwesend sein werden:
"Wenn wir nächste Woche in Istanbul ankommen, werden wir uns an einen Tisch setzen und darüber sprechen, wie das Ganze aussehen soll. Dabei ist auch die sogenannte E3 – Sicherheitsberater aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Sie haben uns bereits in London geholfen, Rahmenbedingungen für die Ukraine auszuarbeiten. Auch sie werden in Istanbul sein und ihre Sicht darlegen."
Ob die westlichen Vertreter direkt an den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine teilnehmen werden, ließ Kellogg offen. Gleichzeitig warnte er Kiew davor, öffentlich mit einem Rückzug aus den Verhandlungen zu drohen. Hintergrund ist die Ankündigung ukrainischer Vertreter, sie könnten sich aus dem Prozess zurückziehen, sollte Moskau vor dem Treffen keinen Vorschlag zur Konfliktlösung vorlegen.
"Ich habe mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow gesprochen, der die Verhandlungsdelegation in Istanbul anführen wird. Auch er hat das russische Memorandum noch nicht gesehen. Aber ich warne immer: Sagt solche Dinge nicht. Teil des Prozesses ist es, überhaupt zu erscheinen. Man muss zeigen, dass man es ernst meint."
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters vom 28. Mai hat Präsident Wladimir Putin mehrere Bedingungen für ein mögliches Ende der Kampfhandlungen formuliert. Demnach fordert Russland unter anderem schriftliche Zusicherungen westlicher Staaten, dass es keine weitere NATO-Osterweiterung geben werde – insbesondere nicht in Richtung Ukraine, Georgien und Moldawien. Weitere Bedingungen umfassen einen neutralen Status der Ukraine sowie die teilweise Aufhebung westlicher Sanktionen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow begrüßte, dass Putins Erklärungen zur Unzulässigkeit einer weiteren NATO-Osterweiterung international zunehmend Gehör finden. Besonders erfreulich sei, dass auch in Washington mehr Verständnis für Moskaus Standpunkt herrsche:
"Präsident Putin macht unseren Gesprächspartnern – auch den Vertretern der USA – immer wieder klar, dass eine Ausweitung der NATO nach Osten aus Sicht der strategischen Interessen Russlands inakzeptabel ist. Wir freuen uns, dass diese Erklärungen des Präsidenten auf Verständnis stoßen – auch in Washington."
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EU sucht im Schwarzen Meer Konfrontation mit Russland
Brüssel will die zur EU gehörenden Schwarzmeer-Anrainer Bulgarien und Rumänien aufrüsten und plant zudem unter der Bezeichnung "Zentrum für maritime Sicherheit im Schwarzen Meer" die Einrichtung eines Militärstützpunkts. Das sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Mittwoch in Brüssel.
Die EU sieht ihre Interessen in der Schwarzmeerregion in gleich mehrfacher Hinsicht bedroht. Der Ukraine-Konflikt bedrohe die Sicherheit in der Region. Zudem unterstellte Kallas Russland, kritische Infrastruktur wie Unterwasserkabel anzugreifen. Darüber hinaus warf sie Russland Luftraumverletzungen, Angriffe auf Häfen und Schifffahrtsrouten vor. Bisher hat Russland allerdings die Häfen von EU-Staaten am Schwarzen Meer nicht angegriffen. Auch gibt es keine glaubwürdigen Berichte darüber, dass Russland gezielt Unterseekabel im Schwarzen Meer sabotiere.
Dessen ungeachtet zielt die EU darauf ab, auch die EU-Schwarzmeer-Anrainer Rumänien und Bulgarien kriegsfähig zu machen. Dazu soll die dortige Verkehrsinfrastruktur, Straßen, Brücken und Häfen so aufgerüstet werden, dass sie den Belastungen durch schweres militärisches Gerät standhalten und somit eine schnelle Verlegung von NATO-Truppen ans Schwarze Meer sichergestellt werden kann. Zudem sollen die Eigentumsverhältnisse besser überwacht werden. Kallas sieht in ausländischen, vor allem in chinesischen Investoren ein potenzielles Sicherheitsproblem für die EU.
Damit weitet Kallas den Kreis der Gegner der EU aus, gegen den es sich zu wappnen gilt. Nicht allein Russland steht im Fokus. Die EU ist dabei, Einfluss in der Region zu verlieren. China investiert in einen Tiefseehafen vor der georgischen Küste. Die EU hat sich in diesem Zusammenhang als nicht wettbewerbsfähig erwiesen. Kallas warnt zudem vor hybriden Bedrohungen, vor Cyberspionage und Hackerangriffen. Die Schwarzmeerregion sei für die EU von hoher strategischer Bedeutung. Ihre Interessen will die EU auch dort nicht diplomatisch, sondern offenkundig militärisch durchsetzen.
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Ein politisches Spiel: Russlands Eishockeyteam von Olympia 2026 ausgeschlossen
Die Entscheidung kommt mit Ansage – und trifft dennoch einen Nerv: Russland wird beim olympischen Eishockeyturnier 2026 in Mailand nicht dabei sein. Das hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) nun offiziell bestätigt. Der Grund: die anhaltende Suspendierung des Russischen Olympischen Komitees wegen des Ukraine-Kriegs. Eine sportliche Bewertung des Nationalteams? Eher nein.
In Moskau spricht man von einer politischen Entscheidung. Schon kurz nach der Bekanntgabe kündigte das Russische Olympische Komitee an, juristisch gegen den Ausschluss vorzugehen – beim Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne, Schweiz.
Für Russland ist der Eishockey-Bann besonders schmerzhaft. Das Land hat den Sport über Jahrzehnte mitgeprägt – vom Glanz der sowjetischen "Roten Maschine" bis zum Olympiagold 2018. In der KHL, der russisch dominierten Liga, spielt bis heute ein Großteil der internationalen Eishockeyelite.
Nicht nur in Russland sorgt die Entscheidung für Kritik. Auch im Westen wird der Schritt hinterfragt.
Ein Schweizer Sportkommentator meinte:
"Das ist wie Wimbledon ohne Roger Federer."
Eishockey-Legende Wayne Gretzky nannte den Ausschluss im kanadischen Fernsehen einen "Verlust für den Sport".
Das IOC lässt weiterhin einzelne russische Sportler zu, unter neutraler Flagge. Doch ganze Teams wie das Eishockey-Nationalteam bleiben ausgeschlossen. Eine Prüfung, ob sich die Mannschaft unabhängig oder unpolitisch aufstellt, findet nicht statt.
Ein Prinzip, das auch in Europa kritisch gesehen wird.
"Kollektivstrafen treffen oft die Falschen", betonte ein skandinavischer Sportfunktionär dem Sender SVT. Andere warnen:
Der Sport verliert seine Neutralität.
Ob Russland doch noch teilnehmen darf, wird wohl der CAS entscheiden. Der Internationale Sportgerichtshof prüft derzeit, ob der Ausschluss mit der Olympischen Charta vereinbar ist. Russlands Juristen halten ihn für unverhältnismäßig – weil das Eishockeyteam selbst nicht gesperrt wurde.
Eine Entscheidung wird bis Frühling 2026 erwartet. Im besten Fall könnte Russland unter neutraler Flagge doch noch aufs Eis.
Unabhängig vom CAS-Urteil setzt Russland sportlich längst auf eigene Strukturen. Die Kontinentale Hockeyliga (KHL) soll zur Alternative zur NHL werden – mit einem klaren Bekenntnis zur Eigenständigkeit. Die KHL hat bereits signalisiert, keine Spieler für neutrale Olympia-Teams freizugeben.
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Im Vergleich zur ersten Amtszeit: Trump will Waffenverkäufe an Taiwan erhöhen
Die Vereinigten Staaten planen, ihre Waffenverkäufe an Taipeh auf ein Niveau anzuheben, das über das der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump hinausgeht. Dies geschieht im Rahmen der Bemühungen, China abzuschrecken, da Peking den militärischen Druck auf die demokratische Insel verstärke, so zwei US-Beamte.
Sollten die US-Waffenverkäufe an Taiwan tatsächlich zunehmen, könnte dies die Sorgen der Falken in Washington über das Ausmaß von Trumps Engagement für die abtrünnige Insel mindern. Es würde aber auch zu neuen Spannungen in den ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen den USA und China führen.
Die US-Beamten, die anonym bleiben wollen, erklärten, sie gingen davon aus, dass die US-Genehmigungen für Waffenverkäufe an Taipeh in den nächsten vier Jahren jene in Trumps erster Amtszeit übertreffen würden. Ein Beamter geht sogar davon aus, dass die Waffenverkaufsanzeigen an Taiwan diese frühere Periode "leicht übertreffen" könnten.
Sie sagten auch, dass die Vereinigten Staaten die Mitglieder der taiwanesischen Oppositionsparteien dazu drängen, sich nicht gegen die Bemühungen der Regierung zu stellen, die Verteidigungsausgaben auf drei Prozent des Inselbudgets zu erhöhen. Die erste Trump-Regierung genehmigte Waffenverkäufe im Wert von etwa 18,3 Milliarden US-Dollar an Taiwan. Die US-Regierung unter Joe Biden lieferte dem gegenüber lediglich Waffen im Wert von rund 8,4 Milliarden US-Dollar, wie aus Berechnungen von Reuters hervorgeht.
Obwohl zwischen Washington und Taipeh keine formellen diplomatischen Beziehungen bestehen, sind die Vereinigten Staaten Taiwans wichtigster internationaler Unterstützer und Waffenlieferant. Dennoch befürchten viele Menschen in Taiwan, das China als Teil seines Staatsgebiets beansprucht, dass sich Trump nicht so stark für die Insel engagieren könnte wie frühere US-Präsidenten.
Im Wahlkampf schlug Trump vor, Taiwan solle für seinen Schutz bezahlen, und warf der Insel außerdem vor, US-amerikanische Halbleiterunternehmen zu bestehlen. Dies sorgte in Taipeh für Unruhe. China hat angekündigt, die separat regierte Insel notfalls mit Gewalt mit dem Festland wiederzuvereinigen. Die taiwanesische Regierung lehnt die Souveränitätsansprüche Pekings ab und betont, dass nur die Bevölkerung Taiwans über die Zukunft der Insel entscheiden könne.
Das taiwanesische Verteidigungsministerium lehnte es ab, sich zu neuen Waffenverkäufen zu äußern, bekräftigte jedoch frühere Äußerungen des Verteidigungsministers der Insel, Wellington Koo, über die Bedeutung der "Solidarität und Zusammenarbeit demokratischer Verbündeter". Taiwans Präsident Lai Ching-te und seine Demokratische Fortschrittspartei (DPP) streben an, die Verteidigungsausgaben in diesem Jahr durch einen Sonderhaushalt für Verteidigung auf drei Prozent des BIP zu erhöhen.
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